Gröbenzell:Opfer der Flammen

Gröbenzell: Werner Tiki Küstenmacher liest aus den "Abenteuern des braven Soldaten Schwejk" von Jaroslav Hasek.

Werner Tiki Küstenmacher liest aus den "Abenteuern des braven Soldaten Schwejk" von Jaroslav Hasek.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Erinnerung an die von den Nazis verfolgten Autoren

Von Karl-Wilhelm Götte

Der letzte Satz der Vortragenden Marion Küstenmacher wühlt noch einmal auf. "In Berlin war Erich Kästner live bei der Verbrennung seiner Bücher anwesend", berichtet sie in der Gemeindebücherei Gröbenzell. Küstenmacher gehört zu den vier Personen, die an diesem Abend aus Werken von den Nazis verfemten und verfolgten Schriftstellern lesen. Dass in Deutschland im Mai 1933 - drei Monate nach Beginn der Nazi-Terrorherrschaft - Zehntausende Bücher von Autoren verbrannt wurden, von denen viele zuvor dem Land zu Weltruhm verholfen hatten, ist eine schändliche Tat, an die mit dieser Veranstaltung erinnert wird.

Kästner schrieb später über die Tat der "braunen Studentengarde": "Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zu sehen." Initiiert von der Deutschen Studentenschaft, der Dachorganisation der studentischen Ausschüsse und vom NS-Studentenbund verfolgten am Abend des 10. Mai auf dem Münchner Königsplatz 50 000 Menschen die dortige Bücherverbrennung. Anwesend waren auch Professoren in Talaren, viele von ihnen zweitklassige Hochschullehrer, die die Professorenstellen ihrer eliminierten Vorgänger jüdischen Glaubens übernommen hatten. Der Philosoph Martin Heidegger, damals 44 Jahre alt und Rektor der Freiburger Universität, begleitete eine spätere Bücherverbrennung Ende Juni in Freiburg mit den Worten: "Flamme künde uns, leuchte uns, zeige uns den Weg, von dem es kein Zurück mehr gibt! Flammen zündet, Herzen brennt."

Auf dem Berliner Opernplatz waren am 10. Mai 70 000 Schaulustige dabei, als 25 000 Bücher verbrannt wurden und Joseph Goebbels dazu eine Hetzrede hielt. Da es regnete, half die Feuerwehr, so die Überlieferung, mit Brandkanistern den Scheiterhaufen zu entzünden. In 22 Universitätsstädten wurden am 10. Mai Bücher sogenannter "undeutscher Autoren" verbrannt. Danach folgenden zahlreiche Bücherverbrennungen in anderen Städten. 94 verbotene Autoren führte die Nazi-Liste auf, deren Werke mit absurden Sprüchen ins Feuer geworfen wurden. "Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er Deutsch, dann lügt er", war einer davon. Wochenlang waren zuvor alle Bibliotheken, Büchereien und Buchhandlungen "gesäubert" worden. Marion Küstenmacher trägt ein Gedicht von Erich Kästner vor und der Zuhörer ist sofort fasziniert von der Sprachkunst des Autors, wenn sie den Vers zitiert, "der Mai, der Mozart des Kalenders". Küstenmacher liest auch Gedichte von Mascha Kaleko und von Kurt Tucholsky: "Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft."

20 Zuhörer sind in die Gemeindebücherei gekommen, um an dieses fürchterliche Ereignis der deutschen Geschichte zu erinnern. Astrid Trost liest von Irmgard Keun "Das kunstseidene Mädchen" aus dem Jahr 1932. Die eindrucksvolle Geschichte einer jungen Frau und ihrer Nöte und Sehnsüchte in dieser Zeit, die einen Mann mit Bildung sucht, aber ihn nicht findet. Werner Tiki Küstenmacher widmet sich den "Abenteuern dem braven Soldaten Schwejk" von Jaroslav Hasek. Der "Schwejk" ist ein Schelmenroman mit antimilitaristischer Stoßrichtung, der den Nazis verständlicherweise nicht gefiel. Die Besucher amüsieren sich prächtig über die Auszüge, die Tiki Küstenmacher vortrug.

Zum Abschluss des Abends liest Rudolf Ulrich aus dem Werk von Oskar Maria Graf. Der stand zunächst nicht auf der Liste der Nazis. Deshalb empörte sich Graf, der nach Wien emigriert war: "Verbrennt mich! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen."

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