Süddeutsche Zeitung

Im Gewerbegebiet:Hippe Etagen

Werkhalle in Gröbenzell soll gemischt genutzt werden

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Ein Teil einer großen Gewerbehalle an der Straße Am Weidegrund in Gröbenzell soll auf zwei Etagen zu einem Freizeitbereich umgebaut werden. Vorgesehen sind Café, Gaststätte, Vortragssaal, Athletik-Zentrum, Kletterturm, Künstlerwerkstätten mit Ausstellungsraum, Yogastudio, Laden und Werkstätten sowie weitere Nutzungen. Auch Handwerksbetriebe, wie sie vorher dort ausschließlich angesiedelt waren, sind eingeplant. Einem Bauantrag für dieses Projekt hat der Bauausschuss des Gemeinderats am Dienstagabend gegen zwei Stimmen das Einvernehmen erteilt. Die Mehrheit nahm in Kauf, dass damit, worauf die Bauverwaltung in der Sitzungsvorlage hinweist, ein Kippen des Gewerbe- oder Industriegebiets in ein Mischgebiet zu befürchten sei.

Der Teil der Halle, der umgebaut werden soll, ist etwa 60 Meter lang und 26 bis 36 Meter breit. Als die Ratsmitglieder vor einigen Tagen die Sitzungsunterlagen erhielten, löste dies besorgte Nachfragen und hektische Aktivitäten aus, auch von Bürgern. Zweiter Bürgermeister und Sitzungsleiter Martin Runge (Grüne) erwähnte "manch falsche Behauptungen" im Vorfeld und sagte, dass die Bedenken vielleicht mit dem Bauwerber zusammenhingen, dessen Namen er nicht nannte.

Runge wies auch auf einen gewissen Zeitdruck hin. Der Bauantrag sei am 23. Dezember im Rathaus eingegangen. Wegen der Zweimonatsfrist bis zur Entscheidung, sei eine Vertagung und damit eine nochmalige Beschäftigung mit dem großen Vorhaben nicht mehr möglich. Wird nicht bis zum 23. Februar zugestimmt, gelte das Einvernehmen als erteilt. Auch der Gemeinderat kann sich nicht mehr mit dem Projekt befassen, da er erst am 25. Februar wieder tagt.

Laut Runge sind alle vorgesehenen Nutzungen planungsrechtlich möglich. Zudem sei ja nicht die Gemeinde, sondern das Landratsamt Baugenehmigungsbehörde. Das soll die offenen Fragen und kritisierten Punkte klären. Als da sind: Brandschutz, Brandsicherheit, Lärmschutz und Altlasten. So war unstrittig, dass aufgrund früherer Nutzungen - auf dem Areal wurden Autos repariert - der Boden verschmutzt ist. Letzteres wurde folgendermaßen in den Beschluss aufgenommen: "Der Bauausschuss weist auf die bekanntermaßen auf dem Grundstück lagernden Altlasten hin."

Auch das vor Jahren zum Schutz des Handels im Ortszentrum beschlossene Einzelhandelskonzept mit Sortimentsliste hat keine Auswirkungen auf das Projekt. Das Konzept war zur Verhinderung eines Supermarkts in einem ehemaligen Möbelhaus in dem Gewerbegebiet erstellt worden. Wie Runge sagte, sei dieses Konzept "laut Landratsamt doch nicht verbindlich", habe also keine Relevanz für den in der Halle geplanten Laden.

Als das Landratsamt in der Flüchtlingskrise 2015 verzweifelt Plätze zum Aufstellen von Wohncontainern für Asylbewerber suchte und dafür im Gewerbegebiet ein Grundstück pachten wollte, hatte die Gemeinde dies mit einer Veränderungssperre verhindert. Mit der Folge, dass andere Gemeinden die Last tragen mussten und Gröbenzell als unsolidarisch galt. Gemeinderat Wolfgang Netschert (FW) erinnerte an die damals verhängte Veränderungssperre, und wollte wissen, warum diese 2018 aufgehoben wurde. Damals wollte die Gemeinde den Bebauungsplan überarbeiten, was aber nicht geschah. Das unterblieb, weil laut Runge wiederholt von den Festsetzungen und Vorgaben des Bebauungsplans abgewichen worden war.

Lob gab es dafür, dass endlich der Schandfleck der alten Gewerbehalle beseitigt werde, beispielsweise von Walter Voit (Grüne). Michael Jaumann (CSU) beteuerte in Anspielung auf den Bauwerber, "mir ist wurscht, wer da baut". Jaumann hatte aber wie andere Zweifel daran, ob die Zahl der Stellplätze genüge. Solche Zweifel wiesen Runge und eine Mitarbeiterin des Bauamts zurück. Schon wegen des Bauwerbers wurde, wie es hieß, alles eingehend geprüft und mehrmals durchgerechnet. Die Verkehrserschließung - es wird mit vielen zusätzlichen Autos gerechnet - wurde nicht geprüft. Den Bauantrag hat übrigens ein Gröbenzeller Kommunalpolitiker gestellt.

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SZ vom 04.02.2021
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