Grafrath:Politischer Streit um Grunderwerb für Radweg

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Mandatsträger aus Grafrath sowie Kreisrat Martin Runge rügen, Gemeinde und Landkreis hätten einen zu hohen Preis für die Strecke von Mauern zur Landkreisgrenze gezahlt. Landratsamt und Bürgermeister weisen den Vorwurf zurück

Von Peter Bierl, Grafrath

Der Grafrather CSU-Gemeinderat Max Riepl-Bauer scheint kein schlechtes Geschäft gemacht zu haben. Für die Verbreiterung der Kreisstraße und den neuen Radweg von Mauern zur Landkreisgrenze hat der Landwirt einen Teil seines Ackers verkauft. Der Landkreis und die Gemeinde Grafrath sollen insgesamt mehr als 140 000 Euro für rund 6300 Quadratmeter Fläche bezahlt haben. Das ergäbe insgesamt im Durchschnitt etwas mehr als 22 Euro pro Quadratmeter. Das Landratsamt spricht von einem angemessenen Preis.

Bei den Flächen handelt es sich um einen etwa 900 Meter langen Streifen vom Ortsteil Mauern in Richtung Etterschlag, der an der Grenze zum Landkreis Starnberg endet. Die Gemeinde hat den Grund für den Radweg gekauft, der Landkreis den für die Straßenverbreiterung. Nach Informationen der SZ soll der Landkreis etwa 2400 Quadratmeter für jeweils 15 Euro und etwa 1200 Quadratmeter für jeweils mehr als 36 Euro gekauft haben. Der Landkreis wiederum soll an den Landwirt eine Fläche von 135 Quadratmeter zu jeweils 1,9 Euro pro Quadratmeter verkauft haben. Die Gemeinde Grafrath soll für etwa 2700 Quadratmeter jeweils 22,50 Euro ausgegeben haben. Zu den gleichen Konditionen erwarb die Gemeinde zudem eine kleine Fläche von einem weiteren Landwirt.

Der Grunderwerb sei auf Grundlage der Wertschätzung des Gutachterausschusses vom Mai 2017 getätigt worden, erklärte Wolfgang Kaufmann, der leitende Verwaltungsdirektor im Landratsamt, auf Nachfrage der SZ. Dieser habe damals für ein ortsnahes Grundstück einen Preis zwischen 28 und 42 Euro und für weiter entfernte Flächen zwischen zehn und 15 Euro für angemessen gehalten. Der Landkreis habe für jenen Teil der Flächen, die näher an Mauern liegen, einen Preis in der Spanne dieses höheren Segments gezahlt, für Flächen, die weiter vom Ort entfernt sind, sei der Kaufpreis entsprechend niedriger. Seit der Schätzung von 2017 seien die Grundstückspreise "aktuell enorm" gestiegen, betonte Kaufmann, sodass der Landkreis "eindeutig den Verkehrswert" bezahlt habe.

In der Tat können die Preise für Grundstücke in dieser Lage höchst unterschiedlich ausfallen. Das Statistische Landesamt hat für landwirtschaftliche Flächen, also Ackerland und Grünland zusammen, in Fürstenfeldbruck auf der Grundlage von Verkäufen im Vorjahr einen Durchschnittspreis von mehr als 86 614 Euro pro Hektar errechnet, das wären mehr als 8,60 Euro pro Quadratmeter. Im Brucker Landwirtschaftsamt schätzt man, dass im Landkreis ein Quadratmeter Ackerland je nach Bodenqualität zwischen sieben und 18 Euro kostet, bei Grünland liegen die Preise zwischen fünf und zwölf Euro. Dabei sind Flächen im ländlichen Westen günstiger als im verstädterten Osten.

Der Vertrag, der der SZ vorliegt, enthält weitere Vereinbarungen. Wenn Kommunen aus Äckern Bauland machen, wird normalerweise ein Teil der Wertsteigerung dadurch abgeschöpft, dass der Eigentümer einen Teil der Fläche zu einem günstigeren Preis abgibt. In dem Vertrag mit der Gemeinde wurde vereinbart, dass die jetzt für Straße und Radweg verkauften Quadratmeter den beiden Landwirten auf zwei südlich von Mauern gelegene Grundstücke angerechnet werden, sollte Grafrath dort in der Zukunft jemals Bauland ausweisen. Sie würden so behandelt, als hätten sie gemeinsam bereits rund 6200 Quadratmeter zur Verwirklichung eines Einheimischenmodells veräußert. Damit würden sie die Wertsteigerung einstreichen können. Allerdings plant die Gemeinde Grafrath derzeit keine solche Erweiterung der Bebauung in Mauern.

Außerdem hat der Landkreis den 900 Meter langen Radweg als drei Meter breiten Wirtschaftsweg gebaut, den der Landwirt nutzen kann. Dafür wurde beim Notar eine Grunddienstbarkeit eingetragen, für den Unterhalt des Weges sind Gemeinde und Landkreis zuständig. Riepl-Bauer hatte der SZ dazu im Sommer erklärt, er würde den Weg zwar brauchen, aber nur selten benutzen. Dass ein Radweg als Wirtschaftsweg ausgebaut wird, ist nach Angaben des Landratsamts "inzwischen üblich" und "zunehmend im Sinne des Baulastträgers". Die landwirtschaftlichen Maschinen würden immer schwerer und die Bauern sowieso auf Radwegen fahren oder diese zumindest überfahren, um zu ihren Feldern zu gelangen. Demnach verschleißen die Radwege schneller und müssen repariert oder neu angelegt werden. Dieser Argumentation zufolge wäre es also günstiger, gleich stärker befestigte Wirtschaftswege anzulegen.

Schließlich haben Landkreis und Gemeinde auch noch die Anwaltskosten des Landwirts übernommen, die im Rahmen des Kaufes angefallen sind. Kaufmann begründet das damit, dass die Behörde die Möglichkeit einer Enteignung geprüft habe. Die Erfolgsaussichten seien als nicht besonders hoch eingeschätzt worden und das Verfahren hätte voraussichtlich viel Geld gekostet. "Da wir auch bei einer Enteignung die Anwaltskosten übernehmen hätten müssen, haben wir dies auch in diesem Fall getan", erklärte Kaufmann. Ob das Landratsamt in der Vergangenheit schon mal bei Grundstückskäufen Anwaltskosten von Verkäufern übernommen habe, konnte Kaufmann nicht sagen.

Der Grafrather Bürgermeister Markus Kennerknecht (parteifrei/CSU) hatte sich zu den Vorgängen nicht äußern wollen. "Es ist ein üblicher Kaufvertrag", erklärte er der SZ. Vier ehemalige und amtierende Gemeinderäte der Grünen und der Bürger für Grafrath (BfG) halten den Abschluss hingegen für nicht normal. Sie haben Kennerknecht aufgefordert, die Bürger über die Auswirkungen der Verträge zu informieren. Nach Darstellung von Roger Struzena, Peter Kaifler (beide Grüne), Hartwig Hagenguth und Burkhard von Hoyer (beide BfG) habe der alte Gemeinderat im Herbst 2019, nachdem der Landkreis schon einen relativ hohen Preis mit dem Grundstückseigentümer vereinbart hatte, diesem zugestimmt, damit nach Jahren der Blockade endlich der Radweg gebaut werden konnte. Damit sei der Eigentümer nicht zufrieden gewesen und habe weitere Bedingungen gestellt.

Diese würden dazu führen, "dass die Gemeinde und der Gemeindehaushalt noch nach Jahrzehnten finanziell massiv belastet werden können, wenn der Bürgermeister und die beschließenden Gemeinderäte sich schon lange verabschiedet haben", heißt es in der Presseerklärung der vier Kommunalpolitiker, die keine Details nannten, weil der Kaufvertrag in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wurde. Ihre Einwände seien im Gemeinderat von der Mehrheit nicht angenommen worden. Es gibt jedoch weitere Unzufriedene, die sich allerdings nicht öffentlich äußern wollen.

Bereits Mitte August hatte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, Martin Runge, Aufklärung verlangt. Er verwies darauf, dass der Energie-, Planungs- und Umweltausschuss 2017 den damals geforderten Preis als zu hoch abgelehnt hatte. Die Kreisräte hätten befürchtet, einen Präzedenzfall zu schaffen, andere Grundeigentümer würden animiert, ähnlich hohe Forderungen zu stellen. Den neuen Vertrag hätten die Kreisräte nicht vorgelegt bekommen, was das Landratsamt damit begründet, dass sich der gezahlte Preis "im üblichen Rahmen" bewege.

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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