Hilfestellung:Selbsthilfe als Therapie

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In Videokonferenzen stellen sich Betroffenengruppen für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung vor

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Betroffene beraten Betroffene: Das ist der Kern dessen, was in Selbsthilfegruppen passiert. In solchen Gruppen gibt es enorm viel Wissen und Erfahrungen, beispielsweise über den Umgang mit Behinderungen oder Krankheiten. Nicht durchmachen zu müssen, was andere schon durchgemacht haben, sondern von deren Wissen und Erfahrungen zu profitieren, das hilft beim Umgang mit den eigenen Problemen. Selbsthilfegruppen können aber nicht nur Hilfestellung zur besseren Bewältigung von Krankheiten oder Behinderungen geben, sie bieten den Betroffenen auch Freiräume, die diese oft nicht haben, weil chronische Krankheiten einsam machen. Schließlich kann man oft mit anderen nicht mehr so mithalten, es fehlt an Verständnis oder man möchte nicht ständig erklären, worunter man leidet. Betroffene sind häufig aber auch Angehörige von erkrankten oder behinderten Menschen. Und auch Angehörige brauchen einen Freiraum, in dem sie mit anderen kommunizieren und anderen begegnen können, ohne sich immer wieder erklären zu müssen, oder sich gar schuldig zu fühlen, weil sie sich mal nicht um den Erkrankten oder Behinderten in ihrer Obhut kümmern.

Der Landkreis hat aus diesen Gründen am Freitag einen ersten Tag der Selbsthilfegruppen veranstaltet. Wegen der Pandemie konnte der Tag nur per Online-Verbindungen stattfinden, doch auf das Ende der Corona-Zeit habe man nicht warten wollen, sagte Meike Wilski, Inklusionsbeauftragte des Landkreises, zu Beginn der Online-Veranstaltung. Das ist auch deswegen sinnvoll, weil in der Zeit von Kontaktbeschränkungen die Isolation von Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen zugenommen hat. Und auch die Arbeit der Selbsthilfegruppen ist auf Telefongespräche und Online-Treffen reduziert. Wilski sieht sich durch die Resonanz auf die Veranstaltung bestätigt. Bereits in den Tagen zuvor hätten viele Menschen angerufen und sich über die Gruppen erkundigt. Das ist auch in den kommenden zwei Wochen möglich. So lange sind Vertreter der Gruppen über die Homepage des Landratsamts erreichbar.

Petra Weber, Kreisrätin der SPD und Referentin für Inklusion, nannte noch einen weiteren Grund für den Selbsthilfetag. Sich einzugestehen, dass man Hilfe benötige, das sei gar nicht so leicht, sagte Weber. Doch genau dieser erste Schritt ist wichtig, um die Unterstützung zu finden, die den Umgang mit den eigenen Problemen leichter macht. Die Kreispolitikern ermutigte dazu, sich als Betroffener zu diesem ersten Schritt zu entschließen, denn vielen anderen ergehe es ebenso. Zehn Gruppen und Kontaktstellen stellten sich und ihre Arbeit per Videokonferenz vor. Die Bandbreite der Angebote, meist aus dem Landkreis, reicht von Alzheimer und Adipositas über Morbus Bechterew bis zur Fibromyalgie und zu Suchterkrankungen. Alle diese Gruppen bieten Betroffenen - und manchmal auch deren Angehörigen - Wissen und Erfahrungen sowie gemeinsame Unternehmungen, also ein soziales Leben. Dieses wirkt für viele wie eine Therapie, zumindest wie eine große Erleichterung, vor allem bei Krankheiten, gegen die medizinisch nicht viel zu machen ist.

© SZ vom 12.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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