Süddeutsche Zeitung

Gröbenzell:Protest-Sprüche am Bauzaun

Der sich abzeichnende Abriss der ehemaligen Bahnhofswirtschaft ruft Reaktionen der Trauer und Wut hervor. Aber eine breitere Initiative zum Erhalt der "Hexe" zeichnet sich nicht nochmals ab

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Bittere Enttäuschung und der Wunsch nach einem Bürgerentscheid kommen auf den beschrifteten und bemalten T-Shirts und Laken zum Ausdruck, die am Bauzaun vor der "Hexe" hängen. Seit die gemeinsame Nachricht vom geplatzten Grundstückstausch von den Eigentümern der ehemaligen Bahnhofswirtschaft, der Wohnform Wohnbau GmbH in Germering, und dem Zweiten und Dritten Bürgermeister, Martin Runge und Axel von Walter, veröffentlicht wurde, gibt es in Gröbenzell unterschiedlichste Reaktionen. Neben Trauer, oft gepaart mit Kapitalismuskritik oder der Befürchtung, dass Gröbenzell nun noch einen Schritt mehr in Richtung gesichtslose Ortschaft macht, ist da durchaus auch Erleichterung, dass das marode Gebäude am Bahnhof - womit man freilich die seit vielen Jahren leer stehende und verfallende Apotheke meint - endlich abgerissen wird.

Auch in den sozialen Medien bedauern viele Gröbenzeller, Olchinger, Münchner und andere Menschen aus dem Umkreis der "Hexe" den nun wohl nicht mehr abwendbaren Abriss, andere äußern sich erleichtert darüber, dass die Gemeinde nun keine Steuergelder für eine mäßig laufende Wirtschaft verschwendet. Und viele beteiligen sich mit konstruktiven Vorschlägen an der Diskussion. Da ist von einer "Hexe 2.0" die Rede, welche die Gemeinde auf einem ihrer Grundstücke in der Bahnhofstraße eröffnen könnte. Oder von der Wiederbelebung des "Grünen Baum", jener ehemaligen Traditionsgaststätte in der Bahnhofstraße, die seit mehr als zehn Jahren leer steht. Eine Frau schlägt vor, an der Stelle die neue Polizeiinspektion für Gröbenzell, Olching und Maisach zu bauen. Das würde vielleicht der Entwicklung bei den Fahrradständern mit, wie sie schreibt, "Müll, Drogen, Alkohol, rumlungernden und pöbelnden Jugendlichen" entgegenwirken. Freilich entspricht der Standort rein von der Verkehrsanbindung her nicht den Vorgaben aus dem Innenministerium. In diesem Fall lautet ist wohl entscheidend, zentral und gut erreichbar für alle drei Kommunen zu sein.

Doch zurück zum geplatzten Tausch der Kirchenstraße 2 und 4 gegen drei Grundstücke in der Bahnhofstraße. Beide Parteien, die Gröbenzeller Bürgermeister sowie die Brüder Frederic und Markus Fontein als Inhaber der Wohnform Wohnbau GmbH, hatten Stillschweigen zu den Verhandlungen vereinbart. Deshalb gibt es keine offizielle Begründung zum Scheitern des Tauschs. In der gemeinsamen Mitteilungen heißt es nur, dass er "aus wirtschaftlichen Gründen nicht zustande kommen" werde. Die Parteien hatten sich auf einen Gutachter geeinigt, der die einzelnen Grundstücke bewertete hatte. Die Ergebnisse seien "unstrittig" gewesen. Doch wie Runge der SZ mitteilte, gab es neben dem reinen Wert der Immobilien auf Seiten der GmbH zusätzliche Kosten, beispielsweise für die Planung sowie für Genehmigungsverfahren. Über diese Posten habe es keine Einigung gegeben, da die Gemeinde mit den Steuergeldern verantwortungsvoll umgehen müsse. Woraus man schließen kann, dass eine Mehrheit im Gemeinderat nicht bereit war, diese Mehrkosten für den Erwerb der Grundstücke aufzubringen.

Die Brüder Fontein wollten sich nicht weiter äußern zu den mehr als zwei Jahre dauernden Verhandlungen. Wie ihre Sprecherin Christiane Pfau mitteilte, soll nun auf den beiden Grundstücken Kirchenstraße 2 und 4 am S-Bahnhof so schnell wie möglich mit dem Abriss der Gebäude und dem Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses begonnen werden. Es gibt schon eine Baugenehmigung. Demnach kann auf dem Areal westlich der Fußgängerunterführung ein Gebäudekomplex mit 23 Wohnungen, fünf Gewerbeeinheiten und einer Tiefgarage gebaut werden.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2019
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