Süddeutsche Zeitung

Gleichstellung:Mit tänzerischer Kraft gegen Gewalt

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Sigrun Wegener trainiert mit Frauen und Mädchen Choreografien für den Auftritt bei der Demonstration "One Billion Rising"am Valentinstag in Germering

Von Larissa Kahr, Germering

Der Boden bebt im dritten Stock des Mehrgenerationenhauses in Germering. Frauen und Mädchen stehen mit dem Rücken zu einer Spiegelfront und lassen ihre Arme durch die Luft kreisen. Laut dröhnt ein Remix des Songs "I Will Survive" aus den Lautsprechern. "Nach links, nach rechts und tap", schallen die Anweisungen von Sigrun Wegener aus der ersten Reihe. Die Trainerin der Gruppe hebt sich durch ihr auffälliges knallorangenes T-Shirt und den vor Energie strotzenden Bewegungen deutlich ab von den Mittänzerinnen. "Das ist ein Lied über Selbstbewusstsein. Dreht euch um, schaut euch im Spiegel an. Schaut! Ihr habt die Kraft - Ihr könnt fliegen!", ruft sie. Der Blick in den Spiegel hilft sichtbar. Es erklingt der nächste Powersong, und die Zurückhaltung der Anwesenden verschwindet. Ihre Hüften kreisen im Takt der Musik. Das Anspannen der Oberarme wirkt stark und voller Kraft.

Genau dafür sei dieses kostenlose Training da, sagt Renate Konrad, Gleichstellungsbeauftragte von Germering. Die Tanzstunde ist ein Angebot im Hinblick auf die am Donnerstag, 14. Februar, geplante Tanzdemo "One Billion Rising" um 17 Uhr am Therese-Giehse-Platz 2 (am Kreisel der Bahnunterführung). Die Übung soll den potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Befangenheit vor dem Tanzen am Tag des Events nehmen.

"One Billion Rising" ist eine globale Kampagne für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen und für Gleichstellung. Deshalb steht Germering, neben über 180 anderen deutschen Städten sowie Städten in 200 Ländern weltweit, auf und lädt jeden zum Tanz ein. Laut Ankündigung soll ein Zeichen gesetzt werden durch den Ausdruck von Kraft, den Akt der Solidarität und eine weltweite Demonstration der Gemeinsamkeit. Denn jede dritte Frau auf der Welt, das sind eine Milliarde (one billion), war bereits Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt, heißt es auf der Internetseite der Aktion. Ein gemeinsamer Flashmob, zu dem eigens für die Kampagne komponierten Lied "Break the Chain" soll dabei "die Erde zum Beben bringen".

Mitmachen kann und soll jeder. Es reiche wenn die Zuschauer von einen Fuß auf den anderen wippen, den Kopf leicht im Rhythmus bewegten oder einfach nur so dastünden und zuhörten, sagt Konrad. Sogar das Organisatorenteam dachte sich am Anfang: "Wir können nicht tanzen und trauen uns auch nicht." Das sei aber wirklich kein Problem, sagt sie. Genau dafür ist die Tanzstunde von Wegener da. Diese wird immer im Vorfeld des mittlerweile zum siebten Mal stattfindenden Events angeboten. Beim Training sei leider noch nie ein Mann aufgetaucht. Das sei sehr schade, da das Thema so nur den Frauen zugeschoben werde, sagt Konrad. Auch Claudia Wagenführer, Konrektorin der Kerschensteinerschule, befand sich unter den Teilnehmerinnen. Sie gehe mit guten Beispiel voran. Im Sportunterricht habe sie bereits mehrmals die Choreo zu dem Song "Break the Chain" geprobt, damit sich am Tag des geplanten Flashmobs möglichst viele Schülerinnen, aber auch Schüler an der Aktion beteiligten. Denn wirklich jeder zähle ob Tänzer oder Zuschauer, sagt Konrad. Für die Zukunft wünscht sie sich, "dass sich diese Aktion irgendwann erledigt hat. Ich weiß, dass das sehr utopisch ist, aber das wäre mein Traum".

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Quelle:
SZ vom 14.02.2019
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