Süddeutsche Zeitung

Im Einzelhandel:Kontrolle an der Ladentür

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Die 2-G-Regel stößt unter den Geschäftsleuten weitgehend auf Zustimmung. Allerdings befürchten die Gewerbetreibenden, dass das Weihnachtsgeschäft Schaden nimmt - und auch die Überprüfung birgt ihre Schwierigkeiten

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Im Einzelhandel gilt von diesem Mittwoch an die 2-G-Regel, nach der nur noch Geimpfte und Genesene Geschäfte betreten dürfen. Inhaber sind verpflichtet, Kunden zu kontrollieren. Ausgenommen von dieser Regel sind von Apotheken bis zu Tankstellen 16 Branchen, die eines gemeinsam haben: Waren für den täglichen Bedarf anzubieten. Wie eine SZ-Befragung von Händlern im Landkreis ergab, die von der Neuregelung betroffen sind, rechnen alle mit Umsatzeinbußen im Weihnachtsgeschäft. Zudem wird eine weitere Verlagerung der Einkäufe hin zum Online-Handel befürchtet. Einige Geschäftsleute berichteten zudem kurz vor der Einführung von noch ungeklärten Fragen. Neben Optimisten gibt auch einzelne, die beschlossen haben, für die Geltungsdauer der 2-G-Regel ihren Laden aus prinzipiellen Gründen ganz zu schließen.

Das macht beispielsweise Marion Hubert von "Stoff und Woll-Lust" in Olching. Ihr Laden bleibt für die Zeit geschlossen, in der 2 G gilt. Die lapidare Begründung lautet: "Weil wir alle Menschen gleich behandeln." Noch einen Schritt weiter geht Manuela Andrä, Inhaberin eines 1879 gegründeten Herrenmoden-Geschäfts in Olching. Sie möchte ganz aufgeben. Sie befindet sich bereits in der Phase des Räumungsverkaufs und beklagt, dass die Geimpften unter den Ungeimpften zu leiden hätten. Corona sei das i-Tüpfelchen gewesen und habe nur die Entscheidung beschleunigt, ganz zu schließen. Die Modehändlerin räumt ein, auch wegen der "explodierenden Kosten" aufzugeben.

"Ein Einzelhändler ist ein ewiger Optimist", sagt Melanie Hechtl, Inhaberin von Möbel Grollmus in Germering. Sie hält weiter geöffnet, auch wenn es Umsatzeinbrüche gibt. Verhältnismäßig findet Hechtl die neuen Beschränkungen nicht. Sie hält es aber auch für möglich, dass sich Geimpfte wohler fühlen könnten, wenn sie wissen, dass Ungeimpfte keinen Zutritt haben. Mit Sorge registriert die Geschäftsfrau eine gewisse Verunsicherung und Zurückhaltung der Kunden. Daher hofft sie auf die Zeit nach Weihnachten. Die sei für den Möbelhandel wichtiger als die Adventszeit.

Matthias Böhmer, Inhaber des von ihm in der dritten Generation geführten Schreibwarengeschäfts in Gröbenzell, sagte am Montag, dass er nur bei einem Teil seiner Kunden Impfstatus und Personalausweis kontrollieren muss. Wer bei ihm nur eine Zeitung kaufe, benötige keinen Nachweis. Erwerbe aber jemand eine Zeitung und beispielsweise eine Glückwunschkarte, dann sei ein Nachweis erforderlich, da eine Grußkarte nicht zu den Waren des täglichen Bedarfs gehöre. Ebenso kompliziert wird es laut Böhmer, wenn Schüler bei ihm einkaufen. Alle, die noch nicht zwölf Jahre alt sind und daher noch nicht geimpft werden können, kämen ebenfalls ungeschoren davon. Ältere Schüler können sich zwar impfen lassen, aber nur ein Bruchteil von ihnen habe den entsprechenden Status. Der Gröbenzeller hofft auf eine besser zu handhabende Lösung für die vielen Kinder und Jugendlichen unter seinen Kunden. Böhmer würde der 2-G-Regelung einen kurzen kompletten Lockdown von 14 Tagen zwischen Weihnachten und Dreikönig vorziehen, sofern danach alles wieder normal laufe. Auch wenn der im Lockdown zeitweise mögliche Verkauf an der Ladentür sich bei ihm ganz gut eingespielt hatte, meint er, "wir arbeiten nur noch, um den nächsten Lockdown zu überstehen".

Iwan König, Inhaber des "Puchheimer Juweliers" rechnet für das Weihnachtsgeschäft mit einem Umsatzeinbruch von etwa 50 Prozent. Ein Teil der Kunden sei vorsichtig und halte sich zurück, andere kämen weiter gerne. Obwohl er es als unangenehm empfindet, kontrolliert er bereits seit dem Ende der vergangenen Woche seine Kunden nach der 2-G-Regel an der Ladentür. Bisher habe sich niemand angegriffen gefühlt, sagt er. Das erste Fazit des Juweliers lautet deshalb, er habe sich die Umsetzung von 2 G schwerer vorgestellt. Es sei eben alles ein bisschen anders. König sucht nach Wegen, auch mit Ungeimpften ins Geschäft zu kommen, beispielsweise, wenn es darum geht, dass sein Goldschmiedemeister ein Schmuckstück oder sein Uhrmachermeister eine Uhr reparieren.

"Es muss wohl so sein", sagt Fritz Hereth, der in Eichenau ein Fachgeschäft für Elektrofahrräder betreibt. Er befürworte 2 G ausdrücklich, obwohl diese Regelung dem Einzelhandel viele Schwierigkeiten beschert. Schließlich müsse immer irgendjemand anfangen, sonst bleibe alles wie es ist. Und das wäre für den Impfbefürworter Hereth noch schlimmer. Würden sich alle impfen lassen, gäbe es weniger Probleme mit Corona. Weil im Winter weniger Menschen Rad fahren, sind die Umsätze dieser Branche geringer als sonst. Daher rechnet der Eichenauer Geschäftsmann mit keinen großen Umsatzeinbußen. Das Corona-Jahr 2020 sei für ihn schwieriger gewesen als dieses, sagt er.

Die Inhaberin des Puchheimer "Modepavillon Claudia" bezeichnet 2 G als schwierig. Man merkt Claudia Schleyer-Voigt an, dass sie nicht Geschäftsfrau geworden ist, um an der Ladentür Gesundheitspolizei zu spielen. Die Übernahme dieser belastenden Aufgabe ist für sie trotzdem eine Selbstverständlichkeit, schließlich sei es nötig, die vierte Corona-Welle zu brechen. Allerdings wird das dadurch erschwert, dass es große Unterschiede zwischen einzelnen Branchen gibt und viele Kunden daher nicht richtig wissen, was sie nun machen dürfen oder nicht. Die daraus resultierenden Diskussionen empfindet sie als ermüdend. Auch wenn das Tagesgeschäft anstrengender geworden ist, hat sich Schleyer-Voigt ihre positive Grundstimmung erhalten. So bezeichnet sie den Einzelhandelsstandort in Puchheim als Glück. Dort konnte sie sich in den 30 Jahren seit Geschäftsgründung einen großen Stammkundenkreis aufbauen, ohne den sie diese herausfordernde Zeit nicht überstehen könnte. Zudem sei das Tagesgeschäft wegen des größeren Personalaufwands größer geworden. So sei ihr Lieferservice während des Lockdowns äußerst hilfreich gewesen. Solche kreativen Lösungen brächten auch Zusatzbelastungen mit sich, aber es sei nötig, den Service auszubauen, sagt Claudia Schleyer-Voigt.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2021
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