Ob die Well-Brüder ohne den Drexler Toni so erfolgreich geworden wären, wie sie es heute sind? Der Drexler Toni hat sie quasi miterfunden und auch jenen Namen, der sie berühmt gemacht hat: Biermösl Blosn. Der Toni Drexler aus dem kleinen Ort Hörbach im Westen des Landkreises Fürstenfeldbruck und sein jüngerer Bruder Jakob hatten schon immer den richtigen Riecher, wie man so schön sagt in Bayern. Ein ganz besonderes Gespür eben. Für die Kleinkunst an sich. Und für ihren Heimatort als spezielle Kleinkunstbühne. Das Hörbacher Montagsbrettl, das sie 1975 gegründet haben, feiert jetzt sein 50-jähriges Bestehen. Es ist – und das schon seit vielen Jahren – die älteste noch aktive Kleinkunstbühne in Bayern, viele andere sind längst eingegangen wie welke Blumen.
Eine Portion Verrücktheit gehörte schon dazu, ausgerechnet in einem beschaulichen 300-Seelen-Dorf eine Veranstaltungsreihe zu beginnen, die nach damaligem Verständnis ziemlich weit weg war von Hochkultur oder Volkskultur. So hat es der Toni Drexler selbst mal gesagt. Die jugendliche Lust an der Provokation, am Spott über Verkrustungen im Denken und Handeln sei es gewesen, die ihn damals als Endzwanziger und seinen Bruder Jakob als Anfangzwanzigjährigen dazu brachte, „ein Forum für kritische und unkonventionelle Meinungen, Lieder und Musikdarbietungen“ einzurichten.
Der Name Biermösl Blosn ist zwar Geschichte, aber die Well-Brüder aus’m Biermoos, wie die ehemalige Biermösl Blosn heute in leicht veränderter Besetzung heißt, gehören immer noch zum Brettl-Bestand. Vor allem bei den Festivals treten sie auf, sie ziehen ja auch ziemlich viel Publikum an. Dass die Drexlers und die Wells zusammenkamen, hatte sich schon in der Schulzeit angedeutet. Jakob Drexler ging ein Jahr lang bei Hermann Well, Lehrer an der Schule im Nachbarort Günzlhofen und Vater der 15 Well-Kinder, in den Unterricht. Und da seien Freundschaften entstanden, erzählt er im lokalen Haspelmoor-Podcast.

Die Drexler-Brüder hatten damals Sehnsucht nach ein bisschen Revoluzzertum auf dem flachen Land. Die Kleinkunst war ja vorher eher ein städtisches Ding. Dort, in einigen aus heutiger Sicht legendären Kneipen in München, gab es entsprechende Künstler und Auftritte, und so reifte bei Toni Drexler der Gedanke, das müsste doch auch auf dem Land möglich sein. Im damaligen Wirtshaus Sandmeir in ihrem Wohnort Hörbach bei Althegnenberg fanden sie einen Austragungsort, und weil es dort samstags und sonntags für gewöhnlich recht voll war, wählte man den Montag. Das Montagsbrettl war geboren. Mundpropaganda reichte erst einmal aus. Man erzählte sich, in Hörbach gebe es „lustige Musik und lustige Sprüche“, erinnert sich Toni Drexler. Und auch kritische Texte, „die man sonst noch nicht gehört hat“.
Viele der späteren Stars der Szene „haben auch alle mal klein und in bescheidenen Verhältnissen angefangen“, erinnert sich Toni Drexler im Podcast. Später, als sie dann berühmt waren, habe man sie sich oft nicht mehr leisten können, allein deshalb, weil man keinen ausreichend großen Veranstaltungsort zur Verfügung hatte. Einzig die Festivals, die man alle fünf Jahre veranstaltet, bieten die Möglichkeit dazu. So wie jetzt auch zum 50-jährigen Bestehen. Es ist das erste Festival seit zehn Jahren, Corona hatte vor fünf Jahren eine Pause erzwungen.

Es ist wie so oft im Leben: Man muss es halt machen. Und so sprach Toni Drexler seinerzeit den mittlerweile verstorbenen Kabarettisten und Schauspieler Jörg Hube an und fragte ihn einfach: „Tätst du auch bei uns auftreten?“ Es sei der erste Auftritt seines „Herzkasperl“-Programms außerhalb von München gewesen, erzählt Drexler nicht ohne Stolz. Und so was spricht sich halt rum. Ein anderes Mal versuchte er, den Hube kurzfristig zu rekrutieren. Der litt noch an einem Jetlag, habe aber zugesagt: „Toni, weil du’s bist.“ Das muss man sich auch erst erarbeiten. Im Jahr 2000 – nach den ersten 25 Brettl-Jahren – erhielt das Brüderpaar den ersten Tassilo-Kulturpreis der SZ.
Fast alle großen Namen von Kleinkunst und Kabarett sind schon in Hörbach aufgetreten
Die Liste derer, die im Laufe eines halben Jahrhunderts beim Brettl zu Gast waren, ist lang, und es sind viele große Namen dabei, die bei ihren ersten Auftritten in Hörbach oft noch Geheimtipps waren: neben den Well-Brüdern und ihren Schwestern, den Wellküren, Fredl Fesl, Dieter Hildebrand, Otto Grünmandl, Helmut Eckl, Gerhard Polt, Sigi Zimmerschied, Georg Ringsgwandl, Ottfried Fischer, Bruno Jonas, Andreas Giebel, Lisa Fitz, Eisi Gulp, Helmut Ruge, Josef Hader, Django Asül, Andreas Rebers, Martina Schwarzmann und viele mehr. Und die Beziehung zum Brettl, die lebt für viele Künstler fort. Zum Festival aus Anlass des 50-jährigen Bestehens vom 12. bis 21. September kommen neben Nachwuchskünstlern und regionalen Acts unter anderem Christian Springer, Wolfgang Krebs, Luise Kinseher, Martina Schwarzmann, Maxi Schafroth und, klar doch, die Well-Brüder in das 650 Zuschauer fassende Zirkuszelt. Tickets gibt es unter brettl-festival.de.

Wie aber schafft man es, in Zeiten, in denen nach und nach in vielen Städten und Gemeinden eigene Kulturhäuser entstanden sind, am Leben zu bleiben als kleine Dorfbühne? Und das alles auch noch ohne öffentliche Förderung? „Wir liegen der Kommune nicht auf der Tasche“, sagt Jakob Drexler. „Wenn die Gage mal nicht g’langt hat, dann haben wir aus der eigenen Kasse was draufgelegt.“ Das Montagsbrettl, das es noch immer auf zehn bis zwölf Veranstaltungen pro Jahr bringt, organisiert inzwischen ein eigener Förderverein, dessen Mitglieder mit ihren Beiträgen die finanzielle Basis liefern, die Festivals stemmt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – beide Gremien sind besetzt mit vielen Drexlers.

Schon längst ist die nächste Generation in Verantwortung. Die beiden Gründerväter, mittlerweile 78 und 70 Jahre alt, freuen sich, dass es weitergeht. „Wir haben übergeben“, sagt Jakob Drexler, so wie man einen Hof an die nächste Generation weiterreicht. Alles bleibt in der Familie. Sie sei „mit dem Brettl groß geworden und jetzt organisch reingewachsen“, erzählt Sophie Drexler-Hilpert, Jakobs Tochter. Und Simon Drexler, ihr Cousin, ergänzt: „Für uns gehören das Brettl und die Festivals einfach dazu. Wir alle verbinden coole Erinnerungen damit.“ Das Brettl war immer auch eine Einrichtung zur Nachwuchsförderung. Es sei heutzutage leichter, Nachwuchskünstler zu finden als das entsprechende Publikum, weiß Markus Drexler, der als Schwiegersohn von Jakob den Namen der Familie angenommen hat. Die Festivals sollen bei der Rekrutierung neuer Zielgruppen helfen. „Wir wollen damit auch mehr junges Publikum ansprechen“, sagt Leo Drexler, Sohn von Jakob. So gibt es an den beiden Samstagen junge Musik – „zum Zuhören, Tanzen und Feiern“. So steht es im Programm.
Wie also kann das Brettl attraktiv bleiben? Markus Drexler formuliert es so: Angesichts eines mittlerweile herrschenden kulturellen Überangebots wolle man etwas anbieten, „was du sonst nicht an jeder Straßenecke kriegst“. Das Montagsbrettl, das ist immer noch Kultur im Wirtshaus. Nicht mehr im Gasthaus Sandmeir in Hörbach, das geschlossen ist. In den Nachbargemeinden Hattenhofen, Adelshofen und Luttenwang kommen sie jetzt unter. Und nach dem Brettl sitzen sie oft noch auf ein Bier zusammen. Es ist die perfekte Nicht-Perfektion, die auch heute noch den Charme der Bühne ausmacht. Ohne ausgefeilte Verstärkertechnik, ohne nummerierte Sitzplätze – aber auch im digitalen Zeitalter mit der Möglichkeit, bei Jakob Drexler einfach telefonisch zu reservieren.

Anlässlich des Brettl-Jubiläums erlebt vom 12. bis 21. September auch die Kunstaktion Hofmark-Art eine Neuauflage, bei der Künstlerinnen und Künstler insgesamt 16 Skulpturen, Installationen und Kunstobjekte an markanten Plätzen in Hörbach und auf dem Weg zum Festivalgelände präsentieren. Es soll ein „kreativer Brückenschlag zwischen Dorf, Kunst und Festival“ sein und Kunst für alle sichtbar und zugänglich machen. Die Idee von Hofmark-Art geht auf frühere Initiativen im Gebiet der ehemaligen Hofmark Hegnenberg zurück, bei denen Kunst bewusst aus dem geschlossenen Raum hinaus in die Öffentlichkeit gebracht wurde.

