Germerswang:Emanzipiert in der Dorfgemeinschaft

Die jungen Frauen vom Mädelsverein Germerswang organisieren einmal pro Jahr ein Beach-Volleyball-Turnier. Darüber hinaus unterstützen sie regelmäßig die Burschen und andere Vereine im Ort

Von Ariane Lindenbach Von Ariane Lindenbach, Germerswang

Am Anfang war es nur eine verrückte Idee. "Das hat mit vier Mädels im Auto angefangen, die gesagt haben, was die Burschen können, das können wir schon lange", berichtet Christina Steber. Die 22-Jährige ist Vorsitzende des Mädelsvereins Germerswang. Und die Geschichte, die sie gerade erzählt von Angi, Johanna, Martina und Elke über die Entstehung des Vereins ist schon mindestens zehn Jahre alt. So genau weiß das die zierliche junge Frau mit den langen dunklen Haaren nicht. Schließlich war sie selber damals noch ein Kind. Doch die Vereinsgründerinnen kennt sie alle bis auf eine. So ist das eben in einem Ort wie Germerswang, der zur Gemeinde Maisach gehört und etwa zwei Kilometer vom S-Bahnhof Malching entfernt liegt. Neun Vereine gibt es dort für die gut 800 Einwohner, auf jeweils 90 Germerswanger kommt demnach ein Verein.

Germerswanger Mädels

Sportlich und traditionell: Die Germerswanger Madln richten ein Beach-Volleyball-Turnier für die Jugendlichen im Ort aus.

(Foto: Günther Reger)

Und was macht so ein Mädelsverein eigentlich? Ihre größte und wichtigste Aktion - nicht zuletzt von der Bedeutung im Dorfleben her - sei das alljährliche, bis weit in die Nacht dauernde Beach-Volleyball-Turnier, erklärt die Vorsitzende beim Treffen im örtlichen Heim der Freiwilligen Feuerwehr. In dem dunkel möblierten Raum mit ein paar antiquierten Feuerwehr-Gerätschaften an den Wänden treffen sich auch die Mitglieder des Mädelsvereins zu ihren sporadischen Sitzungen. Wenn sich die jungen Frauen nicht gerade einmal wieder zum Frühstücken im Fürstenfeldbrucker Parkcafé oder einem Restaurant zum Essen verabreden. In dem Gebäude an der Luitpoldstraße ist auf der Vorderseite der Kindergarten beheimatet, auf der Rückseite treffen sich neben Feuerwehr und Mädels auch die Schützen, im Keller probt die Blaskapelle, und auch die örtliche Jugend trifft sich hier. Hinter dem Haus gibt es Sportanlagen, die von der Maisach begrenzt werden: Stockschützenanlage, besagter Beach-Volleyball-Platz, zwei Tore auf der grünen Wiese, außerdem der Spielplatz des Kindergartens. In Germerswang sei eben alles sehr nahe beieinander, erklärt die Studentin, deren drei Jahre älterer Bruder Johannes auch schon Vorsitzender des Burschenvereins war.

Mädlsverein_Germerswang

Stehen sie gerade selbst nicht auf dem Sandplatz, schlüpfen sie auch gerne ins Dirndl und helfen bei anderen Vereinen mit.

(Foto: privat)

Abgesehen von dem Sportturnier bemühen sich die Germerswanger Mädels auch, mit einer Delegation an den Fahnenweihen benachbarter Burschenvereine teilzunehmen oder Veranstaltungen der anderen Vereine im Ort tatkräftig zu unterstützen. Vor allen Dingen bei Veranstaltungen wie dem Maibaumaufstellen und dem Osterfeuer, beides organisiert der Burschenverein, seien die Mädls "moralisch unterstützend" dabei. Im Gegenzug helfen die Burschen auch dem Mädelsverein beim Beach-Volleyball-Turnier: "Plane und Pavillon aufstellen ist Burschenarbeit." Heuer haben die Burschen den Mädels bei ihrer Veranstaltung Ende Juli sogar noch viel mehr geholfen. All die Formalitäten, etwa das Genehmigung des Turniers bei der Gemeinde oder auch der Großeinkauf in der Metro erledigte der Burschenverein. Die jungen Männer waren dafür extra mit einem Gespann aus Personenwagen und Anhänger unterwegs. Da der Burschenverein ein eingetragener Verein sei, tue er sich da viel leichter, erklärt Steber. Der vielen Hilfe entsprechend teilte der Mädelsverein seinen Gewinn zu gleichen Teilen mit den Burschen.

Germerswanger Mädels

Bei dem Turnier wird auch der Verlierer mit einem Preis bedacht.

(Foto: Günther Reger)

Der Mädelsverein ist kein eingetragener Verein mit den dazugehörigen Rechten und Pflichten, bei dem sämtliche Formalien eingehalten werden müssen. Es gibt weder Mitgliedsbeiträge noch kommunale Zuschüsse. Vielmehr handelt es sich um eine Gruppe junger Frauen in wechselnder Anzahl. Also doch eher ein lockerer Haufen, wie Steber ihre "Mädln" bisweilen nennt. Aber immerhin: Seit seiner Gründung stand der Mädelsverein Germerswang noch nie vor seiner Auflösung. Auch wenn es schon Zeiten gab, in denen der ganze Verein aus nur vier Mädels bestand. Aktuell sind sie zu neunt, alle zwischen 18 und Ende 20. Wie Steber betont, ist bei ihnen alles sehr unbürokratisch. Es gibt kein offizielles Eintrittsalter, von dem an die Mädchen aus dem Dorf dem Mädelsverein beitreten können, und es gibt auch keine streng geregelten Voraussetzungen, die eine Frau für eine Mitgliedschaft mitbringen muss. Außer natürlich, nicht verheiratet zu sein. "Mit der Hochzeit endet die Mitgliedschaft", erklärt die 22-jährige Jura-Studentin. Genauso wie bei den Burschen, die traditionell mit der Hochzeit aus dem Verein ausscheiden.

Unverheiratet

Das Phänomen Madln- oder Mädelsverein gibt es seit 15, höchstens 20 Jahren. Es taucht vor allem im Großraum München auf. Viele junge Frauen ließen sich bei der Gründung ihres Vereins von den Burschenvereinen inspirieren, sowohl was den Sinn des Vereins betrifft - nämlich das Brauchtum zu pflegen und sich in die Dorfgemeinschaft einzubringen - als auch bei den Bestimmungen für die Zugehörigkeit: Bei Burschen- wie Mädchenvereinen endet die Mitgliedschaft automatisch mit der Heirat. Ob der plötzliche Boom eher etwas mit einer neuen Emanzipationswelle zu tun hat oder schlicht damit, dass das Tragen von Tracht seit geraumer Zeit wieder modern ist, ist nicht zu sagen. Im Landkreis gibt es neben dem Mädelsverein Germerswang noch den 2011 gegründeten Madlverein Emmering, einen richtigen eingetragenen Verein mit gut zwei Dutzend Mitgliedern, sowie jenen in Egenhofen, die "Enghofa Madl". Überdies sind in einigen Kommunen auch die Burschenvereine, die in der Regel vor rund hundert Jahren entstanden sind, in den letzten ein, zwei Jahrzehnten zu sogenannten "Burschen- und Madlvereinen" erweitert worden. So etwa in Puchheim-Ort. Dort existiert ein solcher Verein seit 20 Jahren (eingetragener Verein ist die Gruppe seit 2007). In Puchheim-Ort engagieren sich beide Geschlechter gemeinsam bei den traditionellen Aufgaben der Burschenvereine wie dem Aufstellen von Maibäumen oder dem Entzünden des Osterfeuers. Zudem organisieren viele jährlich ein großes Fest, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Die Germerswanger Madln, die ohnehin engen Kontakt zu den Burschen am Ort haben, sind in dieser Frage für alles offen. Wie die Vorsitzende Christina Steber erklärt, sind ihre Mitstreiterinnen nicht generell gegen einen Zusammenschluss. Aber dringend wünschen würden sich das ihre Madln nun auch wieder nicht. alin

Mit den Formalien ist das generell so eine Sache bei den Germerswanger Mädels: Im Unterschied zu "richtigen", also eingetragenen Vereinen, bekommen sie keine gemeindlichen Zuschüsse, verlangen keinen Mitgliedsbeitrag und haben auch keinen Turnus für ihre Vorstandswahlen. "Mit der Wahl war das dieses Mal nicht so einfach, weil sich einfach keine gefunden hat. Und bevor der Verein auseinander bricht, hab' ich halt gesagt, mach' ich's halt." Jetzt macht die Studentin den Job eben, so lange sie Zeit hat. Eine große Hilfe ist ihr dabei ihr Bruder mit seinen Erfahrungen als Vorsitzender der Burschen, etwa wenn es um ihre Hauptaufgabe geht, das Organisieren des Beach-Volleyball-Turniers. "Das fängt schon einmal da an, wenn man nicht weiß, an wen man sich wenden muss." Wenn es beispielsweise darum gehe, für das Beach-Volleyball-Turnier, das ihre Haupteinnahmequelle ist, Biergarnituren oder Fritteusen zu organisieren, wisse Johannes meistens, wen sie fragen müsse. Doch auch als eine Art Mentalcoach, wenn sie die alltäglichen Rückschläge eines Vorsitzenden wegstecken muss, ist der große Bruder gut geeignet. "Wenn es mal wieder nicht klappt mit einem Treffen und es kommen nur drei, denkt man sich, warum mach ich überhaupt einen Termin? Und mein Bruder dann daheim: Mei, das ist halt so, denk dir nichts."

Wer etwas länger mit Steber über den Mädelsverein, die anderen Vereine wie "die Stockler" oder die Feuerwehr und die Dorfgemeinschaft spricht, gewinnt den Eindruck eines eng ineinander verzahnten Gefüges: Alle kennen sich, jeder hilft jedem und gemeinsam kann man Großes auf die Beine stellen. Die 22-Jährige sagt zum Beispiel: "Bei uns ist das so: Eigentlich ist man nicht nur in einem Verein. Ich zum Beispiel bin bei den Mädels und der Feuerwehr." Letzteres eher als passives Mitglied, genau wie drei weitere Mädels auch. Bild gewordener Beweis dieses Zusammenlebens sind die Fotos im Vereinsheim-Treppenhaus: Auf zwei großformatigen Aufnahmen sind die Feuerwehr-Männer in Uniform mit den als "Festdamen" bezeichneten Mädels in ihren einheitlichen rosa Schürzen abgebildet. Außerdem scheint das mit der Vereinszugehörigkeit auch in der Familie zu liegen. Auch Stebers Eltern und ihr Bruder sind bei der Feuerwehr, Vater und Bruder zudem im Schützenverein, der Vater vielleicht noch bei "den Stocklern", wie Christina Steber die Stockschützen nennt. "Das weiß ich aber nicht so genau. Er ist auf jeden Fall oft da." Nun ja, die Anlage der Stockschützen liegt gleich neben dem Heim der Feuerwehr.

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