Süddeutsche Zeitung

Mikroelektronik:Weltmarktführer aus Germering

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Die Firma ERS ist ein "Hidden Champion". In einem unscheinbaren Gebäude residiert ein Hightech-Unternehmen, das für Geräte zur thermischen Prüfung von Mikrochips herstellt. Weil ein chinesischer Investor einsteigen wollte, geriet das Unternehmen bundesweit in die Schlagzeilen.

Von Andreas Ostermeier, Germering

Halbleiter gehören nahezu in jedes technische Gerät. Ob Smartphone, selbst fahrender Staubsauger, PC, Auto oder Windrad: Ohne Halbleiter geht gar nichts. Manchen gelten die kleinen Teile als das Öl des 21. Jahrhunderts. Je mehr digitale Geräte es gibt, die nur noch mit Hilfe von Chips laufen, desto mehr Halbleiter müssen produziert werden. Aber es kommt nicht nur auf die Quantität an. Je breiter der Anwendungsbereich wird, desto mehr ist die zunehmende Qualität wichtig - sowie die Prüfung der Teile, ehe sie eingebaut werden. Diese Prüfung ist das Spezialgebiet der Firma ERS Electronic GmbH in Germering. Die Produkte aus Germering sind sehr gefragt auf dem Weltmarkt.

ERS ist ein typischer Hidden Champion, wie es in Deutschland so viele gibt. Mittelstand, der mit seinen Produkten Weltmarktführer ist, oder weltweiter Technologieführer, wie Laurent Giai-Miniet sagt, einer der beiden Geschäftsführer. ERS ist eines dieser Unternehmen, die Spitzenprodukte herstellen, aber kaum jenseits ihrer Branche bekannt sind. Der erste Eindruck des Besuchers stützt diese Vermutung: Unspektakulärer dürften nur wenige Domizile von Hightech-Unternehmen aussehen. Das Hightech-Unternehmen ist in einem Gebäude untergebracht, das von außen wie ein Wohnhaus aussieht.

Die Firma gibt es seit 52 Jahren, seit vier Jahrzehnten befindet sie sich in der Stettiner Straße. 1970 wurde sie von Erich Reitinger gegründet, dem Onkel von Geschäftsführer Klemens Reitinger. Damals seien die Halbleiter gerade erfunden worden, sagt Reitinger. Erich Reitinger war bei einer Firma für elektronische Messgeräte beschäftigt. Ein Kunde dieser Firma suchte nach einer Prüfmöglichkeit für Halbleiter. Den Auftrag wollte das Unternehmen nicht annehmen, Erich Reitinger aber hatte Ideen, wie eine Prüfung der Halbleiter bei sehr niedrigen und sehr hohen Temperaturen möglich sein könnte - und machte sich selbständig.

Positive Aussichten

Mit Geräten für diese Prüfung ist ERS immer noch erfolgreich. Etwa ein Drittel aller neuen Chips auf der Welt, so schätzt Reitinger, werden auf Geräten aus Germering getestet. Die Aussichten für das Unternehmen sind deshalb gut, jedenfalls antwortet Giai-Miniet auf die Frage nach der Zukunft deutlich und mit nur einem Wort: "großartig". Die Germeringer Firma will im Stil der vergangenen Jahre weiterwachsen. Der Jahresumsatz hat sich seit 2016 vervierfacht, er liegt jetzt bei etwa 20 Millionen Euro und soll weiter kräftig wachsen - nächstes Ziel sind 40 Millionen.

Die Geräte, die ERS herstellt, sind Platten, die heizen und kühlen können. Sie werden als Chucks bezeichnet. Chucks sind die Halter der Wafer, jener etwa pizzagroßen, kreisrunden Silizium-Platten, auf denen die Chips hergestellt werden. Und als Teil des Herstellungsprozesses werden die Chips auch gleich getestet. Die Geschäftsführer betonen mehrmals, dass sämtliche Arbeitsschritte zur Produktion der Prüfgeräte in Germering stattfinden. Neben dem Stammhaus in gibt es noch Vertriebs- und Supportbüros in Shanghai, Taipeh und Dallas.

80 Prozent der Produkte gehen nach China und Taiwan. In diesen beiden Ländern sowie in Südkorea und Japan werden etwa zwei Drittel aller modernen Halbleiter gefertigt. Und geprüft wird am Herstellungsort, also vor allem in Asien. In Europa dagegen ist die Herstellung von Halbleitern in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Politiker wollen dies ändern und äußern die Absicht, die Halbleiterproduktion zu einem Teil wieder zurückzuholen. Auch Firmen haben das vor. So hat Infineon, bei der der Manager früher gearbeitet hat, angekündigt, in Dresden ein Halbleiterwerk zu errichten. Giai-Miniet lobt das sich entwickelnde Bewusstsein für die Bedeutung der Halbleiterindustrie.

Dennoch bleibt er skeptisch. Er vermisst in Deutschland das Interesse für die Mikroelektronik. "Wie schaffen wir es, dass sich die Leute für Elektronik interessieren?", fragt er. Fünf bis zehn neue Mitarbeiter holt ERS im Jahr nach Germering, studiert haben die meisten von ihnen an einer ausländischen Universität. Absolventen der Münchner Universitäten zu gewinnen, ist laut Geschäftsführer schwierig. 60 zumeist junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt die Firma. Sie stammen aus 15 Ländern Europas und Asiens, etwa 40 Prozent des Teams sind Frauen.

Habeck verbietet Investment

Bereiche wie die Chipherstellung sind aber wohl nicht nur bei vielen hiesigen Fachkräften kaum Thema, sondern nach den Worten der beiden Geschäftsführer auch in Investorenkreisen. Das Germeringer Unternehmen benötigt aber Kapital, wenn es wachsen will. Und Kapital bekommt die Firma am ehesten dort, wo verstanden wird, was sie tut. Für die Germeringer heißt das, dass sie leichter einen Investor in China finden als in Europa.

Deswegen ist das Unternehmen vor einigen Wochen in die Schlagzeilen geraten. Denn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verbot den Geschäftsführern, einen chinesischen Investor an Bord zu nehmen. Das Veto wurde damit begründet, dass die Firma und ihre Produkte zur kritischen Infrastruktur Deutschlands gehörten. Giai-Miniet betont, dass es um ein Investment gegangen sei, nicht um den Verkauf der Firma. Ein solcher sei nie beabsichtigt gewesen. Das Verbot aus Berlin will ERS akzeptieren. Nun muss ein anderer Investor gefunden werden.

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