Insekten als Nahrungsmittel für Menschen – darüber wird schon seit einiger Zeit diskutiert. Anfang 2021 wurden in der Europäischen Union die ersten Insekten dafür zugelassen. Der Verband für Landwirtschaftliche Fachbildung Fürstenfeldbruck hat kürzlich dazu eine Fortbildung abgehalten, und die Landesanstalt für Landwirtschaft berät Bauern, die sich für die Insektenmast interessieren. Stefanie Schirle, 57, Ökotrophologin am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, erklärt, warum sie selbst keine Heuschrecken oder Mehlwürmer essen mag und welche Vorteile sie trotz aller Skepsis haben.
Haben Sie schon mal Insekten probiert?
Ich selbst habe noch keine Insekten probiert, obwohl ich auf einer Fortbildung schon Insekten angeboten bekommen habe. Das waren Heuschrecken und Mehlwürmer als Snack. Allein die Vorstellung, krabbelnde Insekten im Mund zu haben, schreckt mich ab. Das hat bestimmt auch kulturelle Hintergründe. In vielen Ländern, zum Beispiel in Afrika, Lateinamerika und in Teilen von Asien, werden regelmäßig Insekten gegessen. Vielleicht kommt bei mir auch die angeborene Neophobie zum Tragen, also die angeborene Angst vor Unbekanntem. Was von der Evolution ganz gut gemacht wurde: Diese Angst schützt davor, dass man giftige Dinge isst.
Sind andere Menschen abenteuerlustiger?
Meine Kolleginnen haben die Insekten mutig probiert. Eine Kollegin hat berichtet, dass die Insekten wie Chips schmecken, also kross und deftig. Den Buffalowurm-Aufstrich fand eine andere Kollegin sehr lecker, allerdings haben da die Gewürze dominiert. Auch geröstete Mehlwürmer waren mit dabei, die haben wohl leicht nussig geschmeckt. Eine Kollegin isst standardmäßig schon sehr gerne Salat mit gerösteten Mehlwürmern als Topping. Es gibt also schon sehr experimentierfreudige Menschen.
Welche Insekten kann man essen?
Der Mehlwurm, die Wanderheuschrecke, die Hausgrille und der Buffalowurm sind als Lebensmittel zugelassen und können gegessen werden.
In welcher Form kann man sie essen?
Insekten werden entweder als Snack, Brotaufstrich oder auch als Zusatz in Nudeln angeboten. Die Nudeln werden dann als High-Protein-Pasta beworben. Die Industrie setzt auch schon Insektenmehl ein – zum Beispiel in Mehlmischungen, Broten oder Pizza. Allerdings müssen sie klar deklariert werden. Das ist besonders wichtig für Menschen, die allergisch auf Krebs- und Weichtiere sind, sie könnten auch auf Insekten reagieren.
Wie erkennt der Verbraucher, ob Insekten irgendwo drin sind? Kann man die irgendwo reinmogeln?
Es muss der lateinische und der deutsche Name auf der Zutatenliste stehen. So erkennt der Verbraucher, was drin ist. Einfach reinmogeln ist für die Industrie nicht möglich.
Es heißt, Insekten seien sehr eiweißreich, stimmt das?
Insekten werden zurzeit für die Weltbevölkerung als Eiweißalternative diskutiert. Sie haben einen hohen Gehalt an essenziellen Aminosäuren. Also Aminosäuren, die wir täglich über unsere Nahrung aufnehmen müssen, da der Körper sie selbst nicht herstellen kann. Insgesamt ist der Eiweißgehalt sehr hoch. Gefriergetrocknete Buffalowürmer enthalten 57 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm, das ist schon eine beträchtliche Menge. Ob das Eiweiß auch gut verdaut werden kann, ist im Moment noch nicht klar. Über die Verdaulichkeit von Insekten gibt es derzeit noch keine wissenschaftliche Evidenz.
Brauchen wir also Insekten?
Der tägliche Eiweißbedarf kann in unseren Regionen sehr gut über herkömmliche eiweißreiche Lebensmittel gedeckt werden, wie Milchprodukte, Eier und Fleisch. Insekten sind vor allem in Regionen interessant, in denen sie sowieso schon verzehrt werden. Bei uns sind Insekten allerdings sehr interessant als Tierfutter, hier können sie Fischmehl ersetzen. Ich persönlich bevorzuge herkömmliche tierische Lebensmittel und achte beim Einkauf darauf, dass ich Produkte kaufe, die bei uns in der Region produziert werden.
Welche Vorteile haben Insekten gegenüber anderer tierischer Nahrung?
Insekten können umweltfreundlich produziert werden, vorausgesetzt, sie werden mit Lebensmittelabfällen gefüttert und nicht mit Getreide oder Brot, das wir auch essen können. Sie brauchen weniger Platz und Wasser auf ihr Gewicht bezogen als unsere Nutztiere. Allerdings brauchen es die Insekten sehr warm, auch das benötigt Energie.
Ist die Insektenzucht schon eine potenzielle Einkommensquelle für Landwirte in den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau?
Momentan gibt es bei uns in den Landkreisen noch keine Landwirte, die Insektenzucht als potenzielle Einkommensquelle betreiben. Wir wissen auch nichts über Interessenten. Es gibt aber vom Gründerzentrum der Landesanstalt für Landwirtschaft die Internetseite Neuland. Da ist ein Landwirt verzeichnet, der sich für Insektenmast interessiert.
