Germering:Wunderbar weicher Sound

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Inmitten der Musiker des Simon Wyisch-Quartetts: der Saxophonist Alexander "Sandi" Kuhn im Amadeussaal der Germeringer Stadthalle. (Foto: Günther Reger)

Der Saxophonist Alexander "Sandi" Kuhn in Germering

Von Jörg Konrad, Germering

"Wenn ich Musik schreibe und spiele, möchte ich etwas schaffen, das bei den Zuhörerinnen und Zuhörern bleibt und einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt." Das war im März dieses Jahres in der Fachzeitschrift "Jazzthetik" anlässlich der Veröffentlichung des Albums "The Place In The North" (Unit) von Alexander "Sandi" Kuhn zu lesen. Der Auftritt des Saxofonisten in Germering machte deutlich, wie ernst es ihm mit diesem Anliegen ist. Zumindest was seine Interpretationen betrifft. Dabei war der in Schwäbisch Gmünd geborene Kuhn nicht einmal mit eigener Band vor Ort, sondern spielte das Konzert mit der Rhythmusgruppe des wegen Krankheit abwesenden Simon Wyrsch. Wir wissen zwar nun nicht, wie dessen Auftritt geklungen hätte. Doch das, was Alexander "Sandi" Kuhn , Thilo Wagner (Klavier), Axel Kühn (Bass) und Matthias Daneck (Schlagzeug) im Amadeussaal der Stadthalle geboten haben, war alles andere als "Ersatz".

Das Quartett durchforstete, beinahe zwangsläufig möchte man sagen, in seinem frisch aufgelegten Programm Standards der Jazzgeschichte. Die sind nun einmal für alle Instrumentalisten dieser Zunft weltweit der kleinste, wie auch verlässlichste gemeinsame Nenner. Und abgesehen von manch bekannter Melodie kann sich jeder Musiker hier solistisch individuell einbringen und den Titeln von Hoagy Carmichael, Jerome Kern oder Tholonious Monk seinen ganz persönlichen Stempel aufdrücken.

Dabei war Alexander "Sandi" Kuhn auf jeden Fall die Entdeckung des Abends. Sein wunderbar weicher Sound, der besonders die Balladen kennzeichnete, seine intelligente und fantasiereiche Phrasierung, seine magistrale Gelassenheit zeugten von großer Musikalität und perfekter Handhabung seines Instruments. Da schwang tatsächlich etwas von Coleman Hawkins Souveränität und Dexter Gordons gebremster Intensität durch den Raum. Keine vordergründige Artistik, stattdessen diskreter Charme und berührende Emotionalität, selbst in den kurzen dissonanten Zitaten. Und egal, ob die Grundrichtung der Musik vom Swing oder vom Blues bestimmt wurde, "Sandi" Kuhn war immer im Hier und Jetzt, in der Gegenwart. Wenn ihm, zumindest innerhalb dieses Programmes, die Frage gestellt würde, Restaurierung oder Erneuerung - dann fiele die Antwort eindeutig zugunsten Letzterem aus.

Thilo Wagner, an diesem Abend der Klavier spielende Moderator des Quartetts, ist ein unglaublich sicherer und technisch versierter Swingpianist. Er fand spielend leicht melodische Wendungen, gab den Stücken dabei eine rhythmische Geläufigkeit, die so gar nichts Sentimentales ausstrahlte. Für ihn schienen Standards und ihre dynamischen Interpretationen der Sinn des Lebens, oder besser der Inhalt des Lebens zu sein.

In Axel Kühn und Matthias Daneck besaß diese Formation ein treibendes, unterstützendes, spannend agierendes Rhythmus-Duo. Beide gingen in dieser grundierenden Rolle spürbar auf. Kurze Zwischenräume füllten sie mit kleinen solistischen Glanzleistungen, waren auch produktive Saboteure (im konstruktiven Sinn) und fanden für manche Interaktionen zwischen Saxofon und Klavier wunderbare instrumentale Analogien. Und wenn Matthias Daneck am High Hat seines Drum-Sets kleine rhythmische Pirouetten einflocht, wehte noch dazu ein ganz klein wenig der Geist des großen Max Roach durch den Saal. Insofern für jeden Jazzfreund ein vertrauter Abend, der die Konzertsaison würdig abschloss.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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