Germeringer Stadthalle:Exquisiter Klang

Daniel Hope (links) führt das Orchester Jakobsplatz München durch ein ungewöhnlich modernes Konzert aus der Klassik-Reihe

Von Klaus Mohr

Ein hervorragender Geiger mit großem Namen sowie ein ausgezeichnetes Orchester - das waren die Kennzeichen des sehr gut besuchten Eröffnungskonzerts der neuen Saison der Klassik-Reihe am Samstag im Orlandosaal der Stadthalle Germering. Der aus Südafrika stammende Geiger Daniel Hope gehört sicher zu den vielseitigsten und musikalisch überzeugendsten Musikern seiner Generation, und er ist immer für Überraschungen gut, weil er neue Wege sucht und findet. Dem Orchester Jakobsplatz München geht seit Jahren der Ruf voraus, ein sehr sensibler und präsenter Klangkörper zu sein, ein Eindruck, der sich auch in Germering bestätigte. In diesem Fall gab es keinen eigenen Dirigenten, weil Hope das Orchester als Solist leitete. Das Programm war für eine solche Klassik-Reihe außergewöhnlich, denn es beinhaltete fast ausschließlich Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. Dennoch blieb der Klang stets äußerst hörerfreundlich, gründete oft auf tonaler Basis und ließ Dissonanzen nur als sanft reibende Flächen zu, wodurch der Rahmen des Angenehmen an keiner Stelle gesprengt wurde.

Germering: Konzert Daniel Hope / Stadthalle Orlando-Saal

Daniel Hope in der Stadthalle Germering

(Foto: Johannes Simon)

Im Spiel um Raum und Zeit im Kosmos lieferte das Stück "Echorus" von Philip Glass rhythmische Patterns, die vorsichtig gegeneinander verschoben waren und auf dessen Basis sich eine ganz sangliche Kantilene der Solovioline entfaltete. "Drowning by Numbers - Trysting Fields" war ein Stück von Michael Nyman betitelt. Hier waren Motivpartikel aus Mozarts Sinfonia concertante für Violine und Viola zu Vogelgezwitscher verdichtet. Liegeklänge des Orchesters bereiteten in "Fratres" von Arvo Pärt den Boden für betörend schöne Flageolett-Klänge des Solisten, die hier eine wunderbare Überhöhung des Gesamtklangs bewirkten.

Nach der Pause standen die Konzerte der "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi auf dem Programm, allerdings nicht die Originale, sondern eine Fassung von Max Richter, bei der die Musik rekonstruiert wurde aus dem Kern von Vivaldis Kompositionen. Die Streicher waren dazu um Cembalo (wie bei Vivaldi) und Harfe erweitert, wobei letztere klanglich im Hintergrund blieb. Daniel Hope berichtete, dass als Beweggrund für Richter zur Bearbeitung der Violinkonzerte ausschlaggebend gewesen sei, diese Werke nicht mehr hören zu können, da sie omnipräsent seien. Die Spieldauer von Richters Werk war mit der bei Vivaldi identisch, es kamen auch alle Sätze des Originals vor. Verschiedene Verfahren wendete Richter immer wieder an, zum Beispiel, dass zur weitgehend originalen Solovioline eine abweichende Bassstimme mit veränderter Harmonisierung gesetzt war. Rhythmisch-metrisch wirkte sich die Auslassung oder Verdopplung einzelner Töne aus. Und immer wieder endete ein Satz am Ende im Nichts.

Ein Problem lag wohl darin, dass die Muster der Veränderung bald bekannt waren und insofern als Überraschungseffekt nicht mehr dienen konnten. Ein weiterer Problemkreis betraf die Klangästhetik der Wiedergabe: An vielen Stellen, die direkt aus dem Original stammten, herrschte eine sehr dichte und intensive Tongebung vor, wie sie der Musikinteressierte seit Jahrzehnten bei Barockmusik eigentlich nicht mehr hören möchte. Die klangliche Transparenz einer an historischen Vorbildern orientierten Interpretation hat die Hörgewohnheiten stark verändert und die Klangopulenz, wie man sie beispielsweise noch bei Herbert von Karajan kannte, überwinden lassen. Unter diesem Blickwinkel sind die Beweggründe Max Richters umso weniger nachvollziehbar.

Letztlich bestätigte dieses Werk den Eindruck aus der ersten Konzerthälfte: Trotz ganz exquisitem Klang bei allen Beteiligten war die Bandbreite des Ausdrucks und der Spielformen sehr begrenzt. Der Virtuosität des Solisten stand kein adäquater Orchesterpart gegenüber, weil sich dessen Rolle weitgehend auf die Bereitung eines wohlklingenden Fundaments im Hintergrund beschränkte. Den Anklängen an Filmmusik hingegen fehlte wiederum die optische Ergänzung. Zum Schluss gab es als Antwort der Musiker auf den großen Applaus zwei Zugaben, zunächst die Wiederholung eines Vivaldi-Satzes und dann Variationen über das Brahms-Volkslied "Guten Abend, gute Nacht" für Violine solo.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: