Glaube und Aberglaube:Die Symbolkraft des Hufeisens

Lesezeit: 3 min

Der Geltendorfer Simon Pittner schmiedet gerne für andere Menschen Glücksbringer. Sein uraltes Handwerk hat freilich bis heute in der Pferdehaltung auch ganz konkreten Nutzen

Von Manfred Amann, Geltendorf

Selten wird mit knallenden, pfeifenden und bunten Böllern und Raketen sprichwörtlich so viel Geld in die Luft geschossen wie zum Jahreswechsel. Man umarmt sich, prostet sich zu, wünscht sich alles Gute für das neue Jahr. Und Schaufenster glänzen mit traditionellen Glückssymbolen. Dazu gehören Schornsteinfeger, Fliegenpilz, Glücksklee, Marienkäfer, Glückspfennige - und das Hufeisen, welches es als Schokolade, Backwerk oder als Bastelei und auch in echt gibt. Für Simon Pittner aus Geltendorf ist das Hufeisen der Glücksbringer schlechthin, daher schmiedet er alljährlich auf der Bergweihnacht in Türkenfeld diesen eisernen Zehenschutz für Pferde "für Glückszwecke" und gewährt dabei auch noch einen Einblick in ein altes Handwerk, das angesichts der boomenden Freizeitreiterei seit Jahren eine Renaissance erlebt.

Heute werden Hufeisen-Rohlinge oder Grundmuster in allen Größen und aus verschiedenen Metallen, ja sogar aus Kunststoff angeboten. Diese seien aber nicht seine Sache. "Ich ziehe das selbst geschmiedete, in der Esse bis auf etwa 1200 Grad erhitzte und auf dem Amboss mit schwerem Hammer entsprechend getriebene und gehärtete Hufeisen vor, da man es genauer an den Pferdehuf anpassen kann und weil das Aufbringen bei Hitze ein bessere Verbindung mit dem Zehennagel ermöglicht", sagt Pittner aus Erfahrung. Selbst reitet er eine Appaloosa-Stute, eine Pferderasse, die angeblich vom spanischen Pferd abstammt, im 18. Jahrhundert nach Nordamerika importiert und als Cowboy-Pferd beliebt wurde.

Bis auf 1200 Grad erhitzt das Eisen in der Esse, ehe es Simon Pittner auf dem Amboss mit schwerem Hammer treibt und härtet. (Foto: Günther Reger)

Simon Pittner, 63, hat Schlosser gelernt und vor gut 30 Jahren an der Hufbeschlag-Schule auf dem Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Pferdehaltung im Haupt- und Landgestüt Schwaiganger zusätzlich eine Ausbildung zum Hufschmied absolviert. "Es war die Liebe zum Pferd, die mich dazu bewogen hat", erinnert er sich, denn es sei ihm sehr wichtig, seine Reitpferde selbst "mit dem passenden Schuhwerk" auszustatten. "Ich hatte immer gut zu tun", verrät er, viele Gestüte und Pferdehalter hätten ihre Tiere schon von ihm beschlagen lassen. Früher hatte der gebürtige Altöttinger in Utting am Ammersee seine Werkstatt und war "viel unterwegs", jetzt im "vorgerückten Alter" will er es "ruhiger angehen lassen".

Fasziniert hat Pittner von jeher, dass an vielen Scheunen und Stallgiebeln abgeschliffene, aber auch extra geschmiedete Hufeisen hängen, um Unglück vom Hof und den Pferden abzuwenden und der Bauernfamilie Glück zu bringen. Wieso das Hufeisen zum Glücksbringer wurde, dafür gibt es mehrere Theorien. Weil es die Form des aufgehenden Mondes hat, sei es zum Glücksboten geworden. Eine weitere Deutung geht auf den heiligen Hufschmied Dunstan zurück. Einst sollte Dunstan des Teufels Huf beschlagen, dabei hatte er so fest zugeschlagen, dass der Teufel um Gnade winselte. Erst nachdem der Teufel versprochen hatte, jeden zu verschonen, der ein Hufeisen trägt, hörte er mit dem Hämmern auf. Der Glaube an die Kraft des Hufeisens, ist in der ganzen Welt verbreitet. Das Hufeisen muss mit der Öffnung nach unten gehalten werden, damit das Glück heraus kann. Werden Hufeisen gefunden und sind auch noch drei Hufnägel darin erhalten, so bedeutet das besonders viel Glück.

Sein Handwerk führt der Hufschmied alljährlich auf der Türkenfelder Bergweihnacht vor. (Foto: Günther Reger)

Hängt man es quer auf, symbolisiert es das C für Christus. Ein anderer Aberglaube besagt, dass man das Hufeisen mit der Öffnung stets nach oben hängen muss, damit das Glück nicht verloren geht. Nach oben geöffnet, stelle es einen Brunnen dar, der das Glück einfängt. Eine andere Erklärung liegt darin, dass das Hufeisen der Schuh des Tieres ist. Das Pferd war in prähistorischer Zeit höher geachtet als der Stier. Wotan opferte man Pferde, die danach verzehrt wurden, was Pferdefleisch als Alltagsspeise tabu machte. Das Hufeisen soll auch das für die Bauern und für die Kriegsführung so wertvolle Pferd selbst schützen. Ein türkisches Sprichwort weist auf diese Bedeutung hin: "Ein Nagel kann ein Hufeisen retten, ein Hufeisen ein Pferd, ein Pferd einen Reiter und ein Reiter (als Krieger) ein Land." Ein Hufeisen, richtig an Haus und Hof angebracht, soll ein geeignetes Mittel sein, Unglück, Unheil und Krankheit abzuwenden. Man könne damit das Böse festnageln und einhämmern, so der Aberglaube.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: