Günzlhofen:Das Gesicht in der Masse

Wilhelm Dräxler

"Nur von Angesicht zu Angesicht kann man jemanden erkennen", sagte Willi Dräxler in der Turnhalle Günzlhofen den rund 100 Zuhörern.

(Foto: Günther Reger)

Migrationsreferent Willi Dräxler erklärt in Günzlhofen, wie Asylbewerbern zu helfen ist

Von Manfred Amann, Günzlhofen

Kaum eine der kleineren Kommunen im nordwestlichen Landkreis ist bislang direkt mit der Flüchtlingskrise konfrontiert worden. Weil die Flüchtlingsströme aber nicht abreißen, sondern eher noch größer werden, müssen nun auch Gemeinden wie Hattenhofen, Egenhofen, Oberschweinbach oder Adelshofen Asylbewerber aufnehmen. Abgesehen davon, dass mancherorts noch darüber verhandelt wird, wo Wohnanlagen zu ihrer Unterbringung errichtet werden sollen, sind die Vorbereitungen für einen freundlichen Empfang und in den Dörfern längst voll im Gang. Deutlich ist dies am vergangenen Mittwoch auf der Informationsveranstaltung "Migration - gestern - heute - morgen - Flüchtlinge im Brucker Land" geworden, zu der das Brucker Forum und die Gemeindereferentin des jüngst gegründeten Pfarrverbandes Glonner Land, Marion Fritsch, in die Turnhalle Günzlhofen geladen hatten.

Nachdem der bei der Caritas in der Diözese München-Freising für Migration und Arbeitsprojekte zuständige Referent, Willi Dräxler, die knapp hundert Besucher über Ausgangslage und Entwicklung der Flüchtlingskrise sowie über die aktuelle Situation im Landkreis und die rechtlichen Grundlagen für die Anerkennung von Asylbewerbern informiert hatte, berichteten Vertreter der Helferkreise verschiedener Kommunen über den Stand ihrer Vorbereitungen. Einige Helfer tauschten Adressen aus, regten eine Vernetzung ihrer Organisationen an, erfahrene Helfer aus Moorenweis boten Unterstützung an. In allen Orten des Pfarrverbandes stehen bereits Familienpaten, Sprachlehrer und sonstige Helfer bereit und manche haben bereits eigene Webseiten zur besseren Koordination eingerichtet. "Wir arbeiten derzeit aber noch auf Sparflamme, damit die Hilfsbereitschaft nicht verpufft ist, bis die ersten Asylbewerber kommen", sagte ein Koordinator aus Hattenhofen.

Wie Dräxler, der auch im Brucker Stadtrat das Referat bekleidet, in seinen "Erläuterungen zum Mut machen" sagte, sollten sich die Helfer nicht von den Flüchtlingen als "Masse" irritieren lassen, sondern jeden einzelnen als Menschen annehmen. "Jeder Mensch hat einen Namen und ein Gesicht", sagte der Sozialpädagoge, daher sei es wichtig, Flüchtlinge mit Namen anzusprechen, um ihnen das Gefühl zu geben, als Individuum akzeptiert zu werden. Und man sollte ihnen ins Gesicht sehen. "Nur von Angesicht zu Angesicht kann man jemanden erkennen", riet er und appellierte an die hilfsbereiten Bürger, ihre Vorurteile zu überdenken und sich bewusst zu machen, dass auch Flüchtlinge Stereotype gegenüber den Deutschen hegten.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem bei der Integration sei oft die Erwartungshaltung der Asylbewerber. Laut Dräxler komme eine Vielzahl mit falschen, idealisierten Vorstellungen nach Deutschland. Sie träumten vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem man alles bekomme und glücklich leben könne - so wie sie es aus den Medien kennen. Kaum angekommen würden viele dann im Zuge des Aufnahmeverfahrens und der Lagerunterbringung mit einer enttäuschenden Realität konfrontiert. Unmittelbar nach der Freude über eine geglückte Flucht unter Lebensgefahr erlebten die Menschen statt des erträumten Lebens in Freiheit und Glückseligkeit eine neue Unsicherheit. Viele seien traumatisiert und angesichts der Unsicherheit auch nicht bereit, über ihre schrecklichen Erlebnisse zu sprechen, was aber für die Problembewältigung und für die Anerkennung als Asylbewerber ganz wichtig wäre, sagte Dräxler.

Ehrenamtliche Paten hätten am ehesten die Möglichkeit, das Vertrauen ihrer Schützlinge zu gewinnen und könnten diese so zum Reden bringen und damit helfen, Anhörungsprotokolle mit wichtigen Details zu ergänzen. Niemals aber sollte man Druck ausüben und Flüchtlinge dazu drängen, über ihre womöglich ehrverletzenden oder traumatischen Erlebnisse wie Vergewaltigung oder Folter zu reden, denn hinter jedem Schicksal stecke schließlich ein Mensch. Helfer sollten ihre Schützlinge "nicht überbehüten", aber auch nicht zu distanziert und übertrieben cool mit ihnen umgehen. Zu vermeiden seien politische und ethnische Deutungen, warnte der Referent. An die anwesenden Bürgermeister richtete Dräxler den Appell, Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Dörfern zu suchen, denn Arbeit sei nach der Sprache einer der wichtigsten Integrationsbausteine.

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