Honorarstreit im Gesundheitswesen:Protest in weißen Kitteln

Krankenkassen und Bundesregierung lehnen deutliche Honorarzuwächse im Gesundheitsbereich ab. Ärzte und Apotheker im Landkreis drohen deshalb mit Praxisschließungen und Einschränkung des Services

Stefan Salger

- Mediziner im Landkreis geben sich kampfbereit, nachdem sich im Honorarstreit mit den Krankenkassen keine Lösung abzeichnet. In der letzten Septemberwoche ist deshalb mit Schließungen von Facharzt- und Hausarztpraxen zu rechnen. Das machte am Donnerstag auch der Eichenauer Allgemeinmediziner Alexander Wiedemann, Vorstandsmitglied im Ärztlichen Kreisverband und Delegierter des Bayerischen Hausärzteverbandes, deutlich. Apotheker fordern von den Kassen nun ebenfalls eine spürbare Anhebung der Honorare: In einer Apotheke in Germering wurde am Donnerstag im Dunkeln bedient, um auf diese Weise davor zu waren, dass vor allem im ländlichen Bereich die Versorgung mit Arzneimitteln gefährdet sein könnte, falls dort gerade die kleineren Apotheken den Kampf um die wirtschaftliche Existenz verlieren.

Apothekerstreik

Apothekerin Monika Flurschütz bringt Warnstreikplakate an ihrer Apotheke in Germering an.

(Foto: Günther Reger)

Wie am Donnerstag bekannt wurde, haben rund 75 Prozent der niedergelassenen Ärzte, die sich an einer Umfrage ihrer Verbände beteiligt hatten, für spürbare Protestaktionen votiert. Nach den wiederholten Nullrunden wollen sie die von den Krankenkassen angebotene Honorarerhöhung um lediglich 0,9 Prozent nicht hinnehmen und pochen auf ihre Forderung von bis zu elf Prozent. Noch könnten Praxisschließungen abgewendet werden, wenn die nächste Verhandlungsrunde an diesem Samstag doch noch den Durchbruch bringt. Werner Kainzinger, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes, äußerte sich jüngst aber wenig hoffnungsvoll. In einem SZ-Interview bezeichnete der Fürstenfeldbrucker Hals-, Nasen- und Ohrenarzt auch das Streichen von Terminen in der letzen Septemberwoche als mögliche Maßnahme. In manchen Praxen war am Mittwoch als Zeichen des Protests auch ohne Arzthelferinnen gearbeitet worden. Wiedemann freilich hält solche Aktionen für kaum wirkungsvoll - entweder man schließe die Praxis komplett oder man lasse es gleich ganz sein. Er selbst plädiert für spürbare Maßnahmen - "wir haben doch sonst kein Druckmittel". Die Erfahrung zeige, dass gutes Zureden bei den Krankenkassen nichts bewirke und auch von der Politik wenig Unterstützung zu erwarten sei - mit Hinweis auf die Selbstverwaltung halte diese sich "elegant heraus".

Dass Aktionen zulasten der Versorgung von Kassen-, zwangsläufig aber auch Privatpatienten gehen, lässt sich Wiedemann zufolge nicht vermeiden. Nur so könne erreicht werden, dass die Probleme der Mediziner überhaupt wahrgenommen werden. Die Behandlung von Notfällen soll in der letzten Septemberwoche aber sichergestellt sein. "Uns geht es zwar auch ums Geld, aber vor allem um die Anerkennung unserer Arbeit", betont Wiedemann. Er hält es für nicht hinnehmbar, dass die Krankenkassen Überschüsse produzieren, den Ärzten aber einen Ausgleich für steigende Praxiskosten verweigern.

In einem ähnlichen Dilemma sieht sich die Germeringer Apothekerin Monika Flurschütz. Sie übt harsche Kritik an Krankenkassen und Politik. Denn die Vergütung für die Abgabe eines rezeptpflichtigen Medikaments soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung von 8,10 Euro pro Packung lediglich um 25 Cent steigen, um die Beitragszahler nicht zu stark zu belasten. Die selbständigen Apotheker fordern jedoch eine Honorarerhöhung von rund einem Euro pro verordnetem Medikament. Am Mittwoch traten Apotheker in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland in einen Warnstreik. In Bayern aber blieb es weitgehend ruhig. Nur vereinzelt kam es zu Protestaktionen wie jener in Germering.

Monika Flurschütz hält es für nicht hinnehmbar, dass die Vergütungen seit 2004 nicht mehr angehoben wurden, während gleichzeitig vor allem die Personalkosten gestiegen sind - unter anderem wegen umfangreicherer Dokumentationspflichten oder den Einsatz von Rabattartikeln wie Generika. Flurschütz übt den Beruf seit 35 Jahren aus und übernahm die Apotheke am Bahnhof vor 16 Jahren. Die Situation werde unerträglich. Und weil in vielen Orten bald die Lichter ausgehen könnten, informiert sie ihre Kunden seit mehr als einer Woche mittels großer Plakate und bediente am Mittwoch im Dunkeln. Die Kunden, so Flurschütz, hätten mit Verständnis reagiert: "Die wollen ja auch ihre Apotheken vor Ort behalten".

Dass sich ihr Berufsverband noch nicht eingeschaltet hat, löst bei manchem Apotheker im Landkreis Verstimmung aus. Thomas Benkert, Apotheker in Mammendorf und Präsident der Landesapothekerkammer, betonte am Donnerstag auf Nachfrage der SZ zwar, dass Qualität ihren Preis habe, das angebotene Plus bei den Honoraren vor dem Hintergrund der gestiegenen Betriebskosten deutlich zu niedrig ausfalle und die Versorgung auf dem Land zunehmend schwieriger werde. Organisierten Protest gebe es in Bayern bislang aber noch nicht.

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