Grafrath:Wo Jung und Alt zusammenkommen

Kinder besuchen Senioren

Generationenübergreifend: Wenn die Grafrather Kindergartenkinder die Senioren im Altenheim besuchen, haben sie zu Beginn noch Berührungsängste.

(Foto: Günther Reger)

Die Kinder des Grafrather Waldorfkindergartens statten den Senioren im nahegelegenen Altenheim häufig Besuch ab. Das gemeinsame Musizieren fördert das gegenseitige Verständnis

Von Katharina Knaut, Grafrath

"Trulla trulla trullala, trulla trulla trullala!", schallt es am Mittwochmorgen durch das Altenwerk Marthashofen. Dazu erklingen in fröhlichem Durcheinander Rasseln, Triangeln und Klangfrösche. Ein solches Klangerlebnis können nur die Kindergartenkinder des nahegelegenen Waldorfkindergarten auslösen. Wöchentlich besuchen sie die Senioren, singen und lesen Geschichten. Jede der drei Kindergartengruppen ist dabei für eine der drei Altenheimgruppen zuständig. Es ist ein Zusammensein, das Jung und Alt gleichermaßen bereichert.

Kaum kommen die Kinder durch die Tür in den Gemeinschaftsraum, breitet sich ein Strahlen auf den Gesichtern der anwesenden Senioren aus. Jeder einzelne wird von den Kindern begrüßt. Die jungen Besucher zeigen zu Beginn noch eine gewisse Scheu, legen diese jedoch bald ab. Nach kurzer Zeit sitzt die junge Generation ohne Hemmungen neben der alten, teilweise entwickeln sich auch Gespräche. Nach der Begrüßungsrunde werden gemeinsam Lieder angestimmt. Besonders die Kinder singen dabei inbrünstig mit. Aber auch die Senioren fallen in den Gesang mit ein, klatschen und wippen mit den Füßen im Takt. Etwas ruhiger wird es bei der Lesestunde, in der die Kinder und Senioren andächtig dem Märchen vom Rumpelstilzchen lauschen. Auch diejenigen Senioren, die nicht mehr die Kraft haben, sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen, kommen nicht zu kurz. Die Kinder besuchen die Bettlägerigen in ihren Zimmern und erfreuen sie mit fröhlichem Gesang.

Das tue den Senioren gut, meint eine Mitarbeiterin des Altenheims. "Die Kinder beschenken die alten Menschen mit Lebenskraft." Zwei der drei Bereiche im Altenwerk sind gerontopsychiatrische Einrichtungen, dementsprechend gibt es viele Bewohner, die dement sind und sich an vieles nicht mehr erinnern können. Manchmal brächten die Kinder aber sogar einige der Erinnerungen wieder zurück, meint die Mitarbeiterin. Die Senioren könnten dann wieder zurückdenken an ihre eigenen Eltern, Geschwister, Kinder und Enkel. Immer dann, wenn eine der Kindergartengruppen das Altenheim besucht, können die Senioren einen Moment des Glücks erleben. "Da geht die Sonne auf", ist sich die Mitarbeiterin sicher.

Aber nicht nur die Senioren genießen die gemeinsame Zeit. Den Kindern tue die Erfahrung gut, meint Maria Schiffers, eine der Erzieherinnen im Kindergarten. Sie seien sehr neugierig auf die älteren Menschen und interessierten sich für sie. Einige der Kinder haben zu einzelnen Bewohnern schon eine engere Beziehung aufgebaut. So ist es auch selbstverständlich, dass sie oft nach den Bewohnern fragen und wissen wollen, ob es ihnen gut geht. Eines der Kinder, das sich im Kindergarten oft sehr laut unruhig verhält, blühe im Altenheim richtig auf. Es sei dort ein ganz anderes Kind.

Manchmal komme es aber auch vor, dass die krankheitsbedingten Verhaltensweisen der Senioren die Kinder verwundern, meint Schiffers. Etwa wenn diese sich in Gesprächen fast schon anschreien, weil die altersschwachen Ohren nicht mehr mitspielen. Dann fragen die Kinder nach. Aber sie akzeptierten diese Eigenheiten ohne Probleme. Wenn sie frage, wer mitkommen möchte, gingen alle Hände hoch, sagt Schiffers. Die Aktion sei mittlerweile so beliebt, dass sie die Einteilung für die Besuche über eine Liste regeln müssen. Natürlich komme es auch mal vor, dass jemand nicht mitkommen will. auch das sei kein Problem.

Seit der Gründung des Kindergartens im Jahr 1980 besteht der Austausch zwischen den Senioren und den Kindern in Marthaweil. Einige Mütter und Väter von Kindergartenkindern haben im Altenheim gearbeitet, so habe sich über die Zeit ein reger Kontakt ergeben, erzählt Ursula Messner-Rau, die Leiterin des Kindergartens. Sie erinnert sich noch an einen griesgrämigen Mann aus dem Altenheim, der niemanden leiden konnte. Aber wenn die Kinder zu Besuch waren, war er wie ausgewechselt und ausgesprochen freundlich. Damals hätten sich die alten Menschen noch aktiv am Spiel der Kinder beteiligt und besuchten sogar von Zeit zu Zeit die Gruppe. Mittlerweile habe sich das jedoch geändert, meint sie. Mittlerweile seien viele Bewohner nicht mehr so rüstig. Und der Besuch der Kindergartengruppen sei auf der einen Seite zwar schön, auf der anderen aber auch anstrengend. Ungefähr zehn Kinder nimmt Schiffers bei jedem der Ausflüge mit. Lange Zeit habe sie sich herangetastet und überlegt, wie man die Besuche am Besten gestalten könne, meint sie. "So wie wir's jetzt machen, ist es stimmig."

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