Süddeutsche Zeitung

Grabung in Germering:Römische Bestlage

Auf einem Grundstück mitten im alten Dorfkern von Unterpfaffenhofen wird demnächst eine neue Wohnanlage entstehen. Ausgrabungen haben nun gezeigt, dass der Platz schon vor langer Zeit für den Bau von Immobilien begehrt war.

Peter Schelling

Das Areal an der Alten Kirchstraße und der Salzstraße mitten im Zentrum des Germeringer Stadtteils Unterpfaffenhofen, wo demnächst neun Reihenhäuser, fünf Wohnungen und eine Tiefgarage entstehen werden, war offenbar schon vor mehr als 2000 Jahren eine begehrte Wohnadresse. Darauf deuten jedenfalls Funde hin, die mit dem Beginn der Erdarbeiten auf dem 2169 Quadratmeter großen Gelände gemacht wurden. "Für uns ist das keine Überraschung", sagte der Germeringer Stadtarchivar Marcus Guckenbiehl. Da das Grundstück im Altdorf von Unterpfaffenhofen liege, der abgebrochene Hof bereits im Urkataster von 1809 verzeichnet sei und in der näheren Umgebung bereits mehrere Bodendenkmäler dokumentiert wären, so Guckenbiehl, habe man auch hier ganz konkret mit archäologischen Funden rechnen können.

Einige der fast 1000 Fundstücke aus der Alten Kirchstraße werden nun mit großer Wahrscheinlichkeit in die Dauerausstellung des Germeringer Zeit-Raum-Museums, die derzeit vorbereitet wird, Eingang finden. Guckenbiehl, der sich seit vielen Jahren mit der Germeringer Ortsgeschichte beschäftigt und der im Frühjahr dieses Jahres die Leitung des Stadtarchivs übernommen hat, nannte die Funde schon deshalb interessant, weil sie sich "in das Gesamtbild der Gründungsphase des Ortes einreihen". Ein ausgesprochenes Novum sei dabei ein etwa zwei Meter tiefer Erdkeller, der möglicherweise als Lagerstätte und zum Kühlen gedient haben könnte.

Zudem konnten neben zahlreichen Pfostenlöchern auch zwei Brunnen, ein beigabenloses Grab, sechzehn Grubenhäuser und 40 Gruben sowie Grubenkomplexe nachgewiesen werden. "Durch eine wissenschaftliche Auswertung des Fundmaterials können weitere neue Erkenntnisse zur Entwicklung von Unterpfaffenhofen gewonnen werden", sagte Guckenbiehl. Sicher sei schon jetzt, dass sich der Großteil der Funde ins Mittelalter datieren lasse. So gebe es nur wenige Stücke wie einige Gefäßscherben und Teile von Dachziegeln, die eindeutig der Römerzeit zugeordnet werden können und somit einen weiteren Hinweis auf ein in Unterpfaffenhofen vorhandenes römische Landgut, eine Villa rustica, geben. Schon im Jahr 1964 waren beim Einbau einer Heizungsanlage in der nur wenige Meter nördlich der Fundstelle gelegenen Sankt-Jakob-Kirche römische Mauerreste der Anlage und ein typischer Zweihenkelkrug gefunden worden.

Insgesamt entspricht das ausgegrabene Material genau dem, was man in einer derartigen Siedling erwartet. In fast allen Befunden, die unter der Aufsicht des Landesamtes für Denkmalpflege erstellt wurden, befinden sich auch Keramikscherben und Tierknochen. Als deutliche Anzeichen dafür, dass die vollflächig in die Erde eingetieften Grubenhäuser als Arbeitshütten genutzt wurden, gelten die vorgefundenen Fragmente von Webgewichten, die einst die Kettfäden von Webstühlen spannten, Spinnwirteln und Metallschlackenreste. Die Häuser, davon geht Marcus Guckenbiehl aus, seien vorwiegend für die Textilverarbeitung und das Metallhandwerk genutzt worden. Die Datierung des mittelalterlichen Fundmaterials reicht von einzelnen Scherben aus dem 6. Jahrhundert über größere Mengen aus dem 6. bis 8. Jahrhundert lückenlos bis in die Neuzeit hinein. Zu den zweifellos jüngsten Funden gehören die Scherben einer immerhin schon etwas älteren Coca-Cola-Flasche.

Sehr angetan von der Arbeit der Archäologen und der Vielzahl von Funden zeigte sich am Montag auch einer der Eigentümer des Grundstücks, das jetzt gewinnbringend bebaut werden soll. "Ich bin schwer beeindruckt", sagte Nikolaus Kuner, der als Bauherr der Immobilie wohl nach der Maxime handelte, die schon die Römer bewogen haben muss, in Unterpfaffenhofen zu siedeln. "Was vor 2000 Jahren eine gute Lage für Immobilien war", sagte Kuner, "ist auch heute noch eine."

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SZ vom 07.08.2012
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