Gröbenzell:Freistaat zahlt 20 Jahre lang keine Grundsteuer

Gröbenzell: Parkplätze an der Bernhard-Rößner-Straße.

Parkplätze an der Bernhard-Rößner-Straße.

(Foto: Günther Reger)

Deshalb werden ein Parkstreifen und eine Tiefgarage in Gröbenzell zwangsversteigert. Das löst Konfusion in der Gemeinde aus, denn der neue Eigentümer verlangt nun Parkgebühren für die vormals öffentlichen Flächen.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Wer keine Grundsteuern bezahlt, riskiert die Zwangsversteigerung seiner Immobilie. Dass das nun dem Freistaat in Gröbenzell passiert ist, klingt befremdend. Schließlich hat die Gemeinde auf diese im Umgang zwischen Behörden ungewöhnliche Weise Schulden in Höhe eines fünfstelligen Eurobetrags eingetrieben. Zuvor hatte der Staat etwa 20 Jahre lang keine Grundsteuer für zwei Immobilien entrichtet. Deshalb kamen im Mai zwei Objekte unter den Hammer: eine Tiefgarage mit 57 Stellplätzen und der Option auf Erweiterung auf 100 Plätze auf einem 4272 Quadratmeter großen Grundstück sowie ein etwa 780 Quadratmeter großer Parkstreifen an der Bernhard-Rößner-Straße mit weiteren 44 Parkplätzen. Dem Freistaat wurden beide Immobilien vor etwa 20 Jahren infolge der Insolvenz eines Bauträgers übereignet, der in dem Wohnviertel an der Ammersee- und Bernhard-Rößner-Straße mehrere Hochhäuser errichtete.

Laut Antwort der Pressestelle des Finanzministeriums auf eine SZ-Anfrage wurde der Freistaat "infolge einer Zwangserbschaft (Mit-)Eigentümer der betreffenden Immobilien". Beide Grundstücke seien in erheblicher Höhe belastet gewesen. Nach jahrelangen intensiven Verhandlungen mit den Gläubigern erschien die Zwangsversteigerung als einzig möglicher Weg der Verwertung. Auch ein freihändiger Verkauf an die Gemeinde sei nicht möglich gewesen. Im Rahmen der Zwangsversteigerung hätten keine Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der künftigen Verwendung bestanden. Die geltend gemachte Grundsteuer, ein niedriger fünfstelliger Betrag, werde die Gemeinde bis zum Herbst erhalten. Gegen die Grundsteuer-Forderung sei die Einrede der beschränkten Erbenhaftung erhoben worden, da strittig war, inwieweit der Freistaat mangels eines willentlichen Erwerbs diese zu entrichten habe.

Zum Politikum wurde der Fall in Gröbenzell Anfang Juli, als der neue Eigentümer die Nutzer der 44 Parkplätze am Straßenrand aufforderte, diese entweder zu einem Preis von 40 Euro im Monat anzumieten oder nicht mehr auf dem Privatgrund zu parken. Bis dahin herrschte die Meinung vor, es handle sich bei dem Parkstreifen um ein öffentliches Grundstück, das jeder nutzten könne.

Dieser Ansicht waren auch Gemeinderäte, obwohl zu erwarten gewesen wäre, dass das Gremium über die Auseinandersetzungen mit dem Landesamt für Finanzen informiert sein sollte. Das Nachsehen haben nun neben den Anwohnern des Ortsviertels östlich des Gröbenbachs die Mitarbeitenden der Bernhard-Rößner-Grundschule, Schülereltern und Sportler, die die Schulturnhalle nach Schulschluss nutzen.

Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) ließ zwei Anfragen der SZ zu den Hintergründen des Grundstückdeals vorerst unbeantwortet. Stattdessen verwies er auf einen Antrag des Gemeinderats Peter Falk (SPD) zu diesem Vorgang. "Wir werden den Antrag im Gremium mit dem gesamten Gemeinderat behandeln", anschließend komme er auf die SZ zu, so dessen Antwort.

Falk spricht aufgrund fehlender Informationen "von einem "Geschäft zu Lasten des Gemeinwohls". Gemeinwohlinteressen seien offensichtlich "wegversteigert" worden. Er auch weist darauf hin, dass es Möglichkeiten gegeben hätte, eine andere Lösung zu finden. Zum Beispiel die, Martin Runge (Grüne), den Zweiten Bürgermeister von Gröbenzell, in diese Angelegenheit einzuschalten. Runge hätte seine Beziehungen als Landtagsabgeordneter nutzen können. Als ärgerlich bezeichnet es Falk, dass Rathauschef Schäfer dem zuständigen Gemeinderat den Fall nicht zur Entscheidung vorlegte.

Zweiter Bürgermeister Martin Runge (Grüne) spricht auf SZ-Anfrage als erster an, dass nicht nur der Parkstreifen, sondern auch die Tiefgarage auf Betreiben der Gemeinde unter den Hammer kam. Er merkt an, sich schon seit Längerem mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Und er verweist darauf, dass jeder im April die öffentlichen Aushänge zur Zwangsversteigerung hätte lesen können. Zu seiner Überraschung habe niemand reagiert. Schäfers Stellvertreter erinnert auch daran, dass die Gemeinde über zwei Jahrzehnte viermal jährlich Mahnungen verschickte, zudem einmal im Jahr eine Auflistung der Gesamtforderung mit Nebenforderungen und Rückstandsanzeigen. Von 2018 an folgten der Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek und die Ankündigung der Vollstreckung.

Zur Zwangsversteigerung staatlicher Immobilien richtete der Abgeordnete Runge mit Datum vom 11. Juli eine schriftliche Anfrage an die Staatsregierung. Er will wissen, warum sich der Freistaat über Jahrzehnte hinweg weigerte, in Gröbenzell Grundsteuern zu entrichten, wie viele staatliche Immobilien aufgrund von solchen Säumnissen in den vergangenen 20 Jahren versteigert wurden und ob es noch andere Gründe für Zwangsversteigerungen gab. Zudem will er wissen, warum das Fürstenfeldbrucker Landratsamt als zuständige Bauaufsichtsbehörde nicht intervenierte, weil vom Bauträger zu wenig Stellplätze errichtet wurden.

Richard B., Mitinhaber der GmbH mit Sitz in München, die den Streifen am Straßenrand ersteigerte, bezeichnet den Kauf der Immobilie als "ganz normale Kapitalanlage". Schließlich sei das Gelände im Gutachten zur Versteigerung als "Parkplatzgrundstück" angeboten worden, das man vermieten könne, erklärt er auf SZ-Anfrage. Davon, dass der Erwerb in Gröbenzell Konfusionen über die Eigentumsverhältnisse auslöste und es die Meinung gab, es handle sich bei dem Streifen um ein öffentlich zu nutzendes Grundstück, habe er erst hinterher erfahren.

Bestätigt sieht sich der Investor durch seinen bisherigen Erfolg als Vermieter. So sei bereits in der vergangenen Woche die Hälfte der 44 Stellplätze vermietet gewesen. Zurzeit werden diese bevorzugt den Bewohnern der Gebäude Bernhard-Rößner-Straße 15 und 17 sowie der Ammerseestraße 26 angeboten.

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