Vor dem Rathaus in Germering steht seit Freitag eine rote Bank. Sie erinnert an Gewalt an Frauen - "die am weitesten verbreitete Menschenrechtsverletzung weltweit", sagt Antje Krüger vom Vorstand des Vereins "Frauen helfen Frauen" bei der Aufstellung der auffälligen Bank im Beisein von Oberbürgermeister Andreas Haas und anderen Vertretern der Stadt. Krüger nennt es ermutigend, gut sichtbar und miteinander darauf hinweisen zu können, dass Gewalt an Frauen immer noch alltäglich ist.
Die Bank solle nicht nur auf das Thema hinweisen, sondern auch dazu beitragen, dass es aus der Tabuzone geholt wird, erklärt Beatrice Melzner, Mitarbeiterin im Germeringer Frauenhaus. Dort wurde das Möbel zusammen mit gerade dort lebenden Frauen gestaltet. In diesem Monat haben in dem Haus sechs Frauen und fünf Kinder Schutz gefunden. Die Bank sende auch ein Signal an Betroffene, ergänzt Krüger: "Du darfst darüber reden, auch in der Öffentlichkeit. Für das Erlebte brauchen sich Frauen nicht zu schämen." Eine Infotafel weist den Weg zu einer "digitalen Pinnwand", zum Verein und zu Einrichtungen, bei denen Frauen Hilfe bekommen können.

Aufmerksam machen soll die Bank auf die strukturellen Ursachen der Gewalt: auf hierarchische Geschlechterverhältnisse, Rollenklischees und die strukturelle Benachteiligung von Mädchen und Frauen, die die Gewalt begünstigen. Diese würden oft nicht erkannt oder geleugnet. "Es wird leider noch immer als normal empfunden, dass Frauen kontrolliert werden dürfen", sagt Krüger.
Seit etwa fünf Jahren nehme die Frauenfeindlichkeit wieder stark zu. Besonders sichtbar werde das in den sozialen Medien. Zudem gebe es in der Umsetzung des "Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt", genannt Istanbul-Konvention, gravierende Mängel in Deutschland. Das habe eine Überprüfung durch Expertinnen und Experten ergeben. Seit 2018 ist die Konvention hier geltendes Recht.
Kinder bekommen die Gewalt immer mit
Als besonders gravierend bezeichnet der Bericht Krüger zufolge "ein mangelhaftes Risikomanagement gegen Femizide sowie die regelmäßige Gefährdung gewaltbetroffener Frauen und Kinder durch Sorge- und Umgangsregelungen". Kinder aus Gewaltbeziehungen bräuchten nach der Trennung der Eltern eine Auszeit und Ruhe, sagt Krüger, und damit eine Weile keinen Umgang mit dem gewalttätigen Vater. Denn auch wenn die Kinder nicht selbst geschlagen worden seien, bekämen sie die Gewalt im Haus immer mit.
Es gebe aber nicht nur häusliche Gewalt, sagt Krüger weiter. "Auf der ganzen Welt erleben und fürchten Frauen, Mädchen und queere Personen psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum." Die Formen reichten von sexualisierten Sprüchen und anzüglichen Gesten über Online-Hass bis zu Vergewaltigung und Femizid. Geschlechtsspezifische Gewalt finde überall statt. "Mehr als die Hälfte aller Frauen meidet im Dunkeln bestimmte Orte und fühlt sich unsicher."
Mehr Unterstützung nötig
Doch es gibt auch Positives zu berichten. Mittlerweile komme es nur noch selten vor, dass der Bedarf für Frauenhäuser und andere Hilfeeinrichtungen nicht gesehen werde, sagt Krüger. Das habe aber bisher nicht zu einer bedarfsgerechten Versorgung geführt. "Der Landkreis mit seinen Städten und Gemeinden hatte und hat für die Gewährleistung der Hilfen unseres Vereins immer ein offenes Ohr." Doch es brauche auch finanzielle Unterstützung, und die sei nicht immer ausreichend.
Die rote Bank wird nun eine Weile in Germering stehen bleiben, anschließend durch den Landkreis wandern und darauf aufmerksam machen, dass der Verein "Frauen helfen Frauen" im kommenden Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiern kann. Die erste rote Bank wurde Beatrice Melzner zufolge im italienischen Perugia aufgestellt, es gebe in Italien mittlerweile viele solche Sitzmöbel, die auf das Thema aufmerksam machen. In Bayern gehört die in Germering zu den ersten, in Baden-Württemberg gebe es mehr. "Die Rückmeldungen aus Freiburg im Breisgau sind sehr positiv."