Gesundheit:Nach dem Virus kommt die Verarmung

Gesundheit: Monika Wirth ist die Referatsleiterin im Gesundheitsamt. Sie und ihr Team beraten auch Menschen, die von Armut betroffen sind.

Monika Wirth ist die Referatsleiterin im Gesundheitsamt. Sie und ihr Team beraten auch Menschen, die von Armut betroffen sind.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Gesundheitsamt hat eine wichtige Rolle in der Corona-Pandemie. Die Einrichtung kümmert sich aber noch um ganz andere Dinge - und die werden immer wichtiger.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Corona-Pandemie hat das Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck verändert, mehr Personal wurde eingestellt, Computerprogramme haben das Faxgerät ersetzt. "Wir haben viel gelernt", sagt Referatsleiterin Monika Wirth auf die Frage, wie künftige Pandemien zu bewältigen seien. Eine wichtige Aufgabe sind aktuell die Folgen steigender Verarmung. Immer mehr Menschen haben deswegen psychische Probleme, fallen in Depressionen, bekommen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch infolge falscher Ernährung. "Armut und Gesundheit hängen zusammen", sagt die Medizinerin Wirth. Im vergangenen Jahr haben Mitarbeiter des Gesundheitsamtes deswegen knapp 1200 psychosoziale Gespräche geführt.

Die Corona-Pandemie begann im Landkreis im Februar 2020 mit drei Infizierten aus dem Webasto-Cluster, die sich dort im Betrieb angesteckt hatten. Wenige Wochen später wurde die Behörde mit Fällen aus dem Landkreis überrollt, sowohl personell als auch technisch reichte die Ausstattung nicht.

Alle Meldungen trafen per Fax ein, etwa von Ärzten und Laboren, und wurden in Fächern sortiert abgelegt und weiterbearbeitet. Der nächste Schritt waren Exceltabellen, erst im Herbst 2020 stand eine Software zur Verfügung, um alle Daten zu erfassen und weiter an das Landesamt für Gesundheit und das Robert-Koch-Institut zu melden. Eine weitere neue Software stand parat, um die Spitzen der Winterwelle 2021 zu bewältigen. Formulare standen endlich online zur Verfügung, ebenso Informationen über die sich immer wieder ändernde Rechtslage, die Infizierten wurden per E-Mail oder SMS informiert, statt sie anzurufen.

Das Personal von knapp 30 Mitarbeiter wurde zunächst mit Aushilfen vom Finanzamt, der Autobahndirektion oder mit Sozialpädagogen aufgestockt. Die fachfremden neuen Kollegen mussten angelernt werden, die Einstellungsuntersuchungen für angehende Beamte wurde aus dem Gesundheitsamt ausgelagert an Hausärzte. Schließlich waren fast 90 Mitarbeiter im Einsatz, oft im Homeoffice, weil in der Behörde kein Platz war. Jeweils fünf bis sieben Personen arbeiteten bis Mai 2022 freiwillig auch am Wochenende. Das Team sei in der Zeit der Belastung "gut zusammengewachsen", sagt Wirth.

Nachdem im Frühjahr die Kontaktverfolgung entfiel, wurden die beiden Teams für die Kontaktnachverfolgung sowie positiv getestete Personen und für Fälle in Schulen, Altenheimen und Flüchtlingsunterkünften zu einem Corona-Team zusammengelegt.

Die Mitarbeiter der Behörden wurden gelegentlich beschimpft, weil viele mit den Maßnahmen nicht einverstanden waren, aber es gab keine Drohungen, betont Wirth. Dass es keine Isolationspflicht für Infizierte mehr gibt, wertet die Medizinerin als "Paradigmenwechsel". Nun würden Betroffene wieder angerufen, aber das sei ein Service, der "sehr gut angenommen" werde.

Aktuell arbeiten knapp 100 Mitarbeiter im Brucker Gesundheitsamt, darunter die Angehörigen des Corona-Teams mit befristeten Verträgen, die bis 30. Juni 2023 laufen. Außerdem wurden weitere Stellen für Fachkräfte wie Gesundheits- und Krankenpfleger, Verwaltungskräfte sowie zwei zusätzliche Arztstellen eingerichtet.

Personal steht außerdem im Rahmen des Digitalisierungspakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Bayern zur Verfügung. Das ist ein Schwerpunkt für die nächsten zwei Jahre. Eine Projektgruppe analysiert die Arbeitsprozesse unter dem Gesichtspunkt, was verbessert werden könnte.

Die Corona-Inzidenz liegt aktuell bei etwa 100. Die Zahl werde "rein witterungsbedingt wieder nach oben gehen". Die Dunkelziffer schätzt Wirth als "wesentlich höher" ein. Aktuell gehen die Ergebnisse von lediglich 30 bis 60 PCR-Tests pro Tag in der Behörde ein, dazu einige Resultate von Schnelltests. Zu Spitzenzeiten wurden bis zu 1000 Testes pro Tag gemeldet.

Die Influenza-Welle hat heuer im Vergleich zum Vorjahr und den Jahren vor Corona "sehr viel früher begonnen". Im November waren bereits 160 Fälle gemeldet, sonst waren es fünf bis zehn zu dieser Zeit und die Welle begann erst im Januar. Nach Angaben von Wirth sind es insbesondere Schüler, die die Viren weitertragen. Nach den Herbstferien habe man jedenfalls einen Rückgang festgestellt.

Ein Schwerpunkt für das Gesundheitsamt sind die Folgen der Armut, die zunimmt. sie zeigt sich in der Zahl der chronisch und psychisch Kranken. Für Menschen, die am sozialen Leben mangels Geld nicht teilhaben können, steigt das Risiko für chronische und psychische Erkrankungen oder Sucht. Das Gesundheitsamt bietet eine psychosoziale Beratung an, im Amt, telefonisch oder als Hausbesuch. Schon durch Unterstützung und Anträge auf verschiedene soziale Hilfen wie Grundsicherung, Reha, Befreiung von Zuzahlung für Medikamente, Wohn- oder Pflegegeld oder den Zugang zu einer Tafel könne die finanzielle Schieflage deutlich abgemildert werden, sagt Wirth. Dafür sind drei Mitarbeiter im Sozialdienst des Amtes zuständig, eine Stelle war bislang unbesetzt.

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