Süddeutsche Zeitung

Haushalt:Jugendhilfe wird teurer

2019 wurden 1,8 Millionen Euro mehr ausgegeben, als eingeplant waren. Wie sich die Corona-Krise in diesem Jahr auf die Maßnahmen auswirkt, lässt sich abschließend noch nicht beurteilen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Der Landkreis hat im vergangenen Jahr fast sieben Prozent mehr für die Jugendhilfe ausgeben müssen als geplant. Benötigt wurden dem Jahresabschluss zufolge knapp 29,2 Millionen Euro und damit 1,8 Millionen Euro mehr, als im Kreishaushalt eingeplant waren. Als Grund nennt das Kreisjugendamt Kostensteigerungen durch vermehrte Hilfen zur Erziehung auf der einen Seite sowie kostenintensive Inobhutnahmen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auf der anderen. Allerdings werden Außenstände das Defizit noch verringern.

Jugendhilfe soll junge Menschen in ihrer Entwicklung fördern und Benachteiligungen vermeiden helfen. Sie soll Eltern bei der Erziehungsarbeit unterstützen und schützend eingreifen, wenn Gefahr für das Kindeswohl besteht. Betroffene haben einen Anspruch auf Jugendhilfemaßnahmen, der Landkreis als zuständige kommunale Ebene kann die Zahlung nicht verweigern. Mit einem eigenen Controlling versucht das Jugendamt die Kosten rechtzeitig im Griff zu behalten. Die Kreisräte werden im Jugendhilfeausschuss vierteljährlich über den Stand informiert.

Kostspielig sind vor allem stationäre Hilfen zur Erziehung: Kinder und Jugendliche leben in dafür geeigneten Einrichtungen und werden dort pädagogisch und therapeutisch betreut. Wie viele Kinder und Jugendliche während eines Jahres stationär untergebracht werden müssen, sei nicht plan- und steuerbar, heißt es aus dem Kreisjugendamt. Dasselbe gelte für die Zahl von Inobhutnahmen, denen in der Regel eine Gefährdungsmeldung zugrunde liegt. Bei der Heimerziehung kommt hinzu, dass die vom Landkreis an die Einrichtungen zu zahlenden Tagessätze zuletzt stark angestiegen sind. Erfreulich nannte das Jugendamt, sowohl aus finanzieller wie auch aus fachlicher Sicht, den Vorrang von Pflegestellen vor Heimerziehung.

Auch die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sorgte 2019 für Mehrkosten, weil dem Landkreis im Vorjahr weitere junge Flüchtlinge zugewiesen und auch kostenintensive Inobhutnahmen notwendig wurden. Derzeit ist das Jugendamt für etwa 35 junge unbegleitete Flüchtlinge zuständig. Die Kosten werden durch den Bezirk Oberbayern refinanziert, die Auszahlung für das zweite Halbjahr 2019 ist aber noch nicht erfolgt. "Wir haben noch deutliche Außenstände und bisher nur einen Abschlag erhalten. Das ist nicht kostendeckend", klärte dazu in der Sitzung Kreisjugendamtsleiter Dietmar König die Kreisräte auf. Er rechnet damit, dass der Landkreis noch eine halbe Million Euro dafür vom Freistaat erhalten werde, sagte er auf Nachfrage der SZ. Das System der Finanzierung über verschiedene politische Ebenen ist bisweilen kompliziert, das ist auch bei der Jugendsozialarbeit zu sehen. An fast allen Mittelschulen im Landkreis und an den Förderzentren gibt es inzwischen über die Jugendhilfe finanzierte Jugendsozialarbeit, auch an einigen Grundschulen. Weiterere haben Bedarf angemeldet. Eingerichtet und vom Freistaat gefördert werden die Sozialarbeiter an Grundschulen, wenn der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund 20 Prozent übersteigt. Vom Freistaat Bayern angekündigte Zuschusserhöhungen blieben indes aus, weshalb in diesem Jahr nach Aussagen Königs keine neuen dieser Stellen eingerichtet werden können.

Wie sich der in der Corona-Krise erfolgte Lockdown ausgewirkt habe, wollte Tilman Stein wissen, der als Vertreter der Jugendverbände im Jugendhilfeausschuss sitzt. Das sei schwierig zu beantworten, antwortete König: "Wir haben versucht, keine Leistungen zu finanzieren, die nicht stattgefunden haben, etwa Fahrdienste."

So habe es bei den Schulbegleitungen, einer Form persönlicher Assistenz, die vor allem Kinder mit einer seelischen Störung wie Autismus im schulischen Alltag unterstützen, in der Corona-Zeit "nur wenige Fälle" gegeben, erläuterte König. Allerdings steigen grundsätzlich die Fallzahlen bei den Schulbegleitungen auf nunmehr um die 70.

Auch im stationären Bereich seien etwa die Berufsbildungswerke, an denen junge Menschen mit Behinderung qualifiziert werden, mit dem Shutdown geschlossen und die Betroffenen heimgeschickt worden. Ambulante Therapien seien phasenweise gar nicht erlaubt gewesen. Teilweise habe man hier die Möglichkeit videogestützter Arbeit genutzt. Dasselbe galt für Hausbesuche, etwa bei Erziehungsbeistandschaften. Ist allerdings das Kindeswohl gefährdet, müsse man sich "ein persönliches Bild verschaffen", betonte König: "Dort, wo es erforderlich war, habe wir versucht, das Kind auch zu sehen."

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Quelle:
SZ vom 06.07.2020
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