Kultur:Ein Film aus Fotografien

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Zu kurzen Bildreihen sind die Arbeiten der 19 Fotografinnen und Fotografen zusammengestellt. Das lässt viel Raum für Interpretation. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Ausstellung Liaison 2022 zeigt Arbeiten von 19 Absolventen der ehemaligen "Staatslehranstalt für Photographie" in München.

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

30 Bildtafeln, jede von ihnen erzählt in wenigen Fotos eine ganze, eine eigene Geschichte. Und doch ist da etwas, was alles zusammenhält, das die so unterschiedlichen Arbeiten von 19 Fotografinnen und Fotografen verbindet, die hier miteinander ausstellen. Es ist die Leidenschaft, genau hinzuschauen und den einen, den besonderen Moment festzuhalten - und ihn mit dem Betrachter zu teilen. Ihm jenes Gefühl zu vermitteln, das den Fotografen in jener Sekunde beflügelt hat, in der er den Auslöser gedrückt hat. "Liaison 22" heißt die aktuelle Ausstellung im Haus 10 und schon der Titel lässt die Flüchtigkeit und Innigkeit erahnen, die den Besucher erwartet.

Was die Fotografien gemeinsam haben, ist einfach: Vor vielen Jahren haben sie alle die ehemalige "Bayerische Staatslehranstalt für Photografie" in München besucht, bevor jeder seinen eigenen Weg eingeschlagen hat. Seit 20 Jahren ist die 1900 gegründete Fotoschule nicht mehr eigenständig, sondern Teil der Fachhochschule München. Manche der Absolventen sind Dokumentarfotografen geworden, andere arbeiten für Zeitungen oder in der Werbung. 2000 Bilder haben sie aus ihren Archiven zusammengetragen, aus denen nun eine im Vergleich zum Ausgangsmaterial kleine Auswahl im Haus 10 zu sehen ist. Anlass ist der geplante Abriss des Gebäudes in der Münchner Clemensstraße, in dem ihre Ausbildungsstätte untergebracht war.

Die Fotografen Hans Döring (links) und Stephan Wagner beim Aufbau der Ausstellung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wie aber schafft man es, die so verschiedenen Werke von so unterschiedlichen Fotografen zusammen zu bringen? Diese Aufgabe hat Gabriele Wengler übernommen, die gemeinsam mit den anderen die Ausbildung absolviert hat, und mittlerweile als Regisseurin arbeitet. Wie Storyboards für einen Film hat sie die Fotografien zusammengebracht, überlegt, welche Kombinationen welche Geschichten erzählen könnten. Die anderen Fotografen hatten die Möglichkeit, ein Veto gegen eine Tafel einzulegen, in denen eine ihrer Arbeiten vorkommt. Doch die Entscheidungshoheit lag alleine bei Wengler. Die Idee ist, dass der Besucher die 80 Zentimeter hohen und bis zu vier Meter langen Bildcollagen am Eingang rechts beginnend in der vorgegebenen Reihenfolge betrachten, quasi einer Führung folgend - Wenglers Regie.

Die Tafeln tragen Titel wie "Augenblick", "Rendezvous" und "Frühstück mit Hund". Ersteres ist ein Triptychon aus einem muskulösen, tätowierten Mann mit freiem Oberkörper, um den Boxhandschuhe hängen und der den Betrachter direkt anschaut (Fotograf: Thomas Suemihl), einem schwarzen Motorrad, dessen Lichter den Betrachter bedrohlich "anschauen" (Tom Trenkle) und einem mit großen Augen aus dem Bild schauenden jungen Mann, der eine Amerikaflagge hält (Harald Rumpf). Ist das Freiheit, die man bei diesem Anblick empfindet oder doch eher eine gewisse Bedrohung?

Die Erzählung ist so offen gehalten, dass die Interpretation letztlich jedem Betrachter selbst überlassen ist. Dabei stehen die Arbeiten oft nicht einfach nur nebeneinander, sondern treten auch miteinander in Dialog. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bildreihe "Imagine". In der Mitte die Aufnahme einer jungen Frau, die nachdenklich und mit verschränkten Armen auf den Boden schaut (Stephan Wagner). Links von ihr eine weitere junge Frau (Thomas Susemihl), rechts ein junger Mann (Harald Rumpf). Treffen sich die Blicke der beiden Flankierenden? Flirten sie? Oder betrachten sie jeweils die Frau in der Mitte?

Es ist der Betrachter, der wie ein Drehbuchschreiber die verschiedenen Szenen zu einer Geschichte zusammensetzen darf, die Regisseurin Wengler ihm zusammengestellt hat. So wird der Ausstellungsbesuch kurzweilig und macht eine Menge Spaß.

Ausstellung "Liaison", Haus 10 Fürstenfeldbruck, Vernissage am Freitag, 17. Juni, von 19.30 Uhr an. Danach zu sehen bis zum 3. Juli freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr

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