Historie der Weihnachtsfeierlichkeiten:Stade Zeit im bayerischen Bethlehem

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Eine Ausstellung in Grafrath zeigt in 24 Fenstern, wie sich die Menschen früher auf des Weihnachtsfest vorbereitet haben. Der erste Adventskalender war eine einfache Schiefertafel

Von Manfred Amann, Grafrath

Advent ist die Zeit der Vorbereitung auf die Feier der Geburt Jesu in einem Stall in Bethlehem. Heute werden dazu Haus und Garten geschmückt, mit Christbäumen im Wohnzimmer, Sternen im Fenster und auch mit Weihnachtsmännern, die über den Balkon klettern oder in beleuchteten Rentierschlitten die Menschen aufsuchen. Wie die Menschen sich vor wenigen Jahrzehnten auf Weihnachten vorbereitet haben, zeigt der Grafrather Adventskalender, eine Ausstellung in 24 Fenstern mit dem Untertitel "Geschichten und Brauchtum im bayerischen Bethlehem".

Besucher erfahren dort Vergnügliches und Besinnliches, Anrührendes und Amüsantes darüber, wie die Menschen in den heutigen Ortsteilen von Grafrath, Wildenroth, Höfen, Unteralting, Mauern und rundherum, früher die "stade Zeit" verbrachten. Auch wenn es damals keinen Kaufrausch, keine großen Christkindlmärkte und keine Lichterorgien gab, ganz so ruhig war die Zeit auch wieder nicht.

"Warum Wildenroth einst zum bayerischen Bethlehem aufstieg, lässt sich nur vermuten", sagt Ortsarchivarin Christel Hiltmann. Einer Legende nach soll ein Kaiser diesen Namen geprägt haben. Wahrscheinlicher sei, dass das Altarbild in der Höfener Kirche den Grund für den Beinamen lieferte. In der Ausstellung sei es leider nur auf einem recht kleinen Bild zu sehen. Es zeigt die Heilige Familie mit dem Kind in der Krippe im Ampertal und stammt von einem Künstler aus der Region, wie Marcus Krautner bei der Eröffnung der Ausstellung erklärte.

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(Foto: matthiasdoering.com)

Dem Gebets- und Andachtbuch mit dem Titel Maria die immerwährende Hilfe liegt ein weißer Rosenkranz bei.

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(Foto: matthiasdoering.com)

In der Adventsausstellung sind Diverse Nikoläuse, Postkarten und Nussknacker zu finden.

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(Foto: matthiasdoering.com)

Fatschenkind in einer Glasvitrine. Die Figur wird auch Fatschenkindl, Fatsche, Windelpaket oder Büschel genannt und ist ein Andachtsbild des Jesuskindes.

Einer der ältesten Adventskalender ist unter den Ausstellungsstücken, eine schmucklose Schiefertafel mit 24 Kreidestrichen, von denen täglich einer gelöscht wurde. Bevor Adventskranz und Weihnachtbaum Einzug hielt, gab es Gestecke aus Äpfeln, Haselnussruten und Kerzen, sogenannte Paradeisl. Hilkka Jung, die laut Kulturreferentin Sybilla Rathmann mit ihrem Mann Josef eine wesentliche Stütze beim Aufbau war, hat zum Festtag der Heiligen Barbara am 4. Dezember mehrere "Barbara-Zweige" in eine Vase gesteckt. Besucher sollen raten, ob Kirsche, Apfel, Birne oder Forsythie als erstes blüht.

Erklärt werden auch die Lostage und das Ausräuchern von Haus und Stallungen, um Geisterhorden und die "Wilde Jagd" zu vertreiben, die nach dem Glauben der Menschen nachts um die Häuser zogen. Ein Foto vom traditionellen Lucienhäuschen-Schwimmen in Grafrath fasziniert Sepp Jung ganz besonders. Ein Modell der Rasso-Kirche blieb 2006 am Amperufer an genau der Stelle hängen, wo sich das Ulrichs-Brünnlein befindet, "Zufall oder ein Zeichen?", fragt Jung. Thema ist auch auf das Oberuferer Weihnachtsspiel, das immer wieder im Sozialzentrum Marthashofen aufgeführt wird. Es ist Teil eines Zyklus biblischer Mysterienspiele, wie es sie im Mittelalter häufig gab.

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(Foto: matthiasdoering.com)

Die heilige Barbara steht unter Zweigen, die bald blühen.

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(Foto: matthiasdoering.com)

Ein Engel aus Blech trägt einen Weihnachtsbaum und die Botschaft "Friede auf Erden".

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(Foto: matthiasdoering.com)

Den Nikolaus gibt es in verschiensten Größen und Formen - selbst als Backform.

Eins der Kalender-Fenster beschäftigt sich mit der Weihnachtsmusik. Die Weihnachtsgeschichte von Carl Orff auf einer Vinyl-Schallplatte erinnert daran, dass der Komponist zu Weihnachten des Öfteren in Grafrath weilte. Man wird über Anklopf- oder Klöpfelnächte informierte, die an den drei Donnerstagen vor Weihnachten als Heische- oder Einkehrbrauch an die Herbergssuche von Josef und Maria vor Jesu Geburt in Bethlehem erinnerten. Es besonderes Stück ist die Geburtsszene aus Wachs, von Nonnen geknetet.

Bürgermeister Markus Kennerknecht äußert sich begeistert über Vielfältigkeit und Aussagekraft der Kalenderfenster. Unter Leitung von Kulturreferentin Rathmann sei erneut eine sehenswerte, informative Ausstellung gelungen, lobt er und dankte den Helfern und Bürgern, die Exponate zur Verfügung gestellt haben. Das Besondere ist, dass Besucher sie noch ergänzen können. In einer der Krippen von Harald Lehner zum Beispiel ruht lediglich ein Schaf im Stroh. "Wer die Krippe ergänzen kann oder auch für die Fenster was zuhause hat, sollte es beisteuern. Er bekommt das Exponat nach der Ausstellung selbstverständlich zurück", erklärt Rathmann. Die Ausstellung ist samstags und sonntags bis einschließlich dem Wochenende nach dem Christfest im Kulturraum an der Brucker Straße zu sehen.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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