Süddeutsche Zeitung

Germering:Zwischen Farbe und Form

In der Germeringer Galerie Frey kann man die vielschichtige Abstraktion der Malerin Ilse Bormann kennenlernen. Ein Rundgang ist derzeit spontan aber nur virtuell möglich

Von Christian Hufnagel, Germering

Warum noch außer Haus gehen? Die schöne neue virtuelle Welt holt sich alles ins eigene Heim. Auch die Kunst. Dazu muss man nur den Button mit der Anweisung "Autorotation starten" anklicken. Und schon beginnen sich die Wände zu drehen, langsam, dass einem nicht schwindelig wird. Ruhig wandern ebenso beruhigende abstrakte Bilder an einem vorbei, ehe der Blick hinaus aus dem Schaufenster auf die Straße, auf geparkte Autos und Häuser gleitet, um von weiteren Farbabstraktionen wieder hereingeholt und ins Innere zurückgeleitet zu werden. Der Betrachter findet sich inmitten einer neuen Ausstellung wieder, begegnet auf diesem Ausflug den Werken von Ilse Bormann. Die Gilchinger Künstlerin präsentiert die Germeringer Galeristin Martina Frey erstmals in ihren Räumen an der Otto-Wagner-Straße und dank eines professionellen Internet-Auftritts auf ihrer Homepage kann dieses Premiere derzeit auch das Publikum erreichen.

Noch lange vor den Folgen der Pandemie hatte die Kunstverkäuferin einen "virtuellen Rundgang" eingerichtet. Dass ihr nur dieser Weg einmal bleiben wird, um für sich und ihre Künstler zu werben, hätte Frey vor vier Jahren nicht gedacht. Aber mit den verschiedenartigen und sich im Charakter ständig ändernden Lockdown-Bestimmungen war und ist ein anderer Zugang kaum möglich. Allein die jüngsten Wochen: Besuch der Galerie nur mit Anmeldung und negativem Test, dann sogar wegen der hohen Inzidenz wieder komplett zu. Die Folgen: Die geplante Vernissage, eh mit all den Hygiene- und Abstandsregeln ein organisatorischer Kraftakt mit zeitlimitierter Gruppenregelung, fiel den verschärften Beschränkungen zum Opfer.

Mit ihren Kollegen aus dem Einzelhandel teilt die Galeristin eine verheerende Erfahrung: "Das Auf- und Zumachen verwirrt die Kunden", sagt Frey, was ein fatales Ergebnis zeitigt: "Sie bleiben weg." Und das in einer Branche, die auch zu normalen Zeiten natürlich keinen Massenansturm erlebt. 30 bis 50 Gäste zählt die Galeristin bei einer Ausstellungseröffnung, was eine ganz ordentliche Zahl darstellt. Ob diese nun sich stattdessen virtuell durchklicken, kann Frey nicht sagen: "Ich kann leider nicht sehen, wie viele die Homepage besuchen." Auch ihr Angebot von "Click & Collect" funktioniere nicht. Online bestellen und dann abholen, das mag mit Essen oder Alltagsdingen sogar ein Geschäft sein, bei der Kunst haut dieses Modell offenbar nicht hin. Was einen nicht verwundern mag.

Also muss man sich auch in der neuen Ausstellung damit begnügen, diese an einem digitalen Endgerät aus der Ferne anzusehen. Allerdings kann sich auch auf diese Weise im vorliegenden Kunstfall ein Genuss einstellen. Nämlich die Bekanntschaft mit einer reifen wie ausgereiften abstrakten Malerei, die Konzept und Kalkül mit Intuition und Emotion verbindet. Wo strenge Geometrie scheint, nehmen die Farben und deren Wirkungskraft überhand. Wo die Aura des Farbigen sich anschickt, Expression zu sein, findet sie ihre Bändigung in der Form, in Rechtecken, Streifen oder auch feinen Lasuren. Insofern ist der Laudatio der Galeristin durchaus zu folgen, was Ilse Bormanns künstlerischen Wert angeht: "Sie reißt Barrieren zwischen den Formsprachen und Ausdrucksarten nieder."

Aber die Kunst der Gilchingerin mag auch beispielhaft dafür stehen, warum eine solche eben doch nur in leibhaftiger Ansicht vollkommen zu erfahren ist. Die Galeristin weiß von einem "speziellen Auftrag der Flächen", der den Bildern inne wohne. Mit einer besonderen Wirkung ambivalenter Natur: "Ich sehe die Farben verschwinden und wieder auftauchen", sagt Frey, aber nur, wenn sie vor den Bildern stehe. Also bleibt einzig die Hoffnung, dass diese analoge Begegnung bald wieder spontan und jederzeit möglich sein wird und dann nicht nur die angestammten Kunden den Weg in die Germeringer Galerie finden. "Die können doch nicht alle weg sein", hofft die Betreiberin. Eine Hoffnung, die man gerne mit ihr teilen will. Aber bis dahin muss der Interessierte sich vorrangig damit begnügen, sich eine hochinteressante Kunst wie die von Ilse Bormann über die Adresse www.galerie-frey.de nach Hause auf den Computer zu holen. Außer man nimmt einen negativen Test auf sich und macht mit Frey unter Telefon 0171/1795653 einen Termin aus. Das ist von diesem Montag an wieder möglich.

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SZ vom 03.05.2021
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