Süddeutsche Zeitung

Gröbenzell:Streit um die passende Schule

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Die Eltern eines acht Jahre alten Buben mit Asperger-Syndrom sind unzufrieden mit der Betreuung in der Gröbenbachschule. Sie möchten deshalb erreichen, dass ihr Kind wechseln darf. Doch die Gemeinde Gröbenzell lehnt das ab

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Will die Gröbenbachschule keine Schüler mit inklusivem Förderbedarf unterrichten? Herrscht dort ein inklusionsfeindliches Klima, wie es die Eltern eines Schülers empfinden? Oder ist der Wechsel eines achtjährigen Buben mit einem Asperger-Syndrom von einer Münchner Grundschule in die zweite Jahrgangsstufe am Gröbenbach einfach nur unglücklich gelaufen? Fakt ist jedenfalls, dass die Eltern ihr Kind den Unterricht dort nicht mehr besuchen lassen, da es von der Erlebnissen dort traumatisiert worden sein soll. Und sie in der Folge ihren Gastschulantrag zurückziehen möchten. Die Gemeinde hat das wiederholt verweigert, weshalb die Familie erwägt, mit ihrem Anliegen Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht zu erheben.

Am Sonntag demonstrierten nach Veranstalterangaben rund siebzig Menschen vor dem Freizeitgelände unter dem Motto "Inklusion beginnt im Kindesalter". Organisiert hatten die Veranstaltung der Behindertenverband Bayern und Familie Lill. Rechtsanwältin Elke Lill und ihr Mann, der Journalist Tobias Lill, sind 2020 mit ihren beiden Söhnen von München nach Gröbenzell gezogen und fühlen sich an der neuen Schule ihres älteren Sohns Magnus nicht erwünscht. Magnus, dessen richtiger Name auf Wunsch der Eltern nicht in der Zeitung stehen soll, hat das Asperger-Syndrom; bekannt wurde diese Störung aus dem autistischen Spektrum jüngst durch Greta Thunberg. Wie die Klimakämpferin hat Magnus einen hohen IQ; ein Kinderpsychologe bescheinigte ihm einen Intelligenzquotient von 118. Auch sein erstes Schuljahr in einer Münchner Regelschule besuchte der heute Achtjährige an der Seite seines Schulbegleiters erfolgreich, wie sein Abschlusszeugnis zeigt.

Im Frühsommer 2020 zog die Familie nach Gröbenzell; Tobias Lill ist hier groß geworden. Frühzeitig habe man Kontakt mit der Gemeinde und den Schulen gesucht, betont er. Statt Magnus in der laut Sprengel zuständigen Ährenfeldschule anzumelden, stellten die Eltern einen Gastschulantrag für die Gröbenbachschule. Die Schule hat Erfahrung mit Inklusion. "In den vergangenen Schuljahren wurden an der Grundschule Gröbenbach mehrere Schülerinnen und Schüler erfolgreich inklusiv beschult", heißt es in einer Mitteilung des zuständigen Schulamts Fürstenfeldbruck.

Die Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Schule begann, bevor Magnus seinen ersten Schultag dort erlebte. "Ab Juni hat die Schule gewusst, dass Magnus kommt, und hat die Mitschüler nicht aufgeklärt", moniert Tobias Lill. Ein Termin mit einem Fachdienst, der Mitschüler über das Asperger-Syndrom aufklärt, fand am 25. September statt. Bis dahin sei es zu unschönen Szenen gekommen, ihr Kind etwa als "Sabberer" bezeichnet worden. Entscheidend für Magnus' schlechten Start war laut den Eltern, dass er an seinem zweiten Schultag nicht rechtzeitig Zugang zu seinem Rückzugsraum bekam. Wie Elke Lill betont, ist es gerade für Menschen mit einer Filterschwäche wie sie Magnus hat, wichtig sich separieren zu können. Da Magnus laut Attest des Kinderpsychologen durch die Erlebnisse traumatisiert wurde - Erinnerungen an die Gröbenbachschule erzeugen Zitteranfälle - soll er dort nicht mehr hin.

Das Schulamt hingegen widerspricht der Behauptung. "Der Raum stand auch am zweiten Tag zur Verfügung", sagt Alfred Bleicher. Detailliertere Fragen, etwa ob die Klassenlehrerin Magnus über längere Zeit den Gang in den Rückzugsraum verwehrt habe, wie es die Eltern behaupten, beantwortet Direktor Bleicher mit Verweis auf den Datenschutz nicht. Ganz allgemein sagt er: "Sie können sicher sein, dass die Lehrkraft alles korrekt durchgeführt hat." Und: "Die Gröbenbachschule, da lege ich meine Hand ins Feuer, ist um Inklusion sehr bemüht." Bleicher verweist darauf, dass die Rektorin der Gröbenbachschule damals vor Beginn des Schuljahres der Aufnahme von Magnus zugestimmt habe, obwohl sie das nicht hätte tun müssen.

Familie Lill will ihren älteren Sohn nun sofort auf die Sprengelschule, die Ährenfeldschule, schicken. Doch nach ihren Aussagen hat Bürgermeister Martin Schäfer die Rücknahme ihres Antrags bereits zwei Mal abgelehnt. Die Gemeinde gibt dazu keine Auskunft. Aus dem Schulamt heißt es dazu, dass ein solches Gastschulverhältnis beendet werden kann, "allerdings nur zum Ende des laufenden Schuljahres".

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Beitrags hieß es, dass die Gröbenzeller Familie wegen der Beschulung ihres Sohnes eine Klage gegen die Gemeinde beim "Bayerischen Verwaltungsgericht" erwäge; gemeint war das Verwaltungsgericht München. Zudem benannte der Bericht in der früheren Fassung Klassenstärken von 28 Schülern für die Ährenfeldschule; tatsächlich gibt es dort in den zweiten Klassen aber unterschiedliche Stärken, in der Ganztagsklasse auch mit deutlich weniger Kindern.

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SZ vom 25.03.2021
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