Süddeutsche Zeitung

Asylhilfe:Klassengesellschaft

In Gröbenzell wird die unterschiedliche Behandlung von Menschen aus der Ukraine und Flüchtlingen aus anderen Herkunftsländern thematisiert.

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Mit dem Krieg in der Ukraine ist schreckliches Leid über die Menschen in der ehemaligen Sowjetrepublik hereingebrochen. Und in Deutschland ist für die ankommenden Flüchtlinge - derzeit hat die Bundespolizei an deutschen Grenzen etwa 360 000 registriert - wie für die Daheimgebliebenen eine unbeschreiblich große Welle an Unterstützung angerollt. Das wurde bei einer Veranstaltung der Gemeinde Gröbenzell im Bürgerhaus deutlich, bei der es in erster Linie darum ging, den Ehrenamtlichen Unterstützung von offizieller Seite anzubieten. An dem Abend wurde aber auch deutlich, dass es große Unterschiede bei der Behandlung von Geflüchteten der ersten Generation gibt, die ums Jahr 2015 in großer Zahl etwa aus Syrien oder Afghanistan ins Land kamen, und den aktuellen ukrainischen Flüchtlingen der so genannten zweiten Generation.

"Da habe ich immer ein bisschen Bauchschmerzen", unterstrich Bürgermeister Martin Schäfer. Noch sei er zwar sehr entspannt, da alle in Gröbenzell angekommenen Ukrainer relativ einfach untergebracht werden konnten - allein 38 Privatunterkünfte wurden binnen zwei Wochen für die insgesamt rund 250 Personen angeboten. Doch wenn er in die vollkommen offene Zukunft blicke und an die schon vor dem Ukriane-Krieg bestehende Wohnungsknappheit denke, sehe er Probleme auftauchen, so der Rathauschef mit Blick auf einen möglichen Konflikt zwischen ausländischen Mitbürgern.

"Es gibt große Ängste der Afrikaner und Muslime", viele würden seit Ende Februar befürchten, nun gar keine Chance mehr auf eine Wohnung zu haben, berichtete die Leiterin des örtlichen Asylhelferkreises, Eva-Maria Heerde-Hinojosa. "Sie fühlen sich als Flüchtlinge zweiter Klasse", sagte sie mit Blick auf Leistungen wie Hartz IV oder kostenloses Benutzen von Bahn und öffentlichem Nahverkehr, welche den Ukrainern jetzt gewährt werden, wie sie "Flüchtlingen der ersten Generation" aber versagt geblieben waren. Wie sie weiter ausführte, leben aktuell gut hundert dieser Flüchtlinge in Gröbenzell - und viele hätten schon vor dem Ukraine-Krieg Schwierigkeiten gehabt, eine bezahlbare Wohnung zu finden, da sie die meisten Vermieter ablehnen würden, berichtet die Asylhelferin. Etwa die Hälfte der Leute sei gut integriert und lebe selbständig, die andere Hälfte benötige teils noch erhebliche Unterstützung.

Zur aktuellen Situation berichtete Heerde-Hinojosa, dass im Landkreis etwa drei Viertel der ukrainischen Flüchtlinge privat untergebracht seien. Laut Bürgermeister stammen von den offiziell seit Februar Angekommenen 226 aus der Ukraine, 27 aus anderen Nationen; etwa 70 davon sind minderjährig. Auch das stelle die Kommune vor Herausforderungen, da etwa 15 Kinder im Krippenalter und 40 im Grundschulalter sind. "Wo kriegen wir die unter", fragte er in die Runde der etwa 70 Anwesenden. Schäfer hatte zuvor deutlich gemacht, dass auch die Schulklassen - zumindest an den drei Grundschulen der Gemeinde - schon relativ voll sind. Dennoch versprach er: "Wir werden das schaffen, aber wir werden das langsam angehen."

Um Geduld und Verständnis bat Schäfer auch ganz allgemein, wenn es bei Behördengängen zu nicht ganz reibungslosen Abläufen komme. "Es gibt täglich neue Anweisungen, wie was zu handhaben ist." So sei es schon vorgekommen, dass ein Sachbearbeiter mit einem Asylhelfer über eine bis dahin geltende Bestimmung gesprochen habe - während der Kollege am PC die E-Mail aus dem Landratsamt mit den neuen Anweisungen bereits gelesen habe. "Dann passiert es, dass zwei Mitarbeiter etwas unterschiedliches sagen, fast zur gleichen Zeit", erläuterte er. Und empfahl dem Landratsamt, Anweisungen zu neuen Bestimmungen immer abends gegen Feierabend herauszuschicken. So könnte gewährleistet werden, dass allen Verantwortlichen morgens zum Arbeitsbeginn die gleichen Informationen vorliegen. "Wir halten nicht das Personal vor für solche Situationen", nannte er einen weiteren Grund für die Schwierigkeiten. Im Landratsamt seien 30 Personen aus anderen Bereichen für die Ukraine-Flüchtlinge abgestellt.

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