In Maisach:Ein Obdachloser begehrt auf

Michael Angerer lebt in einem Zimmer, das ihm die Gemeinde zur Verfügung stellt. Nun soll ein zweiter Mann dort untergebracht werden, was der 42-Jährige strikt ablehnt

Ariane Lindenbach

Michael Angerer

Ein Zimmer hat Michael Angerer für sich und sein Mobiliar. Den einen Raum will er nicht mit einem anderen Obdachlosen teilen müssen.

(Foto: Günther Reger)

Wer in Deutschland sein Dach über dem Kopf verliert, muss nicht automatisch unter der Brücke schlafen. Die Kommunen sind dazu verpflichtet, Obdachlosen in ihrem Gemeindegebiet eine Unterkunft zu stellen. Darüber, wie diese aussehen muss und welche weiteren Angebote die Kommunen noch machen sollen, gibt es derzeit einen Konflikt in der Gemeinde Maisach. Michael Angerer, seit August ohne Wohnung, wirft der Gemeinde vor, ihn nicht ausreichend zu unterstützen. Aus dem Rathaus heißt es hingegen, dass Angerer recht hohe Ansprüche stelle, ohne dafür selbst Leistungen zu erbringen.

Seit sieben Monaten hat Angerer keine Wohnung. Seither bewohnt er mit seinem Hausrat - Bett, Sofa, Tisch, Kühlschrank und, und, und - ein Zimmer im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses der Gemeinde. Unterm Dach gibt es noch ein zweites Zimmer, eine Art provisorische Küchenzeile und Toilette samt Waschbecken. Im zweiten Zimmer leben zwei obdachlose Männer, auch Angerers Zimmer ist von der Gemeinde für zwei Obdachlose vorgesehen. Andere Menschen, die ihre Wohnung verlieren, müssen sich einen Lagerraum für ihre Möbel anmieten und, wenn sie Pech haben, in einer Pension mit mehreren Fremden ein Zimmer teilen, ohne Kochgelegenheit. Zum Februar sollte Angerer nun auch einen Zimmergenossen bekommen, doch für den 42-Jährigen war diese Ankündigung ein Grund, an die Öffentlichkeit zu gehen. "Das ist für mich psychisch unerträglich und menschenunwürdig", sagt er. Wo solle der andere mit seinen Sachen hin, wenn er selbst doch kaum Platz habe, fragt er und schätzt den Raum mit zwölf Quadratmetern deutlich zu klein ein. Und wo solle er seine ganzen Lebensmittel lagern, ohne dass der Neue sich bedient, deutet er auf eine Wand voller Essen.

Wie Angerer betont, seht er schon seit einem Jahr in Kontakt mit der Gemeinde. Schon damals habe er von der Räumungsklage erzählt, doch im Rathaus habe man ihn immer weggeschickt, ohne ihm weiterzuhelfen. "Die blocken mich bloß ab", er bekomme nur blöde Sprüche zu hören wie etwa, er solle aufs Land ziehen, beschwert sich der 42-Jährige, der keinen Führerschein hat und nirgends leben möchte, wo er auf eine sporadische Busverbindung angewiesen ist. Offenbar fühlt er sich von der Gemeinde und Einrichtungen wie der Fachstelle Wohnen der Caritas in Bruck allein gelassen. Auch wenn er die Frage, ob ihm die Gemeinde bei der Wohnungssuche helfen solle, verneint.

Im Rathaus reagiert man auf den Namen Angerer empfindlich bis gereizt. Laut Bürgermeister Hans Seidl drohte der so überzeugend damit, seinem künftigen Mitbewohner etwas anzutun, dass man dieses Risiko nicht eingehen wollte. Statt den vierten Obdachlosen in dem dafür vorgesehenen Haus einzuquartieren, muss für ihn ein Zimmer in einer Pension angemietet werden. Der Rathauschef unterstreicht, dass die Kommunen Obdachlose zwar unterbringen müssen, doch es gebe weder Anspruch auf ein Einzelzimmer noch auf Stauraum für das eigene Mobiliar. Zudem sei die Unterbringung zeitlich befristet gedacht. Angerer indes verlange "Standards, die der Situation nicht mehr angemessen sind", sagt Seidl. Jene Rathaus-Mitarbeiter, die Angerer bezichtigt, ihn auf unverschämte Weise abzuwimmeln, sind mit ihren Auskünften sparsam. "Es wird sowieso alles verdreht", sagt ein Mitarbeiter in Richtung Angerer entnervt. Er kritisiert, dass sich der 42-Jährige nicht ernsthaft um einen neue Wohnung und eine Arbeit bemühe. Er habe zwar einen Ordner voll mit mehr als 100 Adressen, doch es sei nicht nachzuvollziehen, dass er sich dafür beworben habe. Angerer berichtet indes von Absagen wegen Hartz IV, seiner Katze oder weil er Raucher ist. Eine weitere Rathausmitarbeiterin - ihr warf der 42-Jährige vor, ihn abzuwimmeln - erläuterte ausführlich, dass der Mann mit falschen Informationen zu ihr gekommen sei.

Inzwischen hat Angerer sich an Landrat Thomas Karmasin gewandt. Wie dieser auf Nachfrage erklärte, will er sich darum bemühen, für Angerer Wohnung und Arbeit zu finden. Immer unter der Voraussetzung freilich, dass sich andere in einer ähnlichen Situation benachteiligt fühlen.

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