Germering:Zerstörerische Sucht

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Die Alkoholkrankheit betrifft auch die Angehörigen

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Freunde haben Alkoholkranke oft kaum noch. "Der beste Freund sitzt bei ihnen auf der Schulter", sagt Karin Kainz. "Der spricht dann: Ich bin doch dein bester Freund." So war es bei ihrem Ehemann, der mit 74 Jahren an der Krankheit gestorben ist. "Er hat nie versucht davon wegzukommen", erzählt Kainz offen, wohl auch, um andere Angehörige hellhörig zu machen. 30 Jahre lang sei das so gegangen. Sie hat ihn überredet, in eine Sucht-Selbsthilfegruppe des Kreuzbundes in Germering zu gehen. Sie ist mit ihm dort hingegangen, aber er ist nicht lange dort geblieben. "Geblieben bin ich", sagt Karin Kainz. Seit 2018 ist sie in der Germeringer Angehörigen-Selbsthilfegruppe tätig, die zum Kreuzbund des Diözesanverbandes München-West gehört.

"Gruppenarbeit, Gespräche und alkoholfreie Geselligkeit helfen den Gruppenteilnehmern, eine zufriedene Abstinenz zu erreichen", heißt es auf der Kreuzbund-Internetseite. "Bei 80 Prozent der Betroffenen geht es um Alkohol", schätzt Kainz. Tablettenabhängigkeit ist ein weiteres Betätigungsfeld des Kreuzbundes. Viele Alkoholabhängige brauchen lange, um ihre Sucht als Krankheit wahrzunehmen. Manche schaffen es nie. Dabei können die Folgen tragisch sein. "Ehen gehen auseinander und die Kinder wenden sich ab", nennt Kainz nur die gravierendsten Folgen. Die Angehörigenarbeit, der sie sich aus leidvoller Erfahrung widmet, ist deshalb für sie von zentraler Bedeutung.

Die Hilfe für Suchtkranke und die ebenso notwendige Unterstützung der Angehörigen hatte lange Zeit eine Schieflage zuungunsten der Angehörigen. "Alles wurde für die Kranken getan, kaum etwas für die mitleidenden Angehörigen", sagt Kainz. Bei den Angehörigen geht es auch darum, weniger Konflikte mit ihren kranken Partnern zu haben und eine positive Lebenseinstellung zu finden. Kainz hat ein großes Problem damit, dass die Gesellschaft Alkohol als "legale Sucht" mehr oder weniger akzeptiert. Sie nennt das Beispiel Norwegen, wo die Alkoholgetränke so teuer sind, dass sie fast keiner kauft. "Da gibt es kaum ein Alkoholproblem", sagt Kainz überzeugt. Die Germeringer Kreuzbund-Selbsthilfegruppe für Angehörige trifft sich jeweils mittwochs um 19 Uhr im Clubraum des katholischen Don-Bosco-Pfarrheims in der Otto-Wagner-Straße 7; die Selbsthilfegruppe für Suchtkranke freitags um 19.15 Uhr an derselben Adresse.

Kreuzbund für Suchtkranke, Karin Kainz, Hermann Bernreiter, Telefon 0157/37 80 78 72; Alois Elmauer 089/92 56 70 55

© SZ vom 12.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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