Gröbenzell:Die "Hexe" steht vor dem Abriss

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Die Gemeinde scheitert mit dem Versuch, das geschichtsträchtige Wirtshaus mit einem Grundstückstausch zu retten.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Die alte Bahnhofsgaststätte mit dem früheren Musiklokal "Hexe" in der Kirchenstraße von Gröbenzell wird vermutlich demnächst abgerissen. Grund ist das eines Tauschgeschäfts des Eigentümers mit der Gemeinde. Zwei Jahre lang haben die Bürgermeisterstellvertreter Martin Runge (Grüne) und Axel von Walter (SPD) mit der Wohnform Wohnbau GmbH darüber verhandelt, das Grundstück samt dem angrenzenden, auf dem eine ehemalige Apotheke steht, gegen drei gemeindliche Grundstücke in der Bahnhofstraße einzutauschen. Wie Markus und Frederic Fontein für die Wohnbau und deren Verhandlungspartner in einer gemeinsamen Pressemitteilung erklären, werde das Geschäft "aus wirtschaftlichen Gründen nicht zustande kommen". Es wird angekündigt, dass der Investor stattdessen seine Pläne umsetzen will.

Der Bauträger möchte auf seinen Filetgrundstücken im Ortszentrum etwa 1000 Quadratmeter Gewerbefläche und etwa 20 Wohnungen errichten. Das geht nur, wenn das historische für die Ortsgeschichte wichtige Wirthausgebäude dem Erdboden gleichgemacht wird. Bereits im März 2016 hatte der Investor den Abriss der fast hundert Jahre Gaststätte beantragt. Die dort zuletzt geführte "Hexe" wurde Generationen von Jugendlichen zum zweiten Wohnzimmer. In dem Wirtshaus wurden viele Vereine gegründet, hier feierten die Gröbenzeller 1953 mit dem damaligen Innenminister und späterem Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner die Erhebung ihres Orts zur Gemeinde. Hier feierte Bürgermeister Martin Schäfer (UWG), der damals noch mit seinem Bruder Eigentümer der "Hexe" war, 2014 seinen Wahlsieg.

Der Kampf vieler Gröbenzeller und einiger Kommunalpolitiker für den Erhalt des identitätsstiftenden Lokals zieht sich über 30 Jahre hin. Der letzte Akt begann Ende 2016. Damals wurde bekannt, dass der Bürgermeister und sein Bruder das zu einer ihrer Firmen gehörende Wirtshaus an den Bauträger veräußert hatten. Zuvor war das Baurecht erhöht worden. Über diesen Verkauf wurden Verwaltung und Gemeinderat erst durch eine formale Anfrage des Notars unterrichtet. Dieser erkundigte sich, ob die Gemeinde ein Verkaufsrecht habe, was nicht der Fall war. Damit war der Verkauf besiegelt. Seither stand, wie schon 1993, der Abriss im Raum.

Zwar rettete 1993 eine Bürgerinitiative die Gaststätte. Aber im Gemeinderat fand sich danach nie eine Mehrheit für eine dauerhafte Lösung. Das wäre der von der SPD beantragten Erwerb oder das Ansinnen gewesen, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, wie es die Grünen forderten. Nach dem Abriss des Saals der Gaststätte war ein wichtiger Bestandteil des Gebäudes verschwunden, damit fiel auch die Denkmalschutzwürdigkeit. Schon 1993 gab es vage Überlegungen, aus der Gaststätte ein Kulturhaus zu machen und dort kulturelle Einrichtungen unterzubringen.

Kam vor 30 Jahren der entscheidende Druck zum Erhalt noch aus der Bürgerschaft, ergriffen nach dem Verkauf 2016 Gemeinderäte die Initiative. Gegen massive Vorbehalte im Gemeinderat. Wobei besonders CSU-Räte und andere Konservative Bedenken hatten. Die Befürworter der Rettung gehörten zur SPD und zu den Grünen, aber auch zu anderen Fraktionen.

Runge und von Walter konnten sich von Anfang an nicht sicher sein, für ihr Tauschgeschäft eine Mehrheit zu finden. Dazu kam eine Vielzahl baurechtlicher und anderer Probleme. In der Kirchenstraße verfügte der Investor über Baurecht. In der Bahnhofstraße nur über die Aussicht auf Baurecht, mit dem Risiko, dass nach dem Inkrafttreten des neuen Bebauungsplans im Herbst Anwohner und andere Gröbenzeller dagegen klagen und damit einen Baubeginn weiter verzögern könnten. Der Bauträger verfügte über eine starke Position, konnte er doch jederzeit mit dem Abriss beginnen. Dazu kam, dass im Vagen blieb, was die Gemeinde nach einem Erwerb mit dem historischen Gebäude anfangen wollte. Man wollte schrittweise vorgehen, erst nach dem Tausch einen Erhalt und kulturelle und andere Nutzungsoptionen prüfen. Dem standen Befürchtungen entgegen, die Gemeinde könnte mit dem Verlust ihrer Grundstücke in der Bahnhofstraße ihr Konzept für die dort seit Jahrzehnten geplante Verlängerung der Ortsmitte nördliche der Bahngleise zerschießen. Dort sollen Wohnungen, Geschäfte und Einrichtungen wie ein Pflegezentrum für Demente, entstehen. Der Gemeinde gehörten 60 Prozent der überplanten Fläche.

Wie zu hören ist, waren die Verhandlungen hochkomplex, vieles war auf einen Nenner zu bringen. Einig sind sich Investor und Bürgermeisterstellvertreter, dass die Grundstücksbewertungen unstrittig waren. Wie es heißt, sei aufgrund einzelner Verrechnungspositionen keine Einigung zu erzielen gewesen. Der SZ liegt eines der vertraulichen Wertgutachten zum Grundstückspreis vor, das zeigt, wie intensiv die Beteiligten um einen Ausgleich gerungen haben. Runge und Walter kritisieren nun "wahrheitswidrige" Querschüsse von Gegnern der Tauschverhandlungen zu möglicherweise hohen Kosten für den Erhalt der Bahnhofsgaststätte als "kontraproduktiv" und "unredlich". Bürgermeister Schäfer äußert sich nicht zu den Verhandlungen. Er verweist darauf, nie damit befasst gewesen zu sein.

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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