Heimat- und Ortsgeschichte in Gröbenzell:Historischer Abschied bei den Gröbenhütern

Heimat- und Ortsgeschichte in Gröbenzell: Abschied ohne Reue: Rudi Ulrich hört nach fast 25 Jahren als Vorsitzender der Gröbenhüter auf. Die ehrenamtliche Betreuung des Heimat- und Torfmusuems der Gemeinde gehört mit zu den Aufgaben des Vereins.

Abschied ohne Reue: Rudi Ulrich hört nach fast 25 Jahren als Vorsitzender der Gröbenhüter auf. Die ehrenamtliche Betreuung des Heimat- und Torfmusuems der Gemeinde gehört mit zu den Aufgaben des Vereins.

(Foto: Carmen Voxbrunner/Carmen Voxbrunner)

Rudi Ulrich ist nach fast 25 Jahren nicht mehr Vorsitzender des Vereins. Sven Deppisch folgt dem Ehrenbürger der Gemeinde nach.

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Fast 25 Jahre hat Rudi Ulrich die Gröbenhüter geleitet. Jetzt hat der bald 81-Jährige einen würdigen Nachfolger für den Verein gefunden, der Gröbenzells Geschichte beleuchtet. Sven Deppisch, Historiker mit Promotion, wird nun Ulrichs Aufgaben übernehmen. Gerne hätte der den Posten früher abgegeben, berichtet das Gründungsmitglied. Doch erst hat sich niemand gefunden. Und dann kam auch noch Corona. Und so wurde der Wechsel an der Spitze des ortsprägenden Vereins erst Ende März vollzogen. Von da an sind es nur noch drei Monate, um für Ulrich das Vierteljahrhundert als Vereinschef vollzumachen - bei der Zeitspanne eigentlich eine nicht ins Gewicht fallende Petitesse.

Heimat- und Ortsgeschichte in Gröbenzell: Der neue und der abgetretene Vorsitzende: Sven Deppisch und Rudi Ulrich bei der Verabschiedung.

Der neue und der abgetretene Vorsitzende: Sven Deppisch und Rudi Ulrich bei der Verabschiedung.

(Foto: privat)

Doch Rudi Ulrich ist diese Einschränkung wichtig. Er vergisst nie, sie hinzuzufügen, wenn er von diesem einen, wohl prominentesten, aber bei weitem nicht einzigen Ehrenamt spricht. Präzision und Gewissenhaftigkeit hat der gebürtige Trostberger (Kreis Traunstein) und Wahlgröbenzeller spätestens in seiner Ausbildung zum Regierungsinspektor zehn Jahre davor gelernt. Als einstiger Geschäftsleiter des Rathauses ist er freilich auch schon vor seinem Engagement beim "Historischen Verein Gröbenzell", so der Namenszusatz der Gröbenhüter, vielen Ortsansässigen bekannt. Während der Amtszeit von Bürgermeister Eicke Götz ist er 1977 dort hingezogen, mit Frau und damals noch kleinem Sohn. Motiviert hatte ihn die Aussicht, nach seiner Tätigkeit im Ministerium in München im Rathaus Gröbenzell wieder mehr Kontakt zu Menschen zu haben. Den hatte Ulrich dann nicht nur im Rathaus, sondern beispielsweise - nach seiner Pensionierung - bei seinen alljährlichen Vorlesungen von Gespenstergeschichten in der Vorweihnachtszeit. Und als Nikolaus ist er ebenfalls über viele Jahre in die Kindergärten gekommen. Für sein ehrenamtliches Engagement wurde Rudi Ulrich die Ehrenbürgerwürde verlieren.

Die Gründung der Gröbenhüter ist eng verknüpft mit dem Heimat - und Torfmuseum der Gemeinde. Und auch mit der alten Schule - Sitz des Museums wie des Vereins. "Das Ganze hat sich ja entwickelt", sagt Ulrich. Bereits in den Achtzigerjahren hatte der inzwischen verstorbene Horst Hell, eines von 17 Gründungsmitgliedern des Vereis und des Museums, so viele historische Gegenstände gesammelt, dass im Untergeschoss der damaligen Polizeiinspektion an der Augsburgerstraße ein kleiner Ausstellungsraum eingerichtet wurde: die heimatkundliche Sammlung. Darunter waren auch eine Guillotine sowie der Mistwagen, in dem sich der Räuber Mathias Kneißl seinerzeit versteckt hatte; beide Stücke sind jetzt im RäuberKneißl-Museum der Brauerei Maisach ausgestellt. Wie Ulrich berichtet, kümmerte sich ein Kreis Geschichtsinteressierter ehrenamtlich um die Aufsicht der heimatkundlichen Sammlung. "Ich habe selber auch aufgepasst."

Doch bereits Anfang der Neunzigerjahre sei man mit dieser Lösung nicht zufrieden gewesen. Hinzu kam, dass zur selben Zeit die alte Schule und die frühere Bahnhofswirtschaft abgerissen werden sollten, wogegen sich Bürgerinitiativen erfolgreich wehrten. Und viele Vereine hatten damals Begehrlichkeiten für Räume geäußert. In dieser Situation wurde laut Ulrich für die heimatkundliche Sammlung als Alternative zum Keller in der Inspektion das Obergeschoss im 1992 eröffneten Bürgerhaus in Betracht gezogen. Die Bürgerinitiativen um Otto Zierer und seine Enkelin Lilly Kammerl erreichten schließlich, dass beide Gebäude erhalten blieben. Und so wurde die alte Schule vor fast 22 Jahren zur neuen Heimat der heimatkundlichen Sammlung, die von da an Heimat- und Torfmuseum der Gemeinde Gröbenzell hieß.

Die so genannte Russenbrücke wurde von französischen Kriegsgefangenen gebaut

Die Gröbenhüter wurden im Juni 1997 gegründet, im September 2000 wurde dann das Museum eröffnet. "Wir haben im Schnitt im Jahr zwei Sonderausstellungen gehabt", betont Ulrich. Im Zuge ihrer Vorbereitung, aber auch bei anderen Themen, haben Vereinsmitglieder interessante historische Erkenntnisse gewonnen und veröffentlicht. "Die sogenannte Russenbrücke, so genannt wohl gemerkt", unterstreicht er. Die Brücke über den Gröbenbach heißt so, weil man lange Zeit dachte, russische Kriegsgefangene hätten sie im Ersten Weltkrieg gebaut. Wie die Gröbenhüter im Zuge ihrer Sonderausstellung 2016 über das Bauwerk herausgefunden haben, waren es französische Kriegsgefangene. Oder auch die Abhandlung von Johann Böhmer zum 450. Jahrestag der Errichtung des Gröbenhüter Zollhauses, des ersten Hauses von Gröbenzell. Der Jurist und ebenfalls Gründungsmitglied hat es zum Jubiläum im Jahr 2020 verfasst. Ulrich zufolge war geplant gewesen, das Buch feierlich zusammen mit dem 20. Geburtstag des Museums und der 40. Sonderausstellung zu präsentieren. Dann kam die Pandemie und machte die Pläne zunichte.

Glücklich gefügt hat sich durch den Zwangsstillstand jedoch Ulrichs Nachfolge. Beiratsmitglied Anton Kammerl sprach Deppisch darauf an, nachdem er 2018 auf Einladung der Gröbenhüter seinen Vortrag zur Polizeihochschule Fürstenfeldbruck gehalten hatte. Und Deppisch war interessiert; nun wurde er offiziell gewählt. "Ich bin froh, Sven ist jünger und er ist vom Fach und er wird von uns unterstützt", unterstreicht der neu ernannte Ehrenvorsitzende der Gröbenhüter.

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