Immer mehr Menschen ohne Wohnung:Das Geschäft mit der Obdachlosigkeit

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Ein privater Vermieter einer Fürstenfeldbrucker Unterkunft stellt monatlich gut 1500 Euro für ein Dreibettzimmer in Rechnung. Bezahlen muss meist die Stadt, die für die Unterbringung von Menschen ohne Wohnung zuständig ist.

Stefan Salger

Sechsstellige Summen muss die Stadt Fürstenfeldbruck Jahr für Jahr für die Unterbringung Obdachloser aufbringen. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, eine Trendwende nicht absehbar. Und die Kreisstadt trägt die Hauptlast: Von den 80 Obdachlosen im ganzen Landkreis muss Fürstenfeldbruck aktuell 42 unterbringen - 139 entsprechende Anfragen hat es im laufenden Jahr bereits gegeben.

Wer bei Gemeinde oder Stadt an die Türe klopft, weil er kein Dach mehr über dem Kopf hat, dem muss diese dem Gesetz nach helfen. Es besteht eine Unterbringungspflicht. Nachdem auch Wohlfahrtsverbände wie die Caritas längst an ihre Grenzen gekommen sind und Obdachlose meist auch nur für ein paar Tage aufnehmen können, scheinen private Vermieter die einzigen Nutznießer des Mangels zu sein. Beispiel Fürstenfeldbruck: Die Stadt besitzt lediglich drei Zweizimmerwohnungen und eine Unterkunft für drei Personen auf der Lände, die regelmäßig mit Obdachlosen belegt sind.

Die mit Abstand größte Unterkunft, das ehemalige Hotel am Horst an der Maisacher Straße, aber gehört einem privaten Vermieter. Der stellt pro Bett und Tag 16,52 Euro in Rechnung. Und die Stadt muss zahlen. Denn kaum ein Obdachloser verfügt über eigene Mittel - im Hotel am Horst ist es nur einer - und nicht für alle springen Jobcenter (Hartz IV) oder Sozialamt (Grundsicherung) ein, zumal es solche Unterstützung nur auf Antrag gibt. 32 Betten stehen im Hotel am Horst zur Verfügung - in 14 Quadratmeter kleinen, mit Koch- und Duschnische ausgestatteten Ein- und Zweibettzimmern sowie unwesentlich größeren Dreibettzimmern. Rein rechnerisch erhält der Vermieter jährlich bei Vollbelegung mehr als 190 000 Euro Miete. Zwar sorgt er im Gegenzug für Verwaltung, anfallende Renovierungsarbeiten und Heizung.

Für die Stadt aber stellt sich die Frage, ob der Kauf eines eigenen Hauses oder ein Neubau auf lange Sicht nicht deutlich günstiger wäre. Zum Vergleich: Ein Bett im Hotel am Horst kostet monatlich gut 510 Euro, für ein Bett in der Unterkunft an der Lände kalkuliert die Stadtverwaltung mit rund 120 Euro.

Im kommenden Jahr rechnet die städtische Kämmerei mit Kosten in Höhe von 170000 Euro für die Unterbringung Obdachloser in Pensionen - 45 000 Euro mehr als für das laufende Jahr angesetzt sind.

Der Fliegerhorst könnte eine langfristigere Perspektive bieten, dort gäbe es unter Umständen auch Platz für den zunehmenden Strom an Asylbewerbern, auf den Landkreis und Kreisstadt aktuell mit dem Aufstellen von Wohncontainern auf dem Gelände des Kreisbauhofs im Gewerbegebiet Hasenheide reagieren. Doch es wird noch mehrere Jahre dauern, bis Gebäude auf dem Militärgelände frei werden. Und so lange kann Fürstenfeldbruck nicht warten.

Die hohe Miete für das Hotel am Horst ist gar nicht das größte Problem der Stadt. Das größte Problem ist, dass alle Unterkünfte belegt sind und weitere Menschen untergebracht werden müssen. Deshalb prüft die Stadt zurzeit, ob an der Hubertusstraße Wohncontainer aufgestellt werden könnten oder ein Haus in Leichtbauweise errichtet werden kann. Ein privater Investor habe Interesse bekundet, so Oberbürgermeister Sepp Kellerer. In den Stadtratsgremien soll aber auch eine eigene Bauträgerschaft mit Hilfe von Zuschüssen und günstigen Darlehen erörtert werden.

Langfristig setzen Stadt und Landkreis vor allem auf Prävention. Es soll möglichst von vorneherein vermieden werden, dass Menschen nach der Kündigung ihrer Wohnung, nach Trennung oder Scheidung oder nach Entlassung aus einer stationären Einrichtung unvermittelt auf der Straße stehen, weil sie auf dem leer gefegten Wohnungsmarkt nicht fündig werden. So wurde jüngst in Kooperation mit der Caritas eine Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit eingerichtet. 150000 Euro lässt sich der Landkreis Fürstenfeldbruck die zwei neu geschaffenen Stellen im kommenden Jahr kosten. Er hofft, die Ausgaben für die Unterbringung im Gegenzug um jährlich bis zu 100 000 Euro senken zu können.

Von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen oder Immobilienbesitzer, die bereit sind, ihre Wohnung zu vermieten, können sich melden unter der Telefonnummer 08141/281-3240 oder per E-Mail unter der Adresse Obdachlosenhilfe@fuerstenfeldbruck.de.

© SZ vom 08.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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