Moorenweis:"Die Achtung vor der Landwirtschaft ist verloren gegangen"

Moorenweis: Matthias Heitmayr, der neue Kreisobmann des Bauernverbands, hat im Juni alle Milchkühe verkauft. Dass nun im Stall alle Einbauten herausgerissen werden, macht ihm zu schaffen.

Matthias Heitmayr, der neue Kreisobmann des Bauernverbands, hat im Juni alle Milchkühe verkauft. Dass nun im Stall alle Einbauten herausgerissen werden, macht ihm zu schaffen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Matthias Heitmayr, der neue Kreisobmann des Bauernverbands, spricht über das Ansehen seines Berufsstands, immer neue Auflagen und die Herausforderungen seines neuen Amts.

Von Ingrid Hügenell, Moorenweis

Im Juni hat Matthias Heitmayr, 61, die letzten Milchkühe verkauft, und bis Oktober will der Dünzelbacher den Hof ganz offiziell übergeben haben. Dann wird der neue Kreisobmann des Bauernverbands viel Zeit haben für die Aufgaben in seinem neuen Ehrenamt. Wie es so läuft im Kreisvorstand des Bauernverbands, weiß Heitmayr schon. Bevor er sich bereit erklärte, sich zum Vorsitzenden wählen zu lassen, war er dort als Beisitzer vertreten.

Auch über die Probleme der Landwirte weiß der Landwirtschaftsmeister natürlich Bescheid - immer höhere Auflagen für Tierhalter, immer mehr bürokratische Anforderungen, kaum Planungssicherheit, gerade durch den Krieg mit der Ukraine, die Unwägbarkeiten des Klimawandels - all das sind äußere Einflüsse, mit denen die Bauern zurechtkommen müssen.

So müssten Landwirte etwa zu Beginn des Wirtschaftsjahrs angeben, welche Fläche sie wie oft düngen wollten. Das könnten sie vorher aber oft gar nicht genau wissen, vor allem nicht in Jahren wie diesem, wo es ständig große und unvorhersehbare Preissprünge beim Dünger gebe. Auch wegen der Trockenheit hätten die Landwirte zwischendurch nicht gedüngt, weil ohnehin nichts gewachsen sei. "Es ist schwierig, das vorherzusagen, weil wir mit der Natur arbeiten", sagt Heitmayr.

Moorenweis: Kuhherden, die von ihrem Stall auf die Weide getrieben werden, sind ein seltener Anblick geworden. Autofahrer wollen nicht warten, bis die Tiere angekommen sind, und viele ärgern sich über den Dreck, den die Kühe hinterlassen.

Kuhherden, die von ihrem Stall auf die Weide getrieben werden, sind ein seltener Anblick geworden. Autofahrer wollen nicht warten, bis die Tiere angekommen sind, und viele ärgern sich über den Dreck, den die Kühe hinterlassen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Dazu komme ein großes und wachsendes Unverständnis in der Bevölkerung für Arbeitsweise der Bauern und ihre Belange. "Die Achtung vor der Landwirtschaft ist verloren gegangen", sagt Heitmayr. Und auch das Wissen, was der Landwirt wann und warum tue, fehle häufig. Etwas, das schon Heitmayrs Vorgänger Georg Huber aus Puchheim beklagte, und womit sich auch Franz-Josef Mayer befassen will, seit einem knappen Jahr Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF).

Wie neue Vorschriften und mangelndes Verständnis zusammenwirken, erklärt Heitmayr an einem Beispiel: Vom kommenden Jahr an müssen Kühe in der EU Zugang zu einer Weide haben. Nun gebe es einerseits Höfe, die keine ausreichenden Flächen zur Verfügung haben. Andererseits sei es fast unmöglich geworden, eine Kuhherde vom Stall über eine Straße zu einer Weide zu treiben - Autofahrer nähmen das nicht hin, sondern beschwerten sich. Gut möglich, sagt Heitmayr, dass noch mehr Kollegen die Tierhaltung aufgeben.

Dabei nimmt die Zahl der Milchbauern im Landkreis ohnehin seit Jahren ab: Von 92 Betrieben im Jahr 2015 auf 56 im Jahr 2022. Die Zahl der Kühe ist nicht ganz so stark gefallen. Mastbullen gibt es hingegen deutlich weniger, 2015 waren es noch 6407,im Jahr 2022 nur noch 6089. "Der Schweinebereich wird fast absichtlich kaputt gemacht", sagt Heitmayr. So sei nur in Deutschland die Kastration der männlichen Tiere, der Eber, ohne Betäubung verboten. Das schade den deutschen Schweinemästern. In Spanien werde dagegen die Schweinemast ausgebaut. Was er nicht sagt: Dort, wie auch in anderen EU-Ländern sowie in Großbritannien, werden auch nicht kastrierte Eber gemästet und verzehrt. In Deutschland lasse sich Eberfleisch schlecht vermarkten, lautet die Argumentation gegen die Ebermast.

Heitmayr will die Landwirtschaft den Leuten wieder näherbringen

Eine seiner wichtigsten Aufgaben sieht Heitmayr darin, den Verbrauchern die Landwirtschaft wieder näherzubringen. Wie das geschehen soll, darüber ist er sich noch nicht im Klaren. "Mich reizt die Aufgabe", sagt er. "Mitzugestalten, sehen, ob man etwas bewegen kann für die Bauern." Dafür ist er nun als Repräsentant der Bauernschaft unterwegs, beim AELF ebenso wie bei Lehrlingsverabschiedungen, bei Terminen mit Parlamentsabgeordneten oder der Presse. Es sei gut, mit den Politikern in Kontakt zu sein. Heitmayr hofft, dass auf dem Weg der Kontakte doch das ein oder andere zu den Entscheidern der EU vordringt.

Heitmayr ärgert sich auch darüber, dass vor allem die Landwirte für das Artensterben verantwortlich gemacht werden, aber kaum über Themen wie Flächenverbrauch und andere mögliche Ursachen des Artenschwunds gesprochen werde.

Den Hof übernimmt der Sohn seiner Schwester, den Heitmayr als Erwachsenen adoptiert hat - eine nicht unübliche Form der Nachfolge, wenn die eigenen Kinder den Hof nicht übernehmen wollen oder jemand keine hat. "Bevor ich einen Fremden suche...", sagt Heitmayr. Er selbst hat keine Kinder. 15 Hektar eigene Flächen für Ackerbau übernimmt der Neffe, der im Nebenerwerb Landwirt sein wird - so wie 55 Prozent der Landwirte im Landkreis. Ein Zusatzeinkommen hatte auch Heitmayr schon: Er führt einen Betrieb für Elektronik-Dienstleistungen.

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