Grafrath:Von der Amper an die Pegnitz

Grafrath: Das Pfarrerehepaar Ulrike und Christian Dittmar vor ihrem "Bauwagen".

Das Pfarrerehepaar Ulrike und Christian Dittmar vor ihrem "Bauwagen".

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Pfarrerehepaar Ulrike und Christian Dittmar verlässt die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Grafrath. Zwölf Jahre haben beide in den großen wie den kleinen Orten seelsorgerisch gewirkt - teils mit neuen Mitteln. Nun wollen sie in Nürnberg den Pfarrer-Nachwuchs ausbilden

Von Erich C. Setzwein, Grafrath

Den Garten im Frühling wird sie vermissen, sagt Ulrike Dittmar. Der Blick hinaus vom Wohnzimmer auf den immer grüner werdenden Hang tut dem Auge gut. Den Herbst liebt die Pfarrerin von Grafrath nicht so. "Laubbäume," sagt die 54-Jährige nur. Aber um die welken Blätter werden sich Ulrike Dittmar und ihr Mann Christian in diesem Jahr nicht mehr kümmern müssen. Die Arbeit im Pfarrgarten wird schon ihr Nachfolger erledigen, denn die Dittmars werden Ende Mai von Grafrath nach Nürnberg umziehen. Dort werden sie als Lehrer für den Pfarrernachwuchs dringend gebraucht.

Christian und Ulrike Dittmar werden am Predigerseminar ihre langjährige Erfahrung als Seelsorger weitergeben können. Ein Wissen von unschätzbarem Wert, denn was sie beide miterlebt, mitgefühlt und auch mitgelacht haben mit denjenigen, die sie als evangelisch-lutherische Pfarrer angesprochen haben, könnte mehr Zeilen füllen als den Text auf dieser Seite.

Allein zwölf Jahre waren die beiden in der evangelischen Kirchengemeinde Grafrath tätig. Keine einfache, auf eine Kommune einzugrenzende Aufgabe, sondern sie waren in einem Gebiet zwischen den S-Bahnlinien 3 und 4 mit 26 Dörfern tätig. Dabei haben sie einen manchmal gewaltigen Spagat zwischen den höchst unterschiedlichen Ansprüchen in den Orten machen müssen.

Beide waren 42 Jahre alt, als sie 2007 in die Gemeinde an der Amper kamen. Nichts ahnend, dass der Fluss und die Bundesstraße 471, wie es Christian Dittmar ausdrückt, genau das Trennende, das Spaltende ausdrücken, das die Gemeinde nach außen hin vermittelt. Sie haben die Spaltungstendenzen in der Bevölkerung ebenso erfahren wie den Zusammenhalt, die Arbeit im Team, die Unterstützung durch die Kirchenvorstände. Als Paar mit demselben Beruf konnten sie denjenigen widerstehen, die Stimmung machten.

Das war in den anderen Gemeindeteilen anders, die Menschen waren dankbar dafür, dass sich nicht mehr alles auf das einmal künstliche geschaffene Zentrum Grafrath konzentrierte, das tief im Süden des mit 160 Quadratkilometern ziemlich großen Gebiets liegt. Nach Mammendorf und nach Geltendorf zogen immer Menschen, die Zahl der Protestanten dort wuchs, und so "mussten und sind wir in die Flächen gegangen", sagt Ulrike Dittmar. Während die Gläubigen im Westen wieder regelmäßig Besuch erhielten, mussten sich die Grafrather auf einen Sonntagsgottesdienst alle 14 Tage einstellen. "Anders wäre es nicht zu machen gewesen", sagte Christan Dittmar.

Und so freuten sich die Besucher des Gottesdienstes in der Schulaula von Geltendorf, wenn sie sonntags um 11.30 Uhr eine Predigt hörten. Auch die Mammendorfer in der Martin-Luther-Kirche und die Türkenfelder in der Friedenskirche hatten alle zwei Wochen ihre Gottesdienste. Aber in der Fläche waren die Dittmars da noch nicht. So schafften sie einen "Bauwagen" an, einen großen Autoanhänger, in dem sie alles für einen schnellen Gottesdienst verstauten - Bierbänke und auch einen Grill. Das machte so viel Eindruck, dass sich der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm dafür interessierte und ein zweites Mal nach Grafrath kam. Zum ersten Mal war er 2011 in der Michaelkirche, um mit den Grafrathern einen Gottesdienst zu feiern. Es war der Auftakt zu einer Spendenaktion, mit denen das Pfarrerehepaar Geld für die 130 000 Euro teure Sanierung eines Kirchengebäudes zusammenbekommen wollte.

Sich um die Kirche als Gebäude zu kümmern, obliegt auch immer dem Pfarrer, der darin predigt. Auch das werden die Dittmars den angehenden Pfarrern im Nürnberger Predigerseminar vermitteln können. Sie werden erzählen, wie es ist, sich einen Posten zu teilen, weil sie es schon lange so praktiziert haben. Sie waren vor Grafrath in der Krankenhausseelsorge im Oberland tätig, Christian Dittmar in Bad Wiessee, Ulrike Dittmar im Klinikum Agatharied. Zwischen 2012 und 2018 war Ulrike Dittmar Jugendpfarrerin in Gauting (Kreis Starnberg). Für sie eine ganz wichtige Aufgabe, mit Konfirmanden zu arbeiten. Sie hat, und darauf ist sie stolz, im Konfirmandenunterricht auch die Eltern angesprochen. Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass Eltern ihre Kinder auf dem Weg, die Taufe und damit ihr Bekenntnis zu bestätigen, so aktiv begleiten, wie die Pfarrerin es schildert.

Wenn Christian und Ulrike Dittmar von September an den Pfarrernachwuchs betreuen, dann kommen sie damit auch einer Bitte von Pfarrer Stefan Reimers nach. Der hat nach seinem Weggang aus Fürstenfeldbruck zur Landeskirche nach München nun die Personalverantwortung und suchte für das Predigerseminar in Nürnberg die passende Besetzung. Da evangelische Pfarrer durchaus alle zehn Jahre ihre Gemeinde wechseln, die Dittmars bereits zwölf Jahre in Grafrath sind und Wechselwünsche geäußert hatten, konnte Reimer auf ihre Spontaneität und Flexibilität setzen. Weil es wieder mehr evangelische Pfarrer gibt, wurde in Nürnberg eine weitere Stelle in der Ausbildung geschaffen, deren Besetzung laut Christian Dittmar aber bei normaler Ausschreibefrist zeitlich nicht mehr geklappt hätte. So müssen nun viele Kisten gepackt werden, die Dittmars werden Abschied nehmen von ihrer Gemeinde, von den in den vergangenen Jahren neu gewonnen Freunden, zum Beispiel in der Bigband. Er hat dort Tuba gespielt, sie Posaune.

Dem Auszug aus Grafrath folgt eine Rückkehr in die Heimat Franken. Christian Dittmar stammt aus Fürth, seine Frau aus Bayreuth. Die neue Umgebung an der Pegnitz wird eine andere sein als an der Kornfeldstraße in Grafrath, auch die Aufgaben werden völlig andere sein. Christian Dittmar freut sich schon auf Weihnachten, das erste seit zwölf Jahren, an dem das Ehepaar - es hat eine 24 Jahre alte Tochter, die in Berlin lebt - den Heiligen Abend daheim am Christbaum und nicht an einem Altar verbringen wird.

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