In Germering:Närrische Parallelwelt

Sie sind aus ganz Oberbayern angereist, um zu feiern und sich zu zeigen: In der Stadthalle treffen sich 34 herausgeputzte Faschingsprinzenpaare, ein mit Orden behangener Oberbürgermeister und die Showtanz-Gruppe Fun Unlimited

Von Friederike Zoe Grasshoff

Prinzenpaare

Wie Stammtisch, nur eben mit Verkleidung und viel Glitzer: Die Besucher in der Stadthalle Germering beim Schaulaufen der Prinzenpaare in der Germeringer Stadthalle.

(Foto: Günther Reger)

Treffen sich 34 Faschingsprinzenpaare in einer Stadthalle, sind die Hierarchien klar verteilt. Dauergast auf der Bühne ist das Prinzenpaar aus Germering, dem Austragungsort dieser Massenzusammenkunft der Narren. Patricia I. sieht müde aus, sie hat heute schon viele Hände geschüttelt, Orden getauscht und sich immer wieder verbeugt. Ihr Prinz, Davor I., lächelt konstant, seit eineinhalb Stunden - obwohl er erst vor ein paar Minuten fast von den breiten Schultern eines italienischen Machos gefallen wäre. Ihn scheinen die Repräsentationspflichten eines Faschingsprinzen nicht so sehr mitzunehmen. Und derer gibt es einige: Keine schlechte Laune, viel Geduld - und am aller wichtigsten: immer lächeln.

Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) ist nach kürzester Zeit mit so vielen Faschingsorden behangen, dass es schon verwundert, dass der Mann noch so aufrecht steht, Hände schüttelt, Küsschen rechts und Küsschen links verteilt - und mit jedem der vorbeiziehenden Paare ein paar Minuten Smalltalk hält. Und dabei nie vergisst zu lächeln. Nicht alle sind so beschäftigt wie der Oberbürgermeister: Prinzessin Jasmin I., lange lockige Haare, weiß-rote Robe mit aufgestickten Blümchen, Puppengesicht, wirkt ungeduldig, wie sie da im Publikum sitzt und auf ihren Auftritt wartet. Sie zupft an ihren roten Samthandschuhe herum, spiegelt sich in der großen Glasfront und streicht sich mit dem rechten Ringfinger über die aufgeklebten Wimpern. Keine Sorge, sitzt noch alles.

Und das Fußvolk? Das trinkt Bier, stößt an, arbeitet sich an den Flyer-Bergen der Faschingsvereine ab, die auf den Tischen liegen, stößt wieder an, brüllt dem Tischnachbarn ins Ohr, geht vor der Tür eine rauchen. Die vorbeiziehenden Prinzenpaare sind eher Nebensache, wichtiger ist das Stammtisch-Gefühl am Mittwochabend im Amadeus-Saal der Stadthalle Germering.

Auf dem Programm steht das Schaulaufen von 34Prinzenpaaren der aktuellen Saison, 77 Vereine waren eingeladen. Die Hoheiten sind aus ganz Oberbayern angereist: Berchtesgaden, Unterhaching, Mangfalltal, Erding, Dachau und natürlich Fürstenfeldbruck. Organisator ist traditionell der Landesverband Oberbayern im Bund deutscher Karneval. Schon um 19.30 Uhr ist der Amadeus-Saal gut gefüllt, es gibt kaum noch Sitzplätze. Der Geruch von süßem Parfum, Rindergulasch und mehreren hundert Puderschichten liegt in der Luft. Aus den Boxen kommt eine längst vergessene Stimme aus den Neunziger Jahren, der italienische Popsänger Nek singt "Laura non ce". Überall glitzern die ausladenden Roben, die um die Frauenaugen geklebten Pailletten, die aufgesetzten Zylinder, die an den Wänden aufgehängten Riesenmasken. Einige Prinzessinnen liegen sich schon in den Armen, bevor sie überhaupt die Bar erreicht haben, begutachten die Krone der Anderen. Die Menschen lachen, tuscheln, schunkeln. Diese demonstrativ gute Laune, die gibt es nur in der Parallelwelt des Faschings.

Das Procedere ist immer das gleiche: Ein Paar nach dem anderen wird aufgerufen, von Peter Steinberger, dem ersten Präsidenten des Landesverbandes Oberbayern. Auch er ist regeltreu: Stundenlang ruft er immer wieder Namen ins Mikrofon ("Andrea I. und Hörby I. von der Faschingsgilde Gleisenia Unterhaching", "Martina I. und Patrick I. von der Faschingsgilde Olching") - und sein Enthusiasmus nimmt nicht ab. 34 Mal, bis 23 Uhr. Aus den Boxen schallt die immer gleiche Countdown-Melodie. Einmal aufgerufen, bahnen sich die Paare den Weg durch die volle Halle, haken sich beieinander ein, warten brav vor der Bühne, bis das Vorgängerpaar abdankt, und betreten dann das Zentrum des Prinzenpaartreffens. Endlich da oben angekommen, verbeugen sich die Männer, die Damen machen einen Knicks oder drehen eine Pirouette. Dann gehen sie die Menschenreihe ab, da ist das Germeringer Ober-Prinzenpaar ganz in Weiß, dann Steinberger, der gleich mehrere Rollen inne hat: Moderator, Präsident und Einheizer. Und schließlich sind weitere Vertreter des Landesverbandes Oberbayern an der Reihe. Es werden Orden und Umarmungen ausgetauscht.

All das geht recht routiniert und pannenfrei vonstatten; gut, Konstanze I. von der Faschingsgilde Rosenheim, eine adrette junge Frau mit einer goldener Robe, die mehr Rücken als Bein zeigt, stolpert in ihren Pumps ein wenig die Treppe hoch, lässt sich aber nichts anmerken. Und Benedikt I. von der Faschingsgilde Chiemseenixen Bernau wird heftig hinterhergepfiffen, als er im dunkelblauen Schottenrock an den Gästen vorbeizieht. Ansonsten kommt es zu keinen größeren Vorfällen. Die Menschen sind in Gespräch und Bierglas vertieft und blicken eher beiläufig auf die vorbeiziehenden Paare. Stammtisch eben.

Nur ein einziges Mal sind wirklich alle Augen auf die Bühne gerichtet, und zwar in der Pause, der italienischen Pause. Es läuft ein moderner Remix von Toto Cutugnos "Lasciate mi cantare" - und die Showtanz-Gruppe Fun Unlimited feiert das Motto "Bella Italia" mit einer Choreografie. Die Männer sind als venezianische Gondoliere verkleidet, die Frauen tragen knappe türkisfarbene Kleider. Minuten später haben sie sich schon wieder umgezogen und feiern ihr persönliches Finale in den Farben der italienischen Flagge. Grün, Weiß, Rot. Auch hier läuft alles glatt. Naja, fast alles. Faschingsprinz Davor I. aus Germering kommt auf den Schultern seines Kollegen kräftig ins Wanken - und hält sich. Lächelnd, versteht sich. Der Auftritt von Fun Limited ist neben dem gemeinsamen Walzer am Schluss der Veranstaltung der Moment, der alle Besucher eint: Die Halle klatscht, an der Bar fangen die ersten Prinzessinnen an zu tanzen, Männer legen zum ersten Mal an diesem Abend ihr Smartphone zur Seite und schunkeln mit. Nach etwa 20 Minuten erklärt die Ansagerin in der roten Robe: "Auch der schönste Urlaub geht irgendwann zu Ende." Recht hat sie. Denn auch im Fasching gibt es Regeln.

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