Gewerbe in Fürstenfeldbruck:Das Ende einer 100-jährigen Firmengeschichte

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Das Traditionsgeschäft "Leder Franzl" schließt Mitte September. Für den Inhaber hat sich der Betrieb nicht mehr rentiert

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Helmut Gröbl kann momentan über zu wenig Kundschaft nicht klagen. Im Gegenteil: In seinem Geschäft an der Viehmarktstraße in Fürstenfeldbruck geht es zu wie in einem Taubenschlag. Gerade marschiert ein älteres Ehepaar mit zwei großen Koffern und vier Taschen hinaus, da rumpelt eine Mutter mit zwei kleinen Kindern durch den Raum zum Korb mit den Ein-Euro-Sonderangeboten, vor allem Schlüsselanhänger liegen darin, und schon steht ein weiteres Seniorenpaar vor dem Verkäufer auf der Suche nach einem Koffer von explizit "mittlerer Größe". Gröbl schickt die Beiden in den ersten Stock, da müsste es noch Exemplare geben, und ist im nächsten Moment schon am Telefon gefragt: Jemand will eine Tasche reparieren lassen. Das sei nicht mehr möglich, muss der Ladeninhaber dem Anrufer eröffnen, er habe die Werkstatt vor drei Wochen aufgelöst: "Ja, wenn immer so eine Frequenz wäre", wendet er sich zwischendurch an den Reporter, um die Erfüllung dieses Wunsches gleich selbst als irreal zu verwerfen: "Das ist Utopie."

Warum gerade so ein Andrang herrscht, ist unschwer an den Schaufenstern des Traditionsgeschäftes zu erkennen: Wir schließen. Totaler Räumungsverkauf. Alles reduziert um 30 Prozent, Einzelposten sogar um 50. Das alles lässt sich auf Aufklebern in bunten Lettern lesen und lädt natürlich nicht nur Schnäppchenjäger zum Einkaufen ein. "Leder Franzl" wird in ein paar Wochen endgültig zumachen, womit ein Fachgeschäft mit einer 100-jährigen Geschichte von der Bildfläche verschwindet. Und ein solches Sortiment an hochwertigen Marken von Koffern und Trolleys, Taschen und Schirmen, Geldbörsen und Kosmetikköfferchen, Akten und Schalenkoffern wird es in Fürstenfeldbruck und auch im Landkreis nicht mehr geben.

Die Regale leeren sich: Helmut Gröbl schließt sein Lederwarengeschäft in Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wobei das Unternehmen seinen Ursprung nicht in Bruck hatte. Gegründet wurde es von dem Sattler- und Täschnermeister Sebastian Franzl 1919 in München. Gröbl übernahm dem Betrieb 1997. Er hatte im Lederwaren-Fachhandel gelernt und gearbeitet, sein Vater war Hersteller gewesen. Nach dem Kauf führte er drei Filialen, gab diese 2002 aber auf und verlegte das Geschäft nach Fürstenfeldbruck in die Schöngeisinger Straße, seit 2012 nur in der Viehmarktstraße. Beispielhaft mag diese Firmengeschichte für den Existenzkampf und Niedergang des Fachhandels stehen. Die Gründe hierfür, die Gröbl aufzählt, veranschaulichen vieles: Da ist der Online-Handel, den immer mehr Menschen nutzen, weil er Geld spart: "Aber wenn ein Koffer kaputt ging, sind die Leute zu uns gekommen." Dann hätten manche Dinge ihre Wertigkeit verloren. Der 56-jährige Geschäftsmann nennt als Beispiel das Schmuckkästchen. Früher hätte er 40 bis 50 allein in der Weihnachtszeit verkauft, übers ganze Jahr seien es heute keine zehn mehr. Und schließlich verkaufe er ja Qualitätswaren, die Jahre hielten. Es bräuchte also schon eine viel höhere Zahl an Stammkunden, noch dazu, wo es praktisch keine Laufkundschaft gebe.

"Leder Franzl" wird in ein paar Wochen endgültig zumachen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Letztgenanntes Defizit sieht Gröbl auch in der für ihn nachlassenden Attraktivität von Fürstenfeldbruck als Einkaufsstadt begründet. Er zählt eine Reihe von Fachgeschäften im Stadtzentrum auf, die in den vergangenen Jahren aufgegeben haben: Boutique, Parfümerie, Strickwaren, Geschenkeladen, Geschirrgeschäft: "Für die fünf Läden, die es noch gibt, kommt keiner nach Bruck. Da fährt man nach München", lautet seine Erfahrung und pessimistische Prognose. Und was speziell seine Branche betrifft, kommt erschwerend hinzu, dass es Lederwaren heute auch andere Geschäfte im Sortiment führen - vom Schreibwarenladen bis zum Modehaus.

Das Aus schien also irgendwann unausweichlich. Gröbl hat sich inzwischen damit abgefunden: "Seit dem Entschluss ist es gut", sagt er. Was er beruflich in Zukunft machen will, weiß er noch nicht. Darüber macht sich der Mammendorfer derzeit auch noch nicht allzu viele Gedanken. Nur eines müsse sein, nämlich eine Branche, in der er mit Menschen zu tun habe, sagt er und wendet sich dem Paar zu, das vom Verkaufsraum im ersten Stock inzwischen zurück ist. Sie hätten leider keinen mittelgroßen Koffer gefunden. Gröbl kann ihnen Hoffnung machen: "Dann kommen Sie die nächsten Tage noch mal, wir erhalten noch Restlieferungen." Die beiden Brucker haben sogar noch bis zum Freitag, 20. September, Zeit. Das wird der letzte Tag sein, ehe "Leder Franzl" endgültig schließt und eine hundertjährige Firmengeschichte zu Ende geht.

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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