Integration:Asylhelfer warnen vor Pulverfass

Die freiwilligen Helfer werfen Landrat Thomas Karmasin (CSU) vor, Flüchtlinge zum Nichtstun zu verurteilen. Das sorge für Frust und Ärger und sei obendrein Verschwendung von Steuergeldern

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Stimmung unter vielen Flüchtlingen im Landkreis ist schlecht, die Lage in den Unterkünften wird immer explosiver, berichten ehrenamtliche Helfer. Schuld daran ist in ihren Augen auch die restriktive Vergabe von Arbeitsgenehmigungen durch Landrat Thomas Karmasin (CSU). Das schüre Neid, fördere Lethargie, werde einen Teil der Flüchtlinge zu illegalen Aktivitäten drängen und koste den Steuerzahler viel Geld.

Im Landkreis leben derzeit mehr als 1600 Flüchtlinge ohne die Insassen der Erstaufnahme beim Fliegerhorst. Etwa die Hälfte hat eine Anerkennung und darf arbeiten, die andere braucht eine Genehmigung der Kreisbehörde. Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Somalia, Syrien und Irak bekommen in der Regel die Arbeitserlaubnis, weil sie eine gute Bleibeperspektive haben. Für alle anderen hat Karmasin eine Einzelfallprüfung zugesichert.

Der Sprecher des Asylhelferkreises Eichenau widersprach der Darstellung des Landrats, nur abgelehnte Asylbewerber dürften nicht arbeiten. Nach Angaben von Hans Sautmann wurde mehreren Flüchtlingen in Eichenau die Arbeitserlaubnis sogar wieder entzogen, obwohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über ihren Asylantrag noch gar nicht entschieden hatte. Die Kreisbehörde führe stattdessen eine sogenannte Bleibewahrscheinlichkeit an. Mit diesem Konstrukt habe die CSU-Staatsregierung das Integrationsgesetz der Bundesregierung unterlaufen, das eine Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt erleichtern sollte, kritisiert Sautmann.

Und selbst wenn ein Asylantrag abgelehnt wird, ist das Verfahren nicht beendet. 44 Prozent der Entscheidungen des BAMF würden von Gerichten wieder aufgehoben, so Sautmann. "Ein Arbeitsverbot ist also in fast der Hälfte aller Fälle unbegründet." Er kritisiert auch Vorwürfe, die Flüchtlinge seien selbst schuld, wenn sie keinen Pass oder eine Geburtsurkunde vorlegen oder beschaffen könnten. Sautmann weist darauf hin, dass Identitätspapiere in vielen afrikanischen Ländern nicht üblich seien. Andere hätten ihre Papiere nicht mitnehmen können, hätten sie verloren oder sie seien ihnen von Schleppern abgenommen worden. Beantrage aber ein Flüchtling bei der Botschaft seines Landes einen Pass, werde sein Asylantrag abgelehnt. "Das BAMF geht dann davon aus, dass der Flüchtling in seinem Land nicht verfolgt wird. Dies ist der wahre Grund, warum Flüchtlinge sich keine Papiere beschaffen", sagt Sautmann. Verwaltungsgerichte hätten diesen Umstand längst anerkannt.

Den einzigen Fortschritt im Tauziehen zwischen freiwilligen Helfern und Karmasin sieht Sautmann darin, dass Ausbildungen "tendenziell" genehmigt würden, etwa ein berufssschulvorbereitendes Jahr oder Kurzausbildungen. Jüngere Flüchtlinge dürften zwar in Berufsintegrationsklassen, sogar ein Alphabetisierungskurs sei eingerichtet worden, aber keine Ausbildung machen, berichtet Bernhard Harles vom Puchheimer Helferkreis.

Wer eine Ausbildung machen darf, bekommt den Frust im Anschluss. So sei eine Frau aus Uganda zur Altenhilfspflegerin ausgebildet worden und verlor anschließend die Arbeitserlaubnis, erzählt Sautmann. In Bruck habe ein junger Senegalese ein freiwilliges soziales Jahr im Altenheim geleistet. "Die hätten ihn weiterbeschäftigt, aber er bekam keine Genehmigung", berichtet Birgit Epp vom Helferkreis. Sie schildert weitere Fälle, etwa von einem Mann, der als Vorarbeiter auf dem Bau eingestellt war, auf Kosten der Firma Kurse im Gerüstbau besuchte, und dann die Arbeitserlaubnis verlor.

Seit Freistaat und Landrat die harte Linie fahren, würden Genehmigungen nicht mehr verlängert. "Wir kriegen eine Ablehnung nach der anderen, viele haben aufgegeben und stellen keine Anträge mehr", sagt Epp. In Puchheim hätten inzwischen über 80 Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis bekommen, berichtet Harles. Er rechnet vor, dass der Landkreis damit pro Person und Monat etwa 1000 Euro an Steuergeldern vergibt.

"Gerade die, die was tun wollen, sind frustriert", rügt Sautmann. Andere hätten resigniert oder begnügten sich mit Sozialhilfe. "Die Leute sitzen rum, es gibt Streit und Neid zwischen denen, die arbeiten und denen, die nicht dürfen. Irgendwann wird das zum Pulverfass", warnt Epp.

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