Süddeutsche Zeitung

Gröbenzell:Es fehlt an Grünfläche

Der Gröbenzeller Werner Holzmüller will das Erdgeschoss seines Hauses barrierefrei ausbauen. Doch Gemeinde und Landratsamt lehnen seine Pläne ab - aus Gründen des Naturschutzes

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Werner Holzmüller hat ein Problem. Er will für seine 80 Jahre alten Eltern barrierefreien Wohnraum in seinem Haus schaffen. Doch die Behörden machen dem Gröbenzeller zufolge das Vorhaben unmöglich, denn ihnen fehlen gut 32 Quadratmeter Grünfläche in der Planung. "Die Gemeinde Gröbenzell sowie das Landratsamt versuchen mit allen Mitteln das Baugesetz gegen mich auszulegen und den Bau der neuen Wohnungen zu verhindern", sagt er. Die Behörden erklären hingegen, dass das Vorhaben durchaus realisiert werden könnte, wenn die Planung etwas abgeändert würde und mehr Grünfläche zuließe. Die Grünfläche soll nämlich die Hälfte des Grundstücks einnehmen, im vorliegenden Fall seien es aber nur 47 Prozent, heißt es aus dem Rathaus.

Seit 1980 steht das Haus an der Eschenrieder Straße in Gröbenzell. Im 260 Quadratmeter großen Erdgeschoss war von Anfang an eine Bäckerei untergebracht. Seit einigen Jahren ist der Betrieb eingestellt. So kam Holzmüller, der mit seiner Familie eine der beiden Wohnungen im ersten Stock bewohnt, auf die Idee, für seine Eltern das Erdgeschoss in eine barrierefreie Wohnung umzubauen. "Meine Eltern sind beide 80 Jahre alt und man weiß nicht, wie lange sie noch laufen können." Die Senioren wollten dort im Erdgeschoss einziehen. Die Nähe zur eigenen Familie im selben Haus hätte viele Vorteile.

Und auch an den naturgemäß finanzschwachen Nachwuchs hatte Holzmüller gedacht, wie er betont. Sein Sohn ist 24, dessen Freunde ähnlich alt. Für die wolle er unterm Dach Wohnraum schaffen, damit nicht alle, die in Gröbenzell aufgewachsen sind, hier wegziehen müssen. "Ich will die Wohnungen zu fairen Preisen vermieten mich nicht daran bereichern und vor allem in einem so angespannten Wohnungsmarkt einen unnötigen Leerstand verhindern", erläutert er. Denn auch im Dachgeschoss könnte noch Wohnraum geschaffen werden. Dort gibt es aktuell nur ein Zimmer mit Bad.

Weg vom Asphalt

Das Thema ist gerade jetzt, wo Umwelt, Natur- und Klimaschutz so im Fokus stehen, von großer Bedeutung: die Flächenentsiegelung. Weniger Asphalt bedeutet unter anderem niedrigere Temperaturen, eine Verbesserung des Mikroklimas und eine verbesserte Bildung von Grundwasser. Bereits vor rund einem Jahr berichtete Gröbenzells Bauamtsleiter Markus Groß den Gemeinderäten von einem entsprechenden Förderprogramm der Staatsregierung zur Flächenentsiegelung. Seinerzeit hatte das Gremium beschlossen, sich dafür zu bewerben. Inzwischen, so berichtet es Groß in der jüngsten Gemeinderatssitzung, "gibt es eine sehr positive Rückmeldung von der Regierung".

In diesem speziellen Fall ist es einmal von Vorteil, dass die Gröbenbachgemeinde nur über eine Fläche von 6,4 Quadratkilometer verfügt. Das macht sie nicht nur zur flächenmäßig kleinsten Gemeinde im Landkreis, sie belegt auch bundesweit den vierten Platz bei der Bevölkerungsdichte. Diese besondere Situation mache es in Gröbenzell erforderlich, besonders viele kleinteilige Flächen von ihrer Asphaltdecke zu befreien und sie zu bepflanzen, erläutert der Bauamtsleiter. Und das wiederum sei aus Sicht der Staatsregierung ein interessanter Aspekt. Insgesamt bescheinigt er der Förderinitiative "Modellcharakter". Wie Groß erläutert, soll die Bevölkerung dabei unterstützt werden, wasserundurchlässige Flächen aus Beton, Asphalt oder Pflaster mit Fugenguss zu entsiegeln. Neben Rasen können die Flächen auch mit Rasengittersteinen, Rasenfugenpflaster oder Porenpflaster gestaltet werden. Die neue Fläche kann auch aus unterschiedlichen Materialien bestehen, Hauptsache sie ist wasserdurchlässig. Für das Programm kommen neben asphaltierten Bodenflächen auch Dächer infrage, die Art der Nutzung spielt keine Rolle, wie Groß betont: "Der Gewerbegrundstückseigentümer ist hier genauso angesprochen wie der private Grundstückseigentümer."

Christa Spangenberg (Grüne) begrüßt das Entsiegelungsprogramm grundsätzlich. Der ehemaligen BN-Kreisvorsitzenden ist aber zudem wichtig, dass es auch bei Neubauten angewendet werden kann. Viele Grundstücke würden arg versiegelt, klagte sie mit Verweis auf Steingärten und gepflasterte Vorgärten: "Der Trend ist ungebrochen." Bei Neubauten achte das Bauamt von Haus aus auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, entgegnet der Bauamtsleiter. Demnach müssen 50 Prozent der Grundstücksfläche unversiegelt bleiben. Dabei sei man sehr strikt, betont Groß. Das Flächenentsiegelungsprogramm soll nun noch detaillierter ausgearbeitet und dann öffentlich bekannt gemacht werden. Für dieses Jahr sind 25 000 Euro in den Haushalt eingestellt.alin

Ursprünglich wollten die Holzmüllers im Erdgeschoss drei Wohnungen und unterm Dach zwei ausbauen. Damit das alles seine Richtigkeit hat, muss allerdings die Gemeinde einer Änderung von gewerblicher in wohnliche Nutzung zustimmen. Doch bislang lehnte der Bauausschuss das Vorhaben ab. Deshalb schreibt Holzmüller weiter: "Ich finde es bei der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt im Landkreis skandalös, wie sich die Gemeinde hier verhält." Begründet werde das Veto "eigentlich immer nur mit den Grünflächen". Der Gröbenzeller versteht das nicht, immerhin will er die gesamte betonierte Fläche zur Straße hin, einst Kundenparkplatz, in Grün umwandeln. Und er bekomme immer wieder andere mündliche Empfehlungen aus den Ämtern zu seinem Vorhaben. Allein für den Architekten habe er schon weit mehr als 15 000 Euro bezahlt.

Das Landratsamt bewertet die Sache etwas anders. Der Bauausschuss in Gröbenzell habe völlig korrekt entschieden, man sei nicht gewillt, dieses Votum zu verändern, heißt dort. Aus Sicht der Behörde ist es nämlich durchaus möglich, das Bauvorhaben zu realisieren und gleichzeitig Festsetzungen des Bebauungsplans zur Mindestgrünfläche einzuhalten. Dazu habe das Landratsamt mehrfach Lösungen aufgezeigt. "Es ist daher schlicht nicht erforderlich, von den Festsetzungen abzuweichen." Ähnlich lautet die Stellungnahme aus dem Gröbenzeller Rathaus. "Der Wohnraum kann mit einer guten Planung der Freiflächen im baulichen Bestand realisiert werden", heißt es zu dem von Holzmüller geplanten Vorhaben. Bereits seit Jahren muss aus Naturschutzgründen 50 Prozent Grundstücksfläche unbebaut bleiben.

Da also aus Sicht der Ämter die notwendigen Punkte wie Nachweis der benötigten Stellplätze für Fahrzeuge, Fahrradabstellmöglichkeiten oder die Zahl der nachzuweisenden Bäume nicht erfüllt werden, obwohl das bei besserer Planung möglich wäre, sieht man weder in Gröbenzell noch in Fürstenfeldbruck die Notwendigkeit, das Vorhaben durch eine Befreiung zu genehmigen.

Das Bauamt in Gröbenzell arbeitet übrigens zurzeit an einem Konzept zur Entsiegelung von Flächen in Gröbenzell. Dabei sollen auch private Grundeigentümer motiviert werden, asphaltierte Flächen zu entfernen.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2019
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