Süddeutsche Zeitung

Gnadenkirche:Zurück zu den Wurzeln

Matthias Biber wird Pfarrer in der Kirche seiner Jugend

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Wird Matthias Biber an diesem Sonntag in sein Amt als neuer Pfarrer der Gnadenkirche in Fürstenfeldbruck eingeführt, besteht für ihn der Reiz darin, an Altvertrautes anknüpfen zu können. Biber empfindet hier Heimat, wie er sagt. Denn der Brucker Westen ist der Ort seiner Kindheit. Die evangelische Gnadenkirche war die Gemeinde, in der er in seiner "intensiven und prägenden Konfirmationszeit die Initialzündung" für seine Berufswahl erlebte. Dort habe er Vertrauen und Zutrauen sowie ein Fundament im Glauben gefunden, das ihn motiviert habe, Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden. Er fasst es so zusammen: "Ich habe vor nichts Angst, ich traue mich." Das hat ihn durchs Leben getragen und führt ihn nach 35 Jahren zurück zu seinen Wurzeln. Für den Theologen ist das ein Grund zur Freude und Dankbarkeit. Biber ersetzt Pfarrerin Ursula Leitz-Zeilinger, die im März nach Nürnberg gewechselt hat.

Kommt der 56-Jährige auf den Brucker Westen zu sprechen, gerät er ins Schwärmen. Hier lebe er gerne. Er kenne die Menschen, auch wenn die Stadt sich weiterentwickelt und sich Vieles verändert habe. Die Landschaft des Umlands sei wunderschön. Daher passe er gut an diesen Ort.

Im November leitete er noch die Pflegeschule der Diakonissenanstalt in Augsburg. Er hielt unter anderem Gottesdienste und Andachten, war zuständig für die geistliche Weiterbildung, unterrichtete die Pflegeschülerinnen und -schüler, von denen ein großer Teil einen Migrationshintergrund hat, in ethischer Bildung und nahm Rufbereitschaften wahr.

"Irgendwann zieht der Pfarrer weiter", stellt Biber nüchtern fest. Er habe sich gut überlegt, wo er die Jahre bis zum Ruhestand verbringen wolle. Mit dem Ergebnis, dass er nun das tun werde, weshalb er Pfarrer geworden sei, nämlich einer Gemeinde vorzustehen.

Dass es sich dabei um eine Gemeinde im Umbruch handelt - wofür im übertragenen Sinn auch die aktuelle Sanierung des Gebäudes der Gnadenkirche steht -, passt laut Biber zur Situation der evangelischen Kirche. Auch hier gebe es einen Umbruch, den die Corona-Pandemie verstärkt. Mit solchen Zeiten verbindet der Seelsorger Fragen zum Selbstverständnis: "Wie macht man weiter? Was ist unser Auftrag in der Welt? Wie kommt die frohe Botschaft in die Welt?" Fragen, die jede Generation auf ihre Weise neu zu beantworten habe. Biber hat auch privat Umbrüche erlebt: Er lebt von seiner Frau getrennt, mit der er zwei Kinder im Teenager-Alter hat. Für Situationen mit großen Veränderungen hat Biber den Rat, beweglich zu bleiben.

Flexibel zu sein, ist für ihn ein Sinnbild für Kirche. Daher fühlt er sich vom Leitbild seiner neuen Gemeinde angesprochen, Kirche zu sein, die nach außen geht. Von seiner letzten Tätigkeit als Pflegeschulleiter bringt er Gelassenheit mit. Er wünscht sich und seiner Gemeinde die Gelassenheit, hinzuschauen und nicht sofort hektisch auf Herausforderungen zu agieren. Eine Gemeinde habe einen großen Freiraum.

"Im Gemeindeleben geht es letztlich immer um Begegnung", sagt er. Deshalb sei es Aufgabe einer Kirche, in Begegnung zu treten. Hier kommt er auf die Kasualien zu sprechen, also Amtshandlungen oder Gottesdienste zu wichtigen persönlichen Ereignisse im Leben von Menschen wie Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung. Und gerät wieder ins Schwärmen. Diesmal über seinen Beruf, den er als schönsten der Welt bezeichnet. Komme man bei den Kasualien doch zu den existenziellen Dingen, also zu den Wurzeln, und könne viel Gutes tun. Pfarrer Biber freut sich, wie er versichert, auf die ersten Begegnungen in seiner neuen Gemeinde. Um zu ergänzen, "Evangelium ist dann, wenn es dem Leben dient".

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SZ vom 04.12.2021
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