Süddeutsche Zeitung

Grafrath:Erinnerung an die Sommerfrischler

Eine Ausstellung in Grafrath erzählt die Geschichten der vielen Villen, die um das Jahr 1900 errichtet worden sind

Von Manfred Amann, Grafrath

Lange bevor im Zuge der Gebietsreform 1972 aus mehreren Dörfern die Gemeinde Grafrath geschaffen wurde, war der heutige Ortsteil Wildenroth noch ein selbstständiges Dorf, das insbesondere um 1900 bereits ein beliebter Ort für Sommerfrischler war. Ebenso Unteralting, Mauern und Grafrath, von wo aus man mit dem Schiff auf der Amper zum Ammersee fahren konnte. Auf vielen Postkarten von Wildenroth war "bayerisches Bethlehem" zu lesen, in dem sich nach und nach Maler, Literaten und wohlhabende Städter Villen und Landhäuser bauten.

Fritz Reischl hat solche Postkarten sowie Zeichnungen, Fotos, Gemälde und Dokumente über die teils prächtigen Häuser und über Denkmäler im Gemeindegebiet gesammelt. Eine sehenswerte Auswahl davon entführt aktuell die Besucher im Grafrather Kulturraum zurück in die Zeit, als die Häuser gebaut wurden und zeigt, wie sie im Laufe der gut hundert Jahre verändert wurden. "Manche Villen wie die Villa Czermak sind leider verschwunden, zum Glück hat Fritz Reischl noch Bilder", freut sich Sybilla Rathmann die als Kulturreferentin die Ausstellung angeregt und mit konzipiert hat.

Peter Sprenzinger lebt heute in Kottgeisering, ist aber im Schloss Höfen aufgewachsen. "Die schöne Villa auf dem Hügel und der riesige Garten waren für uns Kinder ein Traum", erinnert er sich und bedauert, dass um das Schloss mittlerweile "ziemlich alles zugebaut" ist. In der Ausstellung erfährt man auch einiges über die Erbauer der teils prächtigen Gebäude am Amperhochufer und ihre Bewohner. Schloß Höfen zum Beispiel wurde von einem Münchner Bankier errichtet, wurde aber bald Villa Lechner genannt, nachdem Baron von Lechner 1926 das Gebäude erworben hatte. In der Villa Hatz befand sich zu der Zeit, als es die Westernstadt und den Märchenwald noch gab, ein Schloss-Cafe, die Villa Lachmann ließ ein Münchner Kommerzienrat errichten und die Villa Amperhöhe hatte der "Patrizier" Fritz Ungerer aus der Landeshauptstadt in Auftrag gegeben. In der Villa Berendt lebte bis zu seinem Wegzug nach Fürstenfeldbruck der Farbenfabrikant und Kunstmaler Fritz Berendt, dessen besondere Farbmischungen von vielen berühmten Malern wie Lovis Corindt, Emil Nolde, Henri Matisse und Max Liebermann verwendet wurden.

Der Kommerzienrat Otto von Vollnhals, der als Pionier der Sendlinger Motorenwerke berühmt wurde, hatte ein Villa und die schöne Stephanitz-Villa war Wohnsitz und Arbeitsplatz von Rittmeister Max von Stephanitz, der mit seinem Hund "Horand von Grafrath" als Stammvater den deutschen Schäferhund züchtete und den Verein für Deutsche Schäferhunde gründete. Auf dem früheren Rassoberg, heute Kapellberg genannt, sticht noch heute das nach altem Vorbild renovierte Schloß Höhenroth hervor. Ebenso die Villa These, die Eugen Weiß im Originalstil wieder hergerichtet hat. Zuweilen laden die Hausherren zu Besichtigungen und zu Konzerten ein.

Als besonders auffällig in der Landschaft zeigt Fritz Reischl auch eine Foto von dem von Familie Fischer nach japanischer Architektur gestalteten "Torii" und unter der Überschrift "Christliche Heimatdenkmale" findet man Bilder von Feldkreuzen, Bildstöcken und vom Ulrichbrünnlein an der Stelle, wo Bischof Ulrich angeblich vor der Entscheidungsschlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn im Jahr 955 einmal rastete.

Durch die Ausstellung angeregt, wollten viele Besucher zum Beispiel wissen "Wo steht der Bildstock Maria Anna oder wie kommt man zu den Totenbrettern". Ausgestellt und lesbar gemacht ist auch das Wildenrother Gemeindestatut von 1597, mit dem damals das Zusammenleben im Ort geregelt wurde.

Die Ausstellung ist Samstag und Sonntag, 15./16. Februar jeweils von 13 bis 18 Uhr geöffnet

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Quelle:
SZ vom 15.02.2020
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