Klimawandel:Das Haspelmoor wird immer trockener

Klimawandel: Ludwig Hartmann bei der Wanderung durchs Haspelmoor vor einem umgestürzten Baum.

Ludwig Hartmann bei der Wanderung durchs Haspelmoor vor einem umgestürzten Baum.

(Foto: Günther Reger)

Bei einer Wanderung mit Ludwig Hartmann machen die Grünen auf die Gefährdung des wichtigen CO₂-Speichers aufmerksam.

Von Anja Kolnsberg, Maisach

Ein Spaziergang durch das Haspelmoor bei Hattenhofen führt durch grüne Wiesen und Wälder, entlang des Wegrandes wachsen Birken, Brombeeren und Blaubeeren. Was auf Besucher des Haspelmoores wie ein friedlicher Wald wirkt, ist in Wahrheit ein stark aus dem Gleichgewicht geratenes Biotop. "Ein Wald gehört nicht ins Moor", fasst Robert Hoiss die Problematik zusammen. Der Naturfotograf unternimmt schon seit 20 Jahren regelmäßig mit seiner Kamera Streifzüge durch das Moor, nur wenige kennen es so gut wie er. Früher hat er hier höchstens mal vereinzelt andere Fotografen getroffen, erzählt er. In den vergangenen Jahren habe sich das Haspelmoor jedoch zu einem beliebten Ausflugsziel für Wochenend-Besucher entwickelt, sodass die örtliche Naturschutzbehörde eingreifen und das Moor bis auf einen markierten Wanderweg absperren musste. Und eigentlich sollte man hier gar nicht so einfach hindurchspazieren können, sondern knietief im Schlamm versinken, denn der Grund des Moores ist trotz Renaturierung viel zu trocken. Durch den fehlenden Schnee im Winter ist der Grundwasserspiegel hauptsächlich von Regenwasser abhängig und schwankt regelmäßig um einen drittel Meter. Im eigentlich feuchten Lebensraum des Haspelmoors sind neben 28 Libellenarten seltene Käfer, Vögel und Insekten beheimatet, doch die sind laut Hoiss immer seltener zu finden. Auch von den hier heimischen Kreuzottern hat er seit drei Jahren kein Exemplar mehr gesehen.

Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, haben die Grünen aus Fürstenfeldbruck-Nordwest und Maisach zu einer Führung durch das Haspelmoor eingeladen. Zu Gast ist Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im bayerischen Landtag.

Klimawandel: Haspelmoor-Begehung mit Fachberatung: Robert Hoiss (links) teilt seine Beobachtungen mit.

Haspelmoor-Begehung mit Fachberatung: Robert Hoiss (links) teilt seine Beobachtungen mit.

(Foto: Günther Reger)

Das Haspelmoor ist eines der ältesten Moore in Bayern - ein Relikt aus der letzten Eiszeit, das sich von einem Eisloch erst zum Haspelsee und dann weiter zum Haspelmoor entwickelte. Um 1800 begannen erste Bemühungen zur Trockenlegung des Moores und anschließender landwirtschaftlicher Nutzung. Von 1888 wurde das "Torfstreu- und Mullewerk Haspelmoor" errichtet und in großem Umfang Torf abgebaut, der Haspelmoor-Torf wurde zu einer bekannten Marke, die auch ins Ausland verkauft wurde. Für den Bau der Eisenbahnstrecke München-Augsburg wurde in den Jahren 1938/39 das Moor zudem zum Teil entwässert. Bis in die Sechzigerjahre Jahre wurde Torf gestochen, 1985 wurde das Haspelmoor schließlich zum Naturschutzgebiet erklärt.

Das Haspelmoor zählt zu den insgesamt 221 000 Hektar Moorfläche in Bayern, dem drittreichsten Bundesland an Mooren in Deutschland. Moorlandschaften bedeckten ursprünglich mit 1,5 Millionen Hektar eine Fläche von etwa vier Prozent der Landesfläche Deutschlands. Mehr als 95 Prozent der deutschen Moore sind heute Aufgrund von Entwässerung, Torfabbau, Bebauung sowie land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung entweder nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand oder gänzlich verschwunden.

Klimawandel: Schilder weisen auf das Naturschutzgebiet hin.

Schilder weisen auf das Naturschutzgebiet hin.

(Foto: Günther Reger)
Klimawandel: Wo es keine amtlichen Hinweise gibt, hilft auch mal ein provisorisches Schild.

Wo es keine amtlichen Hinweise gibt, hilft auch mal ein provisorisches Schild.

(Foto: Günther Reger)

Dabei sind Moore als Kohlenstoffspeicher für die Bindung von Treibhausgasen von großer Bedeutung. Intakte Moore speichern 30 Prozent des weltweiten Bodenkohlenstoffs und damit doppelt so viel Kohlenstoff wie der globale Waldbestand. Wird der Wasserhaushalt der Moore gestört, setzen sie Kohlendioxid und andere Treibhausgase frei.

Die Klimaerwärmung hat diese Situation in den vergangenen Jahren zusätzlich verschärft, sodass Moore inzwischen zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Deutschlands zählen. Bundesweit werden jährlich etwa 44 Millionen Tonnen CO₂ aus entwässerten Moorböden freigesetzt, was in etwa fünf Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland entspricht. Moore bieten neben ihrem Beitrag zum Klimaschutz auch Lebensräume für hoch spezialisierte Tier- und Pflanzenarten, die hier seit der letzten Eiszeit überdauert haben und nun wegen Entwässerung und Zerstörung der Moore stark gefährdet sind.

Klimawandel: Vielfältig ist die Flora im Moorgebiet.

Vielfältig ist die Flora im Moorgebiet.

(Foto: Günther Reger)
Klimawandel: Fotomotive gibt es viele im Haspelmoor.

Fotomotive gibt es viele im Haspelmoor.

(Foto: Günther Reger)

Auch im Haspelmoor sind die Auswirkungen der jahrelangen Nutzung und des Klimawandels spürbar. Hoiss zeigt den Besuchern im Moor einen ehemals großen See, der ursprünglich als Torfstich entstanden ist und mehr und mehr verlandet. Seiner Einschätzung nach wird er in fünf Jahren komplett zugewachsen sein. Die aktuelle Politik verfolge das Konzept von "die Natur sich selbst überlassen". Hoiss hingegen plädiert dafür, den See offenzulegen, um weiterhin einen Lebensraum für Libellen, Insekten und Vögel zu sichern. Hier sind sich Hoiss und Hartmann einig: Die Politik müsse stärker eingreifen, für eine gelungene Renaturierung reicht es nicht, das aus dem Gleichgewicht geratene Biotop einfach sich selbst zu überlassen. Hier brauche es Geld und fachkundiges Personal, um das Moor bei der Revitalisierung zu unterstützen.

Klimawandel: Im ehemaligen Torfstich hat sich Wasser gesammelt.

Im ehemaligen Torfstich hat sich Wasser gesammelt.

(Foto: Günther Reger)
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