Süddeutsche Zeitung

Geschichte:Vom angeblichen Sinn des Heldentods

Eine kleine Ausstellung von Wolfgang Wuschig im evangelischen Gemeindezentrum in Puchheim zeigt, wie in verschiedenen Ländern der gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs gedacht wird

Von Peter Bierl, Puchheim

"Wir spielen Weltkrieg" lautet der Titel eines deutschen Kinderbuches aus der Zeit des Großen Krieges, wie der Erste Weltkrieg in Frankreich und Großbritannien genannt wird. Ein Foto zeigt Buben, die auf dem Gelände einer Kaserne in Ulm die Erstürmung eines Hügels inszenieren, während einige hundert Kilometer entfernt das Gemetzel tobte. Diese Exponate bilden einen starken Kontrast zu den Bildern von Soldatenfriedhöfen, die im Mittelpunkt der Ausstellung: "Gefallen - Der Tod im Ersten Weltkrieg", stehen, die derzeit im Gemeindezentrum der evangelischen Auferstehungsgemeinde in Puchheim gezeigt wird.

Kriegsgräber, wie die dargestellten, gibt es in aller Welt, weil die europäischen Staaten als Kolonialmächte ihre Untertanen aus Übersee an alle möglichen Fronten schickten. So finden sich neben einem Foto des berühmten Beinhauses von Douaumont mit den Überresten von etwa 130 000 gefallenen und nicht identifizierten Soldaten aus der Schlacht von Verdun auch Bilder aus Ägypten, Belgien, Brasilien, Finnland, Israel, Kanada, Malaysia, Neuseeland, Tansania oder den USA. Die Architektur der Anlagen ist verschieden, aber meist soll der Tod sinnstiftend veredelt werden.

Die Gestalter eines deutschen Soldatenfriedhofs in Hooplede in Belgien wollten mithilfe von Erikakraut, Eichen und einer "Ehrenhalle" aus Sandstein aus Ibbenbüren die Anlage als "deutsche Heimat" präsentieren. Anrührend sind die tröstenden Worte des türkischen Staatspräsidenten Mustafa Kemal Atatürk auf einem Gedenkstein in Gallipoli, der sich an die Mütter der alliierten Soldaten wandte: "Nachdem sie ihr Leben in diesem Land verloren haben, wurden sie auch zu unseren Söhnen." Man könnte glatt vergessen, dass Atatürk als Offizier und Politiker mitverantwortlich dafür war, dass der Krieg im Nahen Osten bis 1922 dauerte und mit gewaltigen, nationalistisch motivierten Vertreibungen und Massenmorden verbunden war.

Die Ausstellung hat der Stadtrat Wolfgang Wuschig (UBP) zusammengestellt, der sich seit längerem für Sepulkralkultur interessiert, für unseren Umgang mit dem Tod und dem Andenken an die Toten. Aus seinem Interesse heraus hat er im Verlauf der vergangenen Jahre bereits sieben kleine Ausstellungen entwickelt. In dieser Ausstellung zum Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren geht es um die Formen des Gedenkens an die gefallenen Soldaten.

Im Foyer befindet sich, quasi als Auftakt, eines jener bunten Plakate mit der Überschrift "Kriegschronik 1914-1918", die man in vielen bayerischen Wirtsstuben bis heute findet und mit denen Krieger- und Soldatenvereine an ihre Toten erinnern. Aus Puchheim finden sich die Namen von mehr als 60 Männern darauf, was bei damals etwa 1200 Einwohnern einen enormen Aderlass bedeutete. Manche Familiennamen tauchen mehrfach auf.

Dazu finden sich Fotos von Flugzeugen, Panzern und U-Booten sowie Propagandapostkarten. Die Fortsetzung der Ausstellung im Saal beginnt mit Landkarten, die Frontverläufe und Kriegsschauplätze zeigen, einer knappen Chronologie und Fotos von Soldaten von der Westfront, den Kämpfen in den Alpen, in der arabischen Wüste bis Ostafrika. Zwei Stellwände sind den Opfern im Kriegsgefangenenlager in Puchheim gewidmet, wo mehr als 570 Männer starben, die meisten an der spanischen Grippe kurz nach Kriegsende.

Wuschig lässt die Bilder für sich selbst sprechen, es finden sich lediglich knappe Hinweise auf Orte und Anlässe. Das ist nicht verkehrt, der Zuschauer kann sich auf das Sehen konzentrieren. Hilfreich ist der Hinweis, dass auf dem Friedhof bei Langemarck in Belgien der jüngste Gefallene der Alliierten liegt, der Brite John Condon, der mit 14 Jahren umkam. Schön wäre es, wenn die Ausstellung die Puchheimer animieren würde, sich kritisch mit dem Kriegerdenkmal in Puchheim-Ort auseinanderzusetzen. Wuschig hat es von verschiedenen Seiten aufgenommen. Die Inschrift übersteigt das schon schwer erträgliche übliche Geschwafel von den gefallenen Heldensöhnen bei weitem.

Dabei hatte der Münchner Architekt Adolf Lallinger in seinem Entwurf von 1921 ganz bewusst auf eine militaristische Ästhetik verzichtet und die Plastik einer Frau mit Urne vorgezogen, als Symbol für die Leiden der Zivilbevölkerung. Zwar konnte sich auch Lallinger nicht dem Zeitgeist oder seinen Auftraggebern entziehen und darum findet sich die Inschrift: "Ihren tapferen Helden die Gemeinde Puchheim", auf dem Denkmal. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam jedoch ein Text hinzu, der den Vernichtungskrieg der Nazis verherrlicht: "Helden gefallen im Ringen/um Deutschlands Ehre und Sein/Nie wird ihr Name verklingen/Heilig soll er uns sein", heißt es dort bis heute.

Die Ausstellung "Gefallen - Der Tod im Ersten Weltkrieg" ist bis Sonntag, 25. November, im Gemeindezentrum, Allinger Straße 24, zu sehen. Öffnungszeiten sind von Montag bis Freitag zwischen 10 und 18 Uhr sowie am Wochenende von 10 bis 16 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4203055
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.