Gröbenzell:Irrungen und Wirrungen im Bauamt

Gröbenzell: Ein stattliches Haus ist prägend für die Kirchenstraße am Bahnhof Gröbenzell.

Ein stattliches Haus ist prägend für die Kirchenstraße am Bahnhof Gröbenzell.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Elf Jahre nach dem Einzug der ersten Mieter stellt das Landratsamt mit der Genehmigung eines Geschäftshauses rechtmäßige Verhältnisse her. Erst wurden die Vorgaben des Plans nicht eingehalten, später geriet das Verfahren wiederholt ins Stocken

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Mitte September soll in dem gelben Wohn-, Büro- und Geschäftshaus an der Kirchenstraße 5 in Gröbenzell ein Backshop samt Café eröffnet werden. Die dafür beantragte Nutzungsänderung für eine ehemalige Boutique und einen Friseurladen hat den Eigentümern, Joachim Netschert und seinen beiden Geschwistern, vor allem eines beschert: Ärger über seit langem ungeklärte Fragen. Bei der Prüfung der Bauakte stellte sich im Rathaus nämlich heraus, dass elf Jahre nach dem Einzug der ersten Mieter in das stattliche Gebäude immer noch die Baugenehmigung des Landratsamts fehlte.

Seit dieser Woche hält Netschert nun das offizielle Papier in den Händen. Es hat also alles seine Ordnung. Allerdings um den Preis, dass die neue Rathausspitze mit Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) und dessen Stellvertreter Martin Runge (Grüne) im Gemeinderat wiederholt über die unerfreulichen Hintergründe des sich über zwölf Jahren hinziehenden, strittigen Verwaltungs- und Genehmigungsverfahrens diskutierten.

In diesem Zusammenhang fielen heftige Vorwürfe. Laut Runge, der aus den Briefwechsel mit dem Landratsamt zitierte, war wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Verfahren eingeleitet worden. So drohte das Landratsamt bei Nichteinreichung des angeforderten Bauantrags ein Zwangsgeld an und bekam von der Regierung von Oberbayern in einem Widerspruchsverfahren für seine Vorgehensweise Rückendeckung. Die Regierung bescheinigte dem Landratsamt, "rechtmäßig und ermessensfehlerfrei" gehandelt zu haben, indem es sich bemühe, "bei rechtswidrigen Baumaßnahmen für die Wiederherstellung baurechtsmäßiger Zustände zu sorgen".

Der Fehler der Bauherren bestand darin, "planabweichend" gebaut zu haben. Dabei wäre eigentlich alles ganz einfach gewesen. Die Gemeinde hatte im Mai 2003 das Vorhaben im vereinfachten Verfahren von der Genehmigungspflicht freigestellt und die Bauherren in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Übereinstimmung des Projekts mit den einzuhaltenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ausschließlich bei ihnen liege. Eine solche Freistellung kann erteilt werden, wenn das Bauprojekt den Vorgaben des Bebauungsplans entspricht und keine Ausnahmen und Befreiungen erforderlich sind.

Nicht die Bauaufsicht des Landratsamts prüft dann in solchen Fällen die Einhaltung der eingereichten Pläne, sondern das hat in "Eigenverantwortlichkeit" der Bauherr zu tun. Und das war, so die späteren Vorwürfe, wohl nicht der Fall. Die Genehmigungsfreistellung war nämlich spätestens dann hinfällig, als Baukontrolleure des Landratsamtes im Oktober 2004 feststellten, dass sich im Gegensatz zu früheren Erklärungen im Erdgeschoss doch Läden und keine freiberuflich genutzten Büros befanden.

Im Gemeinderat fiel in diesem Zusammenhang die abwertende Bezeichnung "Hausfrauenkanzlei". Die Ladennutzung wäre laut Landratsamt nur zulässig gewesen, wenn dieser ein reguläres Baugenehmigungsverfahren vorausgegangen wäre. Wer, was in Gröbenzell der Fall war, Verkaufräume errichtet hat, ist nicht mehr von der Genehmigungspflicht entbunden.

Divergenzen mit den Bauverwaltungen gab es auch wegen anderer Dinge. Beispielsweise bei der Zahl der Stellplätze, die sich bei Läden mit viel Laufkundschaft erhöht, bei Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans für eine Feuerwehrzufahrt oder einen fehlenden Kinderspielplatz; aber auch weil mehrere im ursprünglichen Plan vorgesehene Duplexgaragen nicht realisiert worden waren. Diese Fragen gelten inzwischen als geklärt. Auch die Zahl der Stellplätze wurde, wie es für einen gastronomischen Betrieb wie ein Café erforderlich ist, auf nun insgesamt 46 erhöht.

Bürgermeisterstellvertreter Martin Runge hält an seiner Einschätzung fest. Das Wohn- und Geschäftshaus ist für den Grünen nur ein Beispiel für die "Irrungen in Bebauungsplänen und im Bauvollzug in Gröbenzell". Ihm gehe es darum, nur geordnete Verhältnisse und rechtmäßige Zustände herzustellen und von den für die Gemeinde typischen "Briefmarkenbebauungsplanen" mit Sonderregelungen für einzelne Bauprojekte wegzukommen. Deshalb sollen demnächst alle rund 300 Bebauungspläne überarbeitet werden.

Im Rathaus räumt die neue Führung nach dem Ende der jahrzehntelangen CSU-Herrschaft auf. Und als eine der größeren Baustellen gilt die Bauverwaltung. Dritter Bürgermeister Axel von Walter spricht in diesem Zusammenhang von einer "wunderlichen Baurechtsmehrung" in dem Wohn- und Geschäftshaus in der Kirchenstraße 5. Das Problem sei das Dachgeschoss. Runge wirft der früheren Rathausverwaltung vor, den Gemeinderat bei der Diskussion über den dortigen Dachausbau und die Höhe des zusätzlich gewährten Baurechts "falsch informiert" zu haben. Den Gemeinderäten sei bei den Beratungen zudem nicht mitgeteilt worden, dass die Dachunterkonstruktion um bis zu zwei Meter über die festgesetzten Baugrenzen hinausragen durfte, was die Wohnflächen im Dach nochmals erheblich vergrößert hätte.

Joachim Netschert erklärte am Dienstag auf SZ-Anfrage: "Ich sage nichts dazu", er äußere sich nur in Leserbriefen. Runge und dem SPD-Fraktionssprecher Peter Falk wirft der Gröbenzeller Hausbesitzer vor, die "Dinge so darzustellen, wie es ihnen passt".

Sandra Ellmayer, Bauamtsleiterin im Landratsamt, weist darauf hin, dass ein so langes Genehmigungsverfahren wie im Fall des seit langem fertiggestellten Wohn- und Geschäftshauses nicht die Regel sei. Bei der Bearbeitung des nachgereichten Bauantrags seien jedoch immer wieder Dinge abzuklären und neue Sachverhalte zu prüfen gewesen. Da das Anwesen schon stand, hätten zudem immer wieder andere, dringlichere Bauverfahren vorgezogen werden müssen. Die ungewöhnlich lange Bearbeitungszeit von neun Jahren für den laut Runge erst 2006 eingereichten Bauantrag wollte Ellmayer nicht den Bauherren anlasten.

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