Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Sieben Lebenswerke

Die aktuelle Ausstellung im Haus 10 präsentiert die Mitglieder der Fürstenfeldbrucker Künstlervereinigung, die älter als 80 Jahre sind. Das thematische Spektrum erstreckt sich bis zu aktuellen Bezügen und der Bedrohung der Menschheit.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Eigentlich habe sie sich schon vor fünf Jahren gesagt, dass es nun Mal aber die letzte Ausstellung sei, erzählt die 1941 geborene Künstlerin Petra Bergner. "Aber dann kommt schon wieder die nächste." Aber vielleicht ja dieses Mal, sagt sie, und man sieht ihr an, dass sie das selbst nicht wirklich glaubt. Unter dem Titel "Ü 80 - sieben Künstlerleben", sind aktuell Werke von Bergner und den sechs anderen Ü80-Mitgliedern der Brucker Künstlervereinigung im Haus 10 zu sehen. Die 90-Jährige Renate Martin ist im Januar verstorben, ihr wird ein ganzer Raum gewidmet, die Bilder hat ihr Sohn kuratiert.

Und es sind beeindruckende Bilder, die von Martin zu sehen sind. Während des Krieges aus Ostpreußen geflohen, ist sie als Waisenkind in Berlin angekommen. Sie sei lebenslang ein politischer Mensch gewesen, erzählt der Sohn. Die ausgestellten Arbeiten sind in den vergangenen 20 Jahren entstanden und zeigen in kontrastreichem Schwarz-Weiß Szenen von Zerstörung und Verwüstung. Vom Krieg zerstörte Städte und winterliche Dörfer, ein Boot, dass von einem Tsunami auf dein kaputtes Dach gespült wurde. Und doch strahlen die Bilder nicht nur Chaos und Schmerz aus, sondern auch Trost. Oft findet sich genau im Zentrum ein kleiner Unterschlupf, ein Schutz- und Ruheraum. Und auch, wenn die Arbeiten schon einige Jahre alt sind und auch Martins eigene Geschichte zum Ausdruck bringen, so sind sie doch im Angesicht des Krieges in der Ukraine hochaktuelle Zeugnisse und Mahnungen.

Politische Grafiken

Bei der Auswahl der ausgestellten Arbeiten haben die Künstlerinnen und Künstler ganz verschiedene Ansätze gewählt, manche zeigen aktuelle Arbeiten, andere quasi ein Best-of. Gerhard Gerstberger etwa gibt einen möglichst breiten Einblick in sein umfassendes Schaffen. Zu sehen sind seine politischen Grafiken, etwa die zerfließende, sich ausbreitende und alles verschluckende Kirche, als Untergrund dienen die bayerischen Farben, den Horizont bilden die Alpen, dazwischen steht - noch - unbedroht ein Leuchtturm. Dazu gibt es Fotos seiner großen Metallskulpturen und ein Video über seine anderen Arbeiten, etwa die Bronzedinosaurier, die über viele Jahre eines seiner Themen waren.

Hans Fuchs hat eine Reihe abstrakter Gemälde ausgewählt, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sind. Sie sind nicht abstrakt in dem Sinne, dass sie von etwas Konkretem ausgehen und es dann Stück für Stück verschwimmen lassen, bis es in Flächen, Farben und Formen aufgeht. Vielmehr entstehen sie von der Farbe her, aus der dann die Formen entstehen. Eine der Arbeiten, dominiert von einer gelben Fläche, war erstmals bei der Eröffnungsausstellung von Haus 10 im Jahr 1991 zu sehen. Als Kontrast dazu zeigt Fuchs eine feine Pflanzenzeichnung aus dem Jahr 1963. Mit einem bis auf den Boden geschlossenen Holz-Schlagbaum nimmt Fuchs Bezug auf den Krieg in der Ukraine. "Er soll daran erinnern, dass Krieg keine Freiheit schafft", sagt der Künstler.

Eine Reihe von sieben Bronzeskulpturen mit dem Titel Apokalypse eins bis sieben ist von der Künstlerin Helga Coning zu sehen. Von rechts nach links zerfällt dabei eine massive Kugel, in die erst ein Loch gebrochen wird, bis das Äußere langsam verschwindet und das flüssige Innere freigibt, das wiederum ausläuft. Zum Vorschein kommt ein kleiner massiver Kern, der aus einem kleinen See herausragt. Unweigerlich denkt man beim Anblick an eine Erde, die vom voranschreitenden Klimawandel metaphorisch zum Schmelzen gebracht wird.

Reste einer Ordnung

Mit der Auflösung von Strukturen beschäftigen sich auch die Arbeiten von Ingryda Suokaitè. Jahrelang habe sie konstruktive Kunst gemacht, mit klaren Strukturen und geometrischen Formen gearbeitet. "Bis ich irgendwann dachte, ich ersticke". Und so beginnt sie, anfangs zögerlich, die Strenge aufzubrechen, wird spielerischer. Nicht mehr durch gerade Linien werden ihre Bilder definiert, sondern durch Schnüre, die sie auf der Leinwand anordnet. So entstehen bunte, spielerische Welten, in denen zwar noch Reste einer Ordnung zu sehen sind, das Chaos aber langsam die Überhand gewinnt.

Eindrucksvoll ist die Akribie, mit der Henriette Hense die Motive in ihren Federzeichnungen gestaltet. Erst bei genauem Hinsehen entdeckt der Betrachter, dass das, was er da sieht, nicht aus Linien und ausgemalten Flächen besteht, sondern aus Aberhundert feinen Strichen. Etwa in dem Stillleben von aus einem Fenster hängender Bettwäsche, hinter der eine schwarze Katze zu entdecken ist. Auch ihre anderen Arbeiten, Aquarelle und Gemälde mit Mischtechnik, zeugen von technischer Meisterschaft. Egal ob sie vier große Wildkatzen vor und auf einem Baum malt oder ein Konzertpublikum, das aufmerksam die Musiker auf der Bühne betrachtet.

Petra Bergner hat für die Ausstellung Arbeiten gewählt, die ihr persönlich etwas bedeuten. "Deswegen sind die meisten auch unverkäuflich", sagt die Landkreis-Kunstpreisträgerin von 1983 und langjährige VHS-Dozentin. Auch sie zeigt Zeichnungen, Aquarelle, Drucke. Darunter eine ihrer ersten Arbeiten, ebenfalls eine Federzeichnung. Diese ist wesentlich kleiner, als die Arbeiten von Hense, aber nicht weniger detailliert. Sie malt einen mächtigen Baum in einem dichten Wald, umgeben von mehreren nackten Menschen. In den vergangenen Jahren habe sie sich vor allem auf die Aquarellmalerei konzentriert, erzählt Bergner. Auch deshalb, weil bei Druckprozessen oft giftige Chemikalien eingesetzt würden. Es gebe einfach Dinge, die in einem gewissen Alter eben nicht mehr sein müssten.

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