Süddeutsche Zeitung

Internationaler Frauentag:In Trippelschritten

Die politischen Gremien im Landkreis bestehen durchschnittlich nur zu knapp einem Drittel aus Frauen. Die Kommunalwahlen im Vorjahr haben daran kaum etwas verändert. Dabei sind weibliche Perspektiven für die Entscheidungen wichtig

Von Heike A. Batzer

Kottgeisering könnte eine weibliche Hochburg sein. Sechs Jahre lang hatte der kleine Ort im Westen des Landkreises eine Bürgermeisterin - die sich dann nicht mehr zur Wahl stellte -, nun sind acht von zwölf Gemeinderäten weiblich. Das sind zwei Drittel und damit so viele wie nirgendwo sonst im Landkreis. Denn die Kommunalpolitik ist noch immer männlich dominiert. In den meisten Gemeinde- und Stadträten im Landkreis sitzen mehr Männer als Frauen. "Frauen sind in der Kommunalpolitik massiv unterrepräsentiert", fasst die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) die Ergebnisse einer im vorigen Oktober veröffentlichten Studie zusammen. Die EAF setzt sich seit 1996 für mehr Chancengleichheit und mehr Frauen in Führungsverantwortung ein. In den Stadt- und Gemeinderäten der 23 Kommunen im Landkreis Fürstenfeldbruck liegt der Frauenanteil bei durchschnittlich 32 Prozent. Das sind immerhin vier Prozent mehr als 2014. Ein Fortschritt in Trippelschritten. Der Internationale Frauentag am Montag bietet Gelegenheit, daran zu erinnern und die aktuelle Lage in den Stadt- und Gemeinderäten noch einmal unter die Lupe zu nehmen.

Ein besonderer Erfolg für die Frauen waren die Kommunalwahlen vor einem Jahr nicht. Angetreten waren landkreisweit gerade mal sechs Bürgermeisterkandidatinnen und zwei Bewerberinnen um den Landratsposten. Vielerorts blieben die männlichen Kandidaten um den gemeindlichen Spitzenposten unter sich. Statt wie bisher zwei Bürgermeisterinnen gibt es in Andrea Schweitzer (Freie Wähler) nun nur noch eine neben 22 Männern an der Spitze der Kommunen. Das ist gerade mal ein Anteil von 4,5 Prozent. Schweitzer muss lachen, wenn sie darauf angesprochen wird. "Die gigantische Menge von zwei Bürgermeisterinnen im Landkreis" sei noch mal reduziert worden, sagt sie. "Besorgniserregend" nennt die EAF-Studie, die nach einer repräsentativen Befragung von 1100 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern entstand, das Ergebnis: Nicht einmal jedes zehnte Rathaus in Deutschland wird von einer Frau regiert.

Andrea Schweitzer steht einer kleinen Gemeinde vor: Landsberied, 1600 Einwohner, wie Kottgeisering im ländlichen Westen des Landkreises gelegen. Auf dem Land tun sich Frauen in der Regel noch schwerer als in großen Kommunen wie Germering, wo es durchaus einflussreiche frauenpolitische Initiativen gibt. Je ländlicher die Gemeinde, desto weniger Frauen in der Politik, ist auch das Ergebnis des Forschungsprojekts der Hochschule Landshut, das untersucht, warum gerade in Bayern Frauen in den Kommunalgremien so unterrepräsentiert sind.

Die einzige Frau unter 22 Männern bei den Bürgermeister-Dienstbesprechungen im Landkreis zu sein, daran gewöhne man sich, sagt Schweitzer. Die 52-Jährige ist seit 2014 im Amt, war vorher Gemeinderätin. An spezielle Probleme wegen des ungleichen Frauen-Männer-Anteils könne sie sich nicht erinnern. Unbemerkt bleibt die Diskrepanz aber dann doch nicht. Denn bei vielen Veranstaltungen werde sie bisweilen eigens als "Frau Bürgermeisterin" erwähnt oder begrüßt, erzählt Schweitzer.

In der ländlichen Gemeinde Moorenweis sind nur zwei von 16 Gemeinderäten weiblich, das sind 12,5 Prozent und ist damit der schlechteste Wert im Landkreis, gefolgt von 14 Prozent in Althegnenberg, wo unter 14 Gemeinderäten ebenfalls nur zwei Frauen sitzen. Unter 20 Prozent Frauenanteil bleiben zudem Landsberied, Egenhofen und Mammendorf. Auffällig ist auch, dass dort, wo keine Grünen antreten, wie eben in Moorenweis und Egenhofen, die Frauenquoten schlecht sind. Bei den Grünen ist das Prinzip, dass Frauen und Männer gleichberechtigt auf den Listen antreten, seit jeher verankert. Abzulesen beispielsweise an der grünen Besetzung im Kreistag. Über 17 Mandate verfügen sie dort, neun davon haben Frauen inne. Das sind mehr als die Hälfte, die Grünen haben damit im Kreistag die beste Frauenquote, in der seit der jüngsten Wahl auf sieben Kreisräte geschrumpften SPD sind immerhin drei Frauen. 21 der insgesamt 70 Kreisräte sind weiblich, das sind 30 Prozent und damit kaum mehr als in der vergangenen Amtsperiode (28 Prozent). Dabei machen Frauen die Hälfte der Bevölkerung aus.

Bei der FDP, den Unabhängigen Bürgervereinigungen, der Linken und der AfD gibt es überhaupt keine Frauen im Kreistag. Dabei hatten sich die Liberalen vor einem Jahr eigens Mühe gegeben und damals Verena Coscia auf Platz zwei ihrer Liste gesetzt. Doch was machten die Wählerinnen und Wähler? Ließen die Neueinsteigerin auf Platz elf zurückfallen. Mit dem Einzug in den Kreistag wurde es bei zwei FDP-Mandaten damit nichts für Coscia. Oder Celine Lauer: Sie wurde von der CSU auf Listenplatz 13 für den Kreistag gesetzt, fand sich nach dem Wählervotum aber auf Platz 32 wieder.

Die Wähler, und vor allem die Wählerinnen müssten dann aber auch Frauen wählen, sagt deshalb Andrea Schweitzer. Das aber tun sie offensichtlich nicht oder nicht in ausreichendem Maße. "Wahlen funktionieren viel über Bekanntheit", sagte die Landshuter Soziologin Mina Mittertrainer diesbezüglich dem Bayerischen Rundfunk: "Die Leute, die man kennt, die einen Wiedererkennungswert haben, die wählt man auch gerne." Trifft gerade auch auf die CSU-Wähler zu, die für den Kreistag den Obermeister der Metzgerinnung, Engelbert Jais, von Platz 37 auf Platz 15 vorhäufelten oder den stadtbekannten Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer in Fürstenfeldbruck von 14 auf zwei. Auch die Freien Wähler waren bislang eher als Männerbastion bekannt und sind es immer noch - auch wenn sie im vergangenen März mit Sandra Meissner als Landrats- und Spitzenkandidatin der Kreistagsliste ins Rennen gingen. Immerhin: Meissner ist nun die einzige Frau in der achtköpfigen W-Kreistagsfraktion und führt sie als Sprecherin auch an.

Was ist aus den Kandidatinnen geworden?

Nur sechs Frauen kandidierten im Landkreis bei den Kommunalwahlen im Vorjahr als Bürgermeisterinnen, zwei um den Posten der Landrätin. Gelungen ist der Einzug ins Rathaus nur Andrea Schweitzer (Freie Wähler) aus Landsberied, die dort schon seit 2014 Bürgermeisterin war und 2020 für weitere sechs Jahre gewählt wurde.

Agnes Dürr (Grüne), die in Germering als OB-Kandidatin angetreten war, führt ihre Arbeit seither als Stadträtin fort, ebenso Christine Wunderl (Grüne) ihre Tätigkeit als Gemeinderätin in Maisach. Karin Kamleiter, die sich in Puchheim für die CSU als Bürgermeisterin bewarb, ist nun Sprecherin ihrer Fraktion im Stadtrat. Ebenfalls Stadträtin in Puchheim ist Gudrun Horn, die zweite Frau, die in Puchheim Ambitionen auf das Amt der Bürgermeisterin hatte. In Emmering traten die Grünen erstmals zur Wahl an und kamen gleich auf vier Gemeinderatsmandate. Eines davon besetzt Ulrike Saatze, die ebenfalls Bürgermeisterkandidatin war.

Sandra Meissner (Freie Wähler) und Ernestine Martin-Köppl (Die Linke) forderten im vergangenen Jahr CSU-Landrat Thomas Karmasin heraus. Es blieb bei der Herausforderung. Meissner gelang indes der Einzug in den Kreistag, sie ist dort Sprecherin der Freien-Wähler-Fraktion und deren einzige Frau. Martin-Köppl verpasste den Einzug in dieses Gremium, weil die Linke dafür nur ein Mandat holte. baz

Bei der Wahl der Stellvertreterposten versuchten die Parteien manches zurechtzurücken. Landrat Thomas Karmasin (CSU) hat in Martina Drechsler erneut eine erste Stellvertreterin und Germerings beliebter OB Andreas Haas (CSU) seither gleich zwei Vertreterinnen: Manuela Kreuzmair aus der eigenen Fraktion und die junge Grüne Sophie Schuhmacher. Germering gilt seit langem als frauenfreundlicher Stadtrat. Die Quote verschlechterte sich von zuletzt 60 auf nunmehr 42,5 Prozent, was im interkommunalen Vergleich freilich immer noch ein Spitzenwert ist. Über die 40-Prozent-Marke kommen sonst nur noch der Gemeinderat Maisach, der Stadtrat in Puchheim und natürlich der Gemeinderat von Kottgeisering mit einem Frauenanteil von 67 Prozent.

Dass es für Frauen schwieriger ist, in politische Ämter zu gelangen, bestätigt auch die EAF-Befragung. Die Hälfte von ihnen bejahte, im Zuge ihrer Kandidatur stärker mit Widerständen konfrontiert worden zu sein, 27 Prozent von ihnen berichten von Vorbehalten aufgrund ihres Geschlechts. In vielen Fällen ist es auch immer noch mangelnde Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche, die Frauen die Übernahme eines politischen Amtes vergällt. "Ein politisches Amt ist ein zusätzliches Amt", weiß SPD-Kreisrätin Petra Weber. Das käme eben zu Berufstätigkeit und Kindererziehung noch hinzu. Frauen fühlen sich ihrer Ansicht nach in besonderem Maße verantwortlich, auch für die Familie, und würden deshalb genau abwägen, ob sie ein kommunalpolitisches Engagement "mit gutem Gewissen vereinbaren können", sagt Weber. Vielleicht ist auch das der Grund dafür, dass Landrat Thomas Karmasin (CSU) als damaliger Kreisvorsitzender seiner Partei noch feststellte, man finde einfach nicht genügend Frauen.

Und: Frauen fehlt es oftmals am nötigen Selbstvertrauen. Frauen seien oft "sehr gerne dabei, aber bitte nicht ganz vorne", sagte die ehemalige Landesvorsitzende der Grünen und Landshuter Stadträtin Sigi Hagl noch vor der Wahl bei einer Veranstaltung der Grünen in Gernlinden, bei der die Partei eigens um das Engagement von Frauen warb. Frauen würden sich vieles oft nicht zutrauen, das bedeute aber nicht, dass sie das alles nicht könnten. Deswegen sei es wichtig, Frauen an der Spitze auch zu zeigen. Die Grünen haben dafür Doppelspitzen installiert, bestehend jeweils aus einem Mann und einer Frau.

Auch bei der CSU ist der Kreisverband Fürstenfeldbruck in Frauenhand, wird von der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler geführt. Sie selbst habe nie erlebt, dass die Frage aufgekommen sei, "ob die das kann", erzählte sie im Sommer bei einem SZ-Interview. Auch, weil "vor mir Frauen sehr gut gezeigt haben, dass frau das kann". Gemeint ist Gerda Hasselfeldt, Stafflers Vorgängerin als Bundestagsabgeordnete. Hasselfeldt war ebenfalls Kreisvorsitzende gewesen. Im Vorfeld ihrer Bundestagskandidatur vor vier Jahren schlug Staffler dann drei Konkurrenten aus dem Feld - es waren allesamt Männer.

In Bayern waren mehr als 300 Kommunalpolitikerinnen vor einem Jahr einer Einladung von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) zum Kongress "Frauen in die Parlamente" gefolgt. "Engagement kann man nicht verordnen, aber möglich machen", sagte Aigner damals und meinte: mit Kinderbetreuung oder Home-Office zum Beispiel. Seit der Corona-Pandemie ist Home-Office deutlich verbreiteter, als es jemals war. Auch die Parteien veranstalten viele ihrer Zusammenkünfte seither digital. Gerade auch für Familien mit Kindern oder solchen, die pflegebedürftige Angehörige betreuten, sei dies ein Gewinn, weiß Katrin Staffler. Denn es sei viel einfacher, sich im heimischen Umfeld am Bildschirm zu beteiligen, als die Wohnung abends zu einer Sitzung verlassen zu müssen. Petra Weber kennt das noch anders. Als die SPD-Kreisrätin im Jahr 2002 erstmals in den Puchheimer Stadtrat gewählt wurde, musste sie ihre damals einjährige Tochter bisweilen mit in den Bauausschuss nehmen. "Die hat dann dort gemalt", erinnert sich Weber. Sandra Meißner, FW-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, hat in den vergangenen sechs Jahren als Bürgermeisterin von Kottgeisering erfahren, wie es ist, ein lokal herausragendes politisches Amt mit dem restlichen Leben in Einklang zu bringen. Das Fazit der Mutter von vier Töchtern lautet so: "Es ist die Frage, ob man es will. Für mich ist das gelebter Alltag."

Es bleibt also bei der vielfach ungelösten Frage: Wie kann frau alle Verantwortlichkeiten unter einen Hut bringen? Denn auch die Kommunalpolitik braucht das Engagement von Frauen. "Die Frauenperspektive ist extrem wichtig", findet Petra Weber. Denn gerade Frauen könnten die Sicht aus ihren verschiedenen Realitäten und Lebenswelten in die politischen Entscheidungen einbringen.

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Quelle:
SZ vom 06.03.2021
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