Historische Niederlage:Das stille Leiden der Liberalen

Die FDP ist raus aus dem Bundestag. Ihre Vertreter sind entsetzt, tragen das Desaster aber mit Fassung

Von Andreas Ostermeier

Wahl

Andreas Teichmann (links) war Landtagskandidat der FDP und hat die Niederlage seiner Partei schon vor einer Woche erlebt. Nun trifft es auch Andreas Schwarzer, den Bundestagskandidaten.

(Foto: Günther Reger)

Es ist eine historische Zäsur: Erstmals seit 1949 scheitert die FDP bei einer Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde. Doch große Emotionen ruft diese Zäsur bei den Vertretern der FDP unter den Besuchern im Landratsamt Fürstenfeldbruck nicht hervor. Als um 18 Uhr die Wahlprognose den Liberalen nur 4,7 Prozent verheißt, gibt es keinen Aufschrei, keine Tränen. Die FDP-Vertreter leiden still. Bundestagskandidat Andreas Schwarzer aus Türkenfeld schüttelt den Kopf, Landtagskandidat Andreas Teichmann aus Olching sagt immer wieder: "Wahnsinn". Ein bisschen scheinen sie das bevorstehende Ungemach geahnt zu haben, spätestens nach dem Ausgang der bayerischen Landtagswahl. Vor der Prognose hat Schwarzer noch gesagt, er habe "vor drei Wochen" auf acht Prozent getippt, sei aber "heute mit 5,5 Prozent zufrieden". Teichmann spricht von einem "unfassbaren Absturz" und dem "K.o." für die FDP.

Überrascht vom Ergebnis der Liberalen sind auch Vertreter anderer Parteien. SPD-Kreisrat Peter Falk sagt, er habe "sich nicht vorstellen können, dass eine Traditionspartei" aus dem Bundestag falle. Landrat Thomas Karmasin (CSU) benennt einen Grund: Die FDP habe in den vergangenen vier Jahren nicht deutlich machen können, "warum man sie braucht".

Mittlerweile wird klar, dass es die FDP diesmal nicht schaffen wird. Auch in Hessen scheitert sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Ergebnisse der Union im Bund und in Hessen machen zudem klar, dass CDU und CSU auch die Zweitstimmen ihrer Wähler erhalten haben. Der FDP mochte offensichtlich niemand helfen. Die Zweitstimmen-Kampagne ist gescheitert. Schwarzer nennt als Grund, dass die Union diesmal "völlig" gegen ein Stimmensplitting gewesen sei, anders als bei früheren Wahlen.

Klaus Rehbock, der Kreisvorsitzende der Liberalen, sieht die Schuld dagegen bei der eigenen Partei. Die Wähler interessierten sich für Inhalte, nicht für eine "Funktionspartei" FDP, sagt er. Ebenso sieht es Birgit Thomann vom Kreisvorstand der FDP. Außer den Steuerentlastungen, aus denen nichts geworden ist, habe die FDP kein Thema gehabt. Die Zweitstimmen-Kampagne hat auch ihr nicht gefallen. Sie empfand das als "Bettelei".

Wie wird es nun weitergehen? Teichmann, der im Frühjahr in den Olchinger Stadtrat einziehen möchte, fordert eine konkretere Politik. Nur zu sagen, man sei der "Verteidiger der Freiheit", das sei "zu abstrakt". Zunächst erwartet er jedoch "personelle Stürme" in der Partei. Thomann blickt kurz zurück auf 2009. "Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir gejubelt haben und herumgesprungen sind." Doch jegliche Ausgelassenheit hat die Partei verlassen. Thomann fordert personelle Konsequenzen. Sie setzt auf Christian Lindner und Wolfgang Kubicki. Überdies müsse die FDP eine "soziale Komponente" entwickeln und sich von den "Abzockern entfernen", sagt sie. Noch deutlicher wird Rehbock. Der Landesvorsitzenden und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der "Boygroup" in Berlin wirft er vor, vor lauter Exotenthemen die Anliegen der Mehrheit übersehen zu haben. Die Partei brauche neue Leute und ein "liberales Werteprogramm". Doch ohne Vertreter im Bundestag und in den meisten Länderparlamenten werde die Zukunft für die FDP "sehr sehr schwer", sagt Rehbock düster.

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