Haus 10 in Fürstenfeldbruck:Gedankenspiele

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Aus alten Möbeln kreiert Regina Baierl (rechts) "private Gehäuse", die wie Rückzugs- und Zufluchtsorte wirken. Victoria Martinis Stickbilder sind die dazu passende Warnung vor einer Zukunft, in der es ungemütlich werden könnte. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die sehenswerte Ausstellung "Zwischen_Welten" zeigt Stickbilder und Installationen von Regina Baierl und Victoria Martini, die im Zusammenspiel wie eine postapokalyptische Vision wirken

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Wie Rettungsinseln stehen die Installationen von Regina Baierl in der düsteren Welt, die Victoria Martini in den Räumen darum malt. Oder in diesem Fall besser gesagt stickt. Zwei verlassene Verschläge, vielleicht Verstecke, in den Räumen von Haus 10, wo die beiden Künstlerinnen unter dem Titel "Zwischen_Welten" eine sehenswerte und hochaktuelle Ausstellung präsentieren.

Drei Themen sind es, mit denen sich Martini in ihren Stickbildern beschäftigt: das Verschwinden, die Manipulation der Natur, die Katastrophe. Die Untergangsszenarien, die sie entwirft, wirken erst einmal geradezu idyllisch. Weiße Häuser sind da zu sehen, auf weißem Hintergrund. Und doch ist die Gefahr nicht zu übersehen. In Form mächtiger Wellen, die gegen die Fassaden prallen, oder Rauchsäulen, die über den Gebäuden aufsteigen. Manch ein Haus steht bereits tief unter Wasser, Wände sind eingedrückt, Fundamente weggesackt. Momente der Katastrophe, der Postapokalypse. In jedem Fall eine deutliche Warnung. Im nächsten Raum dann tauchen seltsam anmutende Pflanzen auf. Sie wirken vertraut und doch fremd. Es sind Hybride. Jeweils zur Hälfte Land- und Wasserpflanze. Als Vorlagen hat Martini Zeichnungen aus alten botanischen Büchern verwendet. Will man eine Chronologie herstellen, dann kann man in diesen Pflanzenhybriden den Versuch der Menschen erkennen, in dem zuvor skizzierten postapokalyptischen Zustand eine neue Ordnung zu schaffen, eine bessere, optimierte Welt. Löst man die beiden Räume voneinander, erkennt man in den Hybriden den immerwährenden Versuch der Menschen, sich im Sinne der Bibel die Erde Untertan zu machen.

Dies also sind die Räume, in denen die Installationen von Regina Baierl stehen. Aus alten Schränken und Möbelstücken macht sie kleine, begehbare Räume. Der erste, "S 7", besteht tatsächlich nur aus einem Schrank. Darin ein Stuhl, ein kleines Schränkchen, eine Uhr, ein Thermometer, eine Lampe, das Foto eines Hasen. Die Tür ist verschließbar, überall in den Wänden sind kleine Spione, nach oben lässt sich eine Luke öffnen. Es ist ein Ort völliger Isolation, des Rückzugs, aber auch des Schutzes, erinnert an einen Bunker, in dem man Zuflucht vor dem sucht, was die Bilder an den Wänden drum herum prophezeien.

Irritierend ist auch die zweite Installation. "Werkstatt Bibbi Steiger" heißt sie und sie ist größer als "S 7". Es gibt einen Eingangsbereich, einen Arbeitsraum im Inneren und einen außen. Was genau hier geschieht oder vielleicht sogar geschehen ist, wird nicht klar. Nicht einmal, ob "Bibbi Steiger", deren Name auf dem Briefkasten steht, hier noch lebt. Zu sehen sind nur einige Werkzeuge, ein Arbeitskittel, ein Koffer, Fotos von Hunden. Und auch hier wieder eine Luke als Verbindung zur Außenwelt.

Für den Besucher der Ausstellung gibt es jedenfalls viel zu entdecken, die Werke lassen einiges an Interpretationsspielraum. Klar ist nur, dass das, was da zu sehen ist, keine wünschenswerte Zukunftswelt ist.

Ausstellung "Zwischen_Welten", von Regina Baierl und Victoria Martini im Haus 10, Fürstenfeldbruck. Vernissage Freitag, 18. Oktober, 19.30 Uhr. Zu sehen bis 3. November, freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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