Süddeutsche Zeitung

Gröbenzell:Hilfe für Haiti

Eine Ausstellung am Gymnasium Gröbenzell zeigt, mit welchen Projekten Schüler die Einwohner der Insel in den vergangenen zehn Jahren unterstützt haben

Von Nina Storner, Gröbenzell

Zwei Mädchen stehen vor einem Gemälde aus Wasserfarben. Es zeigt drei dunkelhäutige Kinder, ihre großen dunklen Augen halten den Betrachter in Bann. Das Gemälde haben die Schülerinnen Valerie Krückl und Sicaru Cuellar gemeinsam gemalt. "Für das Haiti-Benefizkonzert. Da kamen über 5000 Euro zusammen", erzählt Krückl. Die beiden besuchen die zehnte Klasse des Gröbenzeller Gymnasiums. Ihr Kunstwerk gehört zu der aufwendigen Ausstellung "Zehn Jahre Haiti-Kinderhilfe am Gymnasium Gröbenzell", die seit Montag, 16. März, geöffnet ist. Die vielen Statistiken und Bilder, die an den Stellwänden hängen, demonstrieren das Leid der Bevölkerung aber auch die Fortschritte, die durch die Hilfe aus Deutschland erreicht werden konnten.

Womit der Karibikstaat zu kämpfen hat und wie dringend internationale Unterstützung benötigt wird, mag in Deutschland schnell in Vergessenheit geraten, wenn hierzulande Themen wie Bahnstreiks, Benzinpreise, Facebook und Schulübertritt auf der Agenda stehen. Vor allem, wenn der Begriff Karibik für viele Menschen zu allererst als Synonym für Meer, Palmen und paradiesische Sandstrände fernab von jeglichem Stress und nicht zu vergleichen mit der tristen Heimat, steht.

Fünf Jahre ist es her, da starben durch ein Erdbeben mehr Menschen, als im ganzen Landkreis Fürstenfeldbruck leben. Innerhalb von nur 60 Sekunden verloren etwa so viele Menschen ihr Zuhause, wie München Einwohner hat. Zusätzlich hat das Land mit einem Choleraausbruch zu kämpfen und es fehlt an Strom und Wasser.

8000 Kilometer weiter nord-östlich und einige Jahre zuvor: Der Englisch- und Sportlehrerin des Gymnasiums Gröbenzell, Sonja Wanner, ist es zu verdanken, dass die Schule sich für Haiti engagiert. Über persönliche Kontakte stieß sie Anfang der Neunzigerjahre auf den gemeinnützigen Verein Haiti-Kinder-Hilfe. Das Gymnasium suchte damals eine kleine Hilfsorganisation, die möglichst wenig von den Spendengeldern in Verwaltungskosten steckt. "Das Geld sollte wirklich bei den Leidtragenden ankommen", betont Wanner. Das Konzept der Haiti-Kinder-Hilfe gefiel der Schule. "In zehn Jahren konnten wir mit unseren zahlreichen Aktionen schon einiges bewegen."

Die Liste der umgesetzten Projekte ist lang und die Hilfsbereitschaft groß. Da sind der jährliche Adventsmarkt, Kuchenverkäufe, Geld- und Sachspendensammlungen und über 30 Patenschaften durch Schulklassen. Allein das jüngste Benefizkonzert und der Spendenlauf brachten mehr als 14 000 Euro ein. Hier kommt Alois Vogg ins Spiel. Der Ehrenamtliche sorgt als Schatzmeister des Vereins dafür, dass bei der Spendenvermittlung alles glatt läuft. Leider sei es ihm gesundheitlich nicht möglich, selbst nach Haiti zu fliegen. "In dieser Position kann ich immerhin einen kleinen Beitrag leisten. Es gibt immer noch viel zu tun", sagt er.

Dank der Einsatzbereitschaft eines Förderers sei eine stetige Stromversorgung erstmals gesichert und die Kommunikation mit den Heimleitern erheblich vereinfacht. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit für Haiti, ebenso wie der kostenlose Schulbesuch. Die Gebäude, Lehrergehälter, Regale in der Bibliothek, Schreibzeug, Mittagessen - es fehlt an vielen Stellen. Und genau hier werden die Spendengelder auch eingesetzt.

Um den deutschen Schülern einen Einblick in das ärmste Land der westlichen Hemisphäre zu ermöglichen, erkunden die Gymnasiasten klassenweise bis Freitag, 27. März, die Ausstellung mit altersgerechten Fragebögen. So würden ihre persönliche Bindung an Schulprojekte und die Kinder aus Haiti gestärkt, erklärt Wanner.

Mit der Hilfe des Gymnasiums Gröbenzell sowie fünf weiterer Schulen aus Südbayern setzt der Verein auf die Ausbildung und Erziehung junger Haitianer. "Jede Spende befähigt zur Selbsthilfe", verdeutlicht Vereinsvorsitzende Claire Höfer und weist auf die problematische Akademiker-Abwanderungsquote von 80 Prozent hin. Aufgrund der dramatischen Arbeitsmarktlage begleitet der Verein auch haitianische Diplomabsolventen bei der Jobsuche, denn weitere Akademiker zu verlieren, kann sich das Land nicht leisten.

Claire Höfer, die ursprünglich aus Frankreich kommt und gelernte Psychotherapeutin ist, bereist Haiti regelmäßig. Neben ihr und dem Schatzmeister gibt es noch fünf weitere Vorstände, allesamt ehrenamtlich im Dienst. Ein Ausstellungsplakat spricht für sich. Von den 153 000 Euro Spendengeldern, die während des vergangenen Jahres gesammelt werden konnten, flossen lediglich 2,5 Prozent in die Verwaltung. Das große Engagement, der enge Kontakt zu Haiti und seinen Einwohnern und die Verfolgbarkeit der Spenden, sagt sie, seien ihre größten Stärken.

Höfers Muttersprache schlägt Brücken, auch zwischen haitianischen und deutschen Schülern. "Das Briefeschreiben ist für beide Seiten wichtig und kommt sehr gut an", sagt die Vorsitzende. Einige übersetzte Briefe sind ausgestellt, darin fallen immer wieder Sätze wie: "Ihr könnt auf mich zählen", oder: "Ich verspreche dir, mit Erfolg zu bestehen". Letzteres schrieb ein gerade mal elfjähriges Mädchen. Diese Kinder seien sich von klein auf ihrer Situation bewusst. "Sie und ihre Familien sind ungemein dankbar für die Hilfe des Gröbenzeller Gymnasiums. Eine wirklich tolle Leistung."

Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.haitikinderhilfe.de

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SZ vom 26.03.2015
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