Behandlungsfehler oder Schicksal? Über diese Frage respektive die sich daraus ergebende Forderung nach Schadensersatz und Schmerzensgeld der Hinterbliebenen in Höhe von 130 000 Euro müssen seit Dienstag drei Richter der 1. Zivilkammer am Landgericht München II entscheiden. Die Angehörigen haben gegen den damals behandelnden Arzt, einen leitenden Kardiologen am Klinikum Fürstenfeldbruck, und gegen die Einrichtung selbst Klage eingereicht. Nun wird das Gericht einen medizinischen Sachverständigen einschalten.
Der damals 59 Jahre alte Emmeringer wurde am 25. August 2011 vom Notarzt mit extrem hohem Blutdruck und starken Kopf- sowie Brustschmerzen ins Krankenhaus geschickt und am selben Tag wieder nach Hause entlassen. Nachdem die Beschwerden sich nicht besserten und er am 3. September wieder einen Anfall erlitt, brach er auf dem Weg in eine andere Klinik zusammen und verstarb noch am selben Tag. Die Stelle, an der ihr Mann damals ins Lenkrad fiel, werde sie nie vergessen können, sagte die 57 Jahre alte Witwe des Verstorbenen. Die Stelle liegt nur rund 700 Meter von ihrer Wohnung entfernt, und eigentlich muss sie dort jeden Tag vorbeifahren, wenn sie nach München in die Arbeit will. Doch selbst wenn sie eine andere Route nehme, werde sie an das "traumatische Erlebnis" erinnert, sagte die 57-Jährige am Rande des Prozesses.
Konkret werfen die Kläger dem Mediziner vor, den 59-Jährigen, der amerikanischer Staatsbürger war, zu früh aus der Klinik entlassen und vor allen Dingen keine Diagnose mittels eines Herzkatheters unternommen zu haben. Dabei, so ihre Argumentation, wären die letztlich seinen Tod verursachenden Beschwerden, darunter eine Koronararteriensklerose, also eine Verengung der Herzkranzgefäße, rechtzeitig entdeckt worden und hätten erfolgreich behandelt werden können.
So aber wurde der Emmeringer nach nur wenigen Stunden in der Klinik wieder nach Hause geschickt. Wie die Witwe den Richtern berichtete, hatte die Notärztin ihr damals noch geraten, ein paar Sachen für ihren Mann einzupacken, weil der sicher ein paar Tage im Krankenhaus bleiben müsse. Als sie aber nach etwa zwei Stunden selbst in der Klinik angekommen sei, "da konnte ich ihn fast schon wieder mitnehmen". Den Kardiologen zitierte sie folgendermaßen: "Er hat gesagt, es ist nichts Tragisches, das könnte von der Gartenarbeit kommen." Die 57-Jährige beschrieb den Zustand ihres Mannes in den kommenden Tagen als nicht besonders gut. Es gab zwar keine akuten Anfälle, bei denen der Blutdruck wieder so hoch stieg, aber er war blass und fasste sich öfter ans Herz. Es sei ihm selbst zu viel gewesen, ihr zu helfen die Gardinenstange aufzuhängen.
Der Kardiologe bezeichnete Brustschmerzen als etwas "extrem Häufiges". Er schilderte, wie der Blutdruck des Patienten sich von zu Hause bis zu dem mehrstündigen Krankenhausaufenthalt relativ schnell normalisierte - von extrem hoch zu Hause über deutlich zu hoch bei der Einlieferung bis normal kurz danach bei zwei Messungen. Ähnlich sei es mit den Kopfschmerzen gewesen, so dass es aussah, als habe der hohe Blutdruck die Kopfschmerzen verursacht. "So wie sich mir der Patient präsentiert hat, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, da konnte man eine Herzkatheter-Untersuchung einfach nicht rechtfertigen", unterstrich er.
Besonderes Augenmerk legte der Klägeranwalt in der Verhandlung auf den Troponin-Wert. Er wird im Blut gemessen und kann ein Indikator für einen Herzinfarkt sein. "Der Normalwert ist 16 und der lag bei 46. Unser Arzt sagt, das ist es", hielt er dem Kardiologen vor. Der erwiderte, dass man sich bis etwa 55 in einer Grauzone bewege. Außerdem passe die Erhöhung gut zu dem extrem hohen Blutdruck. Wie der Mediziner auf die Fragen des Klägeranwalts bejahte, hatte er diesen Wert aber bei der Untersuchung nicht gekannt. Er wurde darüber auch nicht mehr informiert, bevor der 59-Jährige aus der Klinik entlassen wurde.
"Es ist festzustellen, dass am 26. 8. der Zustand nicht alarmierend war, sonst hätte die Hausärztin anders gehandelt", schloss der Vorsitzende Richter Thomas Stelzner, nachdem beide Parteien ihre Sicht der Dinge dargelegt hatten. Einen Tag nach dem Krankenhausbesuch war der Emmeringer nämlich zu seiner neuen Hausärztin gegangen. Um nun zu klären, was tatsächlich die Ursache für den Tod des Emmeringers war, holen die Richter das Gutachten eines Sachverständigen der Klinik Erlangen ein. Darauf verständigten sich beide Parteien. Seitens des Klinikum Fürstenfeldbruck wollte man keine Stellungnahme abgeben.