Grafrath:Das Grafrath der Sommerfrischler

Grafrath: Besuch im Schloss: die Wanderer mit Schlossherrin Sigrid Tuchtenhagen-Strüver (Mitte; weißes Kostüm).

Besuch im Schloss: die Wanderer mit Schlossherrin Sigrid Tuchtenhagen-Strüver (Mitte; weißes Kostüm).

(Foto: Günther Reger)

20 Teilnehmer erkunden auf einer Tour des Kulturvereins St. Rasso, was den Ort vor mehr als 100 Jahren so anziehend gemacht hat

Von Manfred Amann, Grafrath

"Eingebettet ins enge Ampertal, emporgewuchert an den Höhenzügen, grüßt es den Wanderer. Umrahmt von einem Kranze herrlicher Buchen- und Fichtenwälder, welche bis an den Ort heranreichen, ist es besonders geeignet zur Erholung in der reinen ozonreichen Luft". So beginnt ein Werbeflyer, der schon vor gut 100 Jahren Besucher zu einem "beliebten Landaufenthalt" nach Grafrath-Wildenroth locken sollte. "Eine Vielzahl der Sommerfrischler, aber auch Künstler, haben sich damals in der schönen Gegend vor dem Amperdurchbruch durch die Moränen und nahe dem Ammersee Villen gebaut", erinnerte Maria Jenssen am Sonntagmittag bei einer Führung zum Thema "Sommerfrische", die zu besonderen Orten führte.

Knapp 20 Interessierte folgten in Corona-Abständen der zweiten Vorsitzenden des Kulturvereins St. Rasso, um einige der Villen aufzusuchen, etwas über die Gründer und spätere Bewohner zu erfahren. Nette Geschichten und Anekdoten lockerten die etwa zweistündige Wanderung auf. In manchen Gärten, zum Beispiel im Schloss Höfen, durften die Wanderer sogar die Gestaltung bewundern und erfuhren von Besitzerin Sigrid Tuchtenhagen-Strüver vieles über den nach Denkmalschutzvorgaben sanierten Walmdachbau mit Erker und Altane. "Ich habe als Kind zehn Jahre im Verwalterhaus des Schosses gelebt", erzählte Inge Huber, daher sei sie besonders neugierig, was aus dem Schloss geworden ist.

Die Wanderung, die von Kulturreferentin Sybilla Rathmann und Maria Leiten-stern-Gulden, der Vorsitzenden des Kulturvereins, mitorganisiert worden war, begann bei der Gaststätte "Dampfschiff". Unweit davon wurde eine Schiffsanlegestelle eingerichtet, von der aus von 1880 an Schiffe die Sommerfrischler zum Ammersee fuhren. Das erste Dampfschiff "Maria Therese" sei von den Grafrathern wegen der schauerlichen Töne der Schiffssirene "Mosskuh" genannt worden, erzählte Jenssen. Damals hätten in den heutigen Ortsteilen Wildenroth rund 260 Menschen und in Unteralting nicht einmal 40 Menschen gelebt. Im Jahre 1873 sei mit dem Haltepunkt Grafrath die Anfahrt für Sommerfrischler einfach geworden, sagte die Leiterin der Wanderung. An schönen Sommertagen seien nach Eröffnung der Schifffahrt bis zu 2000 Besucher gezählt worden.

Weiter ging die Wanderung entlang der Amper, wo die Gruppe einem Kommerzienrat (dargestellt von Philipp Reil) und seiner Frau (Lilly Reischl), beide vom Rassoburg-Theater Grafrath, begegnete. Beide schwärmten von der bezaubernden Landschaft, von der tollen Unterkunft beim Klosterwirt und von den Köstlichkeiten im Café Uhl und betonten, jetzt öfter nach Grafrath zur Sommerfrische zu kommen. Beide Gaststätten gibt es nicht mehr, aber Brigitte Wagner erinnerte sich, dass im Café Uhl neben der Prinzregententorte insbesondere die "Baiser-Schwäne" eine Köstlichkeit waren. Auf dem Weg erzählte Rathmann, in der Jugendzeit die Amper entlanggeschwommen zu seien, um einen der Mönche in der dort befindlichen Badeanstalt des Klosters zu entdecken. "Sie haben sich leider immer hinter dem Badehäusl aufgehalten", meinte die Kulturreferentin.

Jenssen führte dann auf den Friedhof zum Grab von Graf Nikolaus Pückler, der zusammen mit Fritz Behrendt, Kunstmaler und Besitzer einer Bitumenfabrik in Grafrath, 1903 die erste Wasserleitung schuf. Nach einem Aufenthalt im Schloss Höfen, wurde das Amperschlösschen (Villa Stützel) aufgesucht, vom dem die "Skandalgräfin von Schwabing", die Schriftstellerin Franziska von Reventlow, einst in ihrem Tagebuch berichtete. Beeindruckt zeigten sich die Wanderer auch vom Amperschlöschen, das sich Martin Dülfer, ein Wegbereiter der Jugendstilarchitektur, errichten ließ. Erwandert wurde auch die Villa Clothilde, die nach der Ehefrau von Künstler Kaspar Schleibner benannt ist, der in der Kirche Sankt Rasso zwei Altartafeln schuf.

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